...And Oceans - The Symmetry Of I - The Circle Of O

Review

1999 war für mich das Jahr des Abgesangs, nicht nur auf den melodischen skandinavischen Black Metal, wie ich ihn damals kennen und lieben gelernt habe. Bands änderten ihren Stil, lösten sich auf, verschwanden spurlos oder unterschrieben bei Nuclear Blast (was, rückblickend, gar keine Bedeutung hat). Den Soundtrack auf diesen Abgesang lieferten … AND OCEANS mit ihrem zweiten Album, das heute noch genau so klingt, wie ich mich damals gefühlt habe: schwebend, harmonisch, weltfern, aber gleichzeitig bitter und voller Aggressionen.

„The Symmetry Of I – The Circle Of O“ ist, vielleicht auch wegen des etwas sperrigen Titels, insgesamt ein verkanntes Zweitwerk. Im direkten Vergleich mit damals angesagten Kaspertruppen wie MYSTIC CIRCLE sind die Finnen musikalisch immer Welten überlegen gewesen, weil sie Geschmack hatten. Ihr Fehler mag gewesen sein, dass sie im Gegensatz zu ihren Kollegen ebenfalls albern aufgetreten sind – allerdings freiwillig, bewusst und ohne sich dabei im Image selbst zu ernst zu nehmen. Davon zeugen beispielsweise die wirklich schrägen Texten („Äcid Sex And Marble Teeth“?), das grauenhaft hässliche Booklet oder der laut Credits singende Porzellanclown You in den Armen von Sänger K-274 S. Albern, ja, aber wenigstens mit Stil.

Die Platte allerdings kann man in größter Ernsthaftigkeit hören, und das sollte man auch – sonst bügelt sie einen gnadenlos um. Das fängt bei „Mechanic Hippie“ und der ersten Sekunde mit Hyperspeed an und endet erst 40 Minuten später mit „Stained“. Dazwischen zaubern die zurückhaltenden Finnen einen keyboardschwangeren Wahnsinnssong nach dem nächsten aus dem Ärmel – da könnte ich prinzipiell die ganze Tracklist herunterbeten. Exemplarisch: „Salipsism“ z.B. ist ein brutaler Kracher, der fast grindiges Schlagzeug mit rasenden Gitarren und Chören im BORKNAGAR-Stil und irrlichternden Synthesizern verbindet, gleichzeitig aber fast nachdenklich und zerbrechlich wirkt. In „Baby Blue Doll – merry gO mind“, prinzipiell einem Proto-Melo-Black’n‘-Roll-Song, zeigt Sänger K-274 S nach einer soliden, aber etwas unbeholfen-avantgardistischen Gesangsleistung auf „The Dynamic Gallery Of Thoughts“ auch das erste Mal, welches Potential zu Vokalverrenkungen in ihm steckt. Highlights ohne Ende, die man sich als Hörer aber am besten selbst heraussucht.

Verpackt in eine zeitlos gute, aber unverkennbar in den späten 90ern entstandene Tico-Tico-Produktion ist „The Symmetry Of I – The Circle Of O“ seit fast zwölf Jahren für die Ewigkeit konserviert und gehört meiner Ansicht nach ins finnische nationale Musikmuseum. Muss nur noch jemand hingehen und es sich anhören.

21.12.2010
Exit mobile version