Ancst - Summits Of Despondency

Review

ANCST, die fleischgewordenen Albträume aller “Keep politics out of metal”-Profis, sind schon länger eine ernstzunehmende Stimme im Bereich des zeitgenössischen Crust Punk mit Black-Metal-Einflüssen. Auf ihrem neuen Album “Summits Of Despondency” stellen sie wieder eindrucksvoll unter Beweis, dass sie nicht nur laut sind, sondern auch tatsächlich etwas zu sagen haben – musikalisch wie inhaltlich. Die einen werden jetzt schon angewidert abkotzen, weil politisch korrekter “Black” Metal ja gar nicht geht, aber heimlich bei ihnen im Auto “weltanschaulich neutraler” Pagan Metal mit Vernichtungsfantasien aus den Kellern vernachlässigter Pampa-Muttersöhnchen läuft. Jene, denen auch Kollege Schmiedners Special über antifaschistische Black-Metal-Bands nicht zu – Verzeihung – absurd war, werden aber langsam hellhörig. Denn dass ANCST ein beachtliches Grundniveau selten unterschreiten und zudem eine wirklich gute Live-Band sind, hat sich mittlerweile herumgesprochen, wenngleich sicher nicht jede einzelne der bisher veröffentlichten EPs zwingend notwendig gewesen wäre. Auf “Summits Of Despondency” trifft diese Einschätzung allerdings nicht zu.

ANCST präsentieren sich als Meister direkter Hymnen

Dafür haben ANCST respektive Studio-Einzelkämpfer Tom Schmidt alle Klingen geschärft und eine beachtliche Fülle kurzer, prägnanter Fistbang-Hymnen komponiert. Die druckvolle und direkte Produktion, die mit einem mordsfetten HM2-Gitarrensound aufwartet, geht direkt in die Magengrube. Toms ziemlich exakt zwischen Hardcore und Black Metal rangierenden Schreie drücken genau jene verzweifelte Wut aus, die man angesichts der tagesaktuellen Nachrichten oft selbst vom Dach irgendeines Hauses wehklagen möchte.

Überhaupt ist der Black-Metal-Anteil auf “Summits Of Despondency” relativ zurückhaltend vertreten. Vieles findet eher im Bereich des zeitgenössischen, melodischen Crust statt. So könnte “Inferno” fast ein TRAGEDY-Song, “… Of Dying” wiederum ein WOLFBRIGADE-Song sein. Bei einigen Tracks, wie zum Beispiel dem provokanten Opener “Kill Your Inner Cop” oder auch den episch gehaltenen Nummern “Praising The Realm Of Loss” und dem “The Burden Of Hope”-Zweiteiler könnte man an frühen Metalcore à la HEAVEN SHALL BURN und NEAERA denken. Wieder andere Stücke, so zum Beispiel “Final Hour” oder “Abysm Of Existence”, lassen Einflüsse typischer Schweden-Death-Bands wie DISMEMBER erkennen. All das wird von ANCST aber zu einer sehr formschönen Einheit verrührt.

Lyrisch widmen sich ANCST zwar mit Songs wie “Razed Eden”, “Denazification” und “Monolith” den politischen Themen, für die sie vermeintlich berüchtigt sind. Die dominanten Topoi auf “Summits Of Despondency” stellen aber vorrangig existenzielle Zustände, Verlust und Trauer sowie ein gewisser zwischen den Zeilen stehender Nihilismus dar. Dieses Spektrum unterstützt die Musik sehr gut, denn ANCST verstehen es sehr gut, die Songs nicht durchweg nach Schema F zu stricken. Vielmehr ist “Summits Of Despondency” kompakt, rund und gleichzeitig sehr vielseitig.

“Summits Of Despondency” – Zwölf Hymnen ohne Umwege

ANCST haben also in der Tat “Gipfel der Verzagtheit” erklommen und es sich verdient, auf eben jenen kurz zu rasten und sich der eigenen Leistung bewusst zu werden. Spaß beseite, Tom Schmidt und sein Projekt schmettert seine verzweifelten Straßenhymnen einfach so überzeugend ins Megaphon, dass man am liebsten ehrfürchtig in Deckung gehen möchte. “Summits Of Despondency” bietet kurzweiliges, enorm cleveres Songwriting und rockt euch einfach nur um die Ecke.

11.09.2020

Redakteur | Koordination Themenplanung & Interviews

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