Ancst - Ghosts Of The Timeless Void

Review

Ein Blick in die Veröffentlichungsliste von ANCST zeigt: Die Berliner haben einen klaren Faible für EPs und Splits. Denn davon finden sich zahlreiche, zuletzt glänzten sie ja unter anderem auf ihrer Hälfte der gemeinsamen Veröffentlichung mit KING APATHY. Aber jetzt ist scheinbar endlich die Zeit gekommen, das zweite vollwertige Album nach „Moloch“ (2016) abzuliefern. Es ist beinahe merkwürdig, dass „Ghosts Of The Timeless Void“ alles andere als einfallslos wirkt, bedenkt man die Enge Taktung, mit der ANCST neues Material abliefern.

ANCST setzen auf ihre bewährte Mixtur

Aber eben diese vielleicht vorhandene Vorabsorge zermalmt das Quintett schon im Opener „Dying Embers“. ANCST zeigen sich stilistisch treu, ohne dabei zu sehr in den eigenen Hinterlassenschaften zu wühlen. Erneut gibt es eine Stilmixtur aus Hardcore, Black Metal, Crust und, ja, auch ein bisschen Death Metal zu hören. Letzteres führt auf „Ghosts Of The Times Void“, das herrlich kompromisslos, roh und schroff wirkt und produziert ist, dazu, dass geringe Anflüge an die ersten HEAVEN SHALL BURN-Schritte auf diesem Planeten geweckt werden. Ansonsten sparen die Hauptstädter aber nicht an Abwechslung, was sich schon im Tempo bemerkbar macht. Flottes Uptempo hier, gnadenlos walzendes Midtempo und wütende Stampfer dort.

Der feine Blick ins Detail ist aber umso wichtiger für dieses Album. Denn ANCSTs Stärken liegen einerseits in der kompromisslosen Wut, mit der sie durch die elf Songs knüppeln, andererseits aber eben spürbar in den kleinen und großen Feinheiten. Letzteres trifft insbesondere auf die sich mit ihrem dezenten Einsatz definierenden Leadgitarren zu, die zunächst unauffällig, bei genauerem Hören aber umso beeindruckender das Songbild prägen – wohlgemerkt, ohne direkt ins Gesicht zu springen. Hier sei besonders „Of Gallows and Pyres“ oder „Sancity“ genannt. Klar das Zepter in der Hand haben sie dagegen in „Dysthimya“, das ohnehin heraussticht. Denn statt Wut präsentieren ANCST hier Verzweiflung in einem anmutig gestalteten Song, der ungewohnt ruhig vor sich hinbrodelt. „Brodelt“ trifft es gut, denn immer wieder baut sich eine unglaubliche Spannung auf, bei der der dramatische Höhepunkt in Form wuchtiger Gitarrenwände jede Sekunde kommen könnte … doch er kommt nicht, und genau darin liegt der Reiz. Ein unfassbar starker Song!

Trotz durchgehender, wutgeladener Ästhetik – „Ghosts Of The Times Void“ ermüdet nicht

Aber auch die ansonsten wutgeladene Ästhetik, die „Ghosts Of The Times Void“ inne sitzt, ist ansteckend. Ermüdend wirkt es glücklicherweise nicht, wenngleich nicht alle Songs emotional derart ansteckend sind, wie das eben erwähnte „Dysthimya“ oder das ebenfalls überragende, allerdings hauptsächlich aus wüster Raserei bestehende „Revelation Of Deformity“.

Man mag von dem, was im letzten Jahrzehnt alles aus Black Metal gemacht wurde, halten, was man will. Doch langsam aber sicher kristallisieren sich die besseren Bands dieser Gangart heraus und ANCST sind definitiv eine davon. Nein, kein weinerlicher Post-Black Metal, denn mit Schönheit hat dieses Album wirklich wenig zu tun, dafür eine geballte Ladung angestauter Frust, der sich in einer ätzenden, schwarzen Ballung entlädt. Hier sei auch noch die Produktion erwähnt, die kantig ist und das eher hölzern donnernde Schlagzeug in den Mittelpunkt rückt, das Geschehen dabei wirklich optimal einfängt. Hut ab dafür – und ja, eines der stärksten Alben im ersten 2018er-Quartal.

20.02.2018

Chefredakteur

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