Anaal Nathrakh - Endarkenment

Review

„A New Kind Of Horror“ hat seinerzeit schon die ein oder andere Augenbraue empor gehievt. Die krankhaft bösartige Enthemmung, die eine Art Markenzeichen von ANAAL NATHRAKH ist, wurde ein bisschen abgebaut, um stimmungsvollerem Songwriting Platz zu machen. Unsereins begrüßte die Entscheidung, muss nun aber kräftig schlucken. Denn „Endarkenment“ fährt die Enthemmung der Briten weiter herunter für ein noch zugänglicheres Album, über das in unserer Kommentarspalte zu den Vorab-Tracks bereits mit Begriffen wie SOILWORK geunkt worden ist. Und so ganz lässt sich das leider nicht (mehr) von der Hand weisen.

Bekommt ANAAL NATHRAKH noch mehr Eingängigkeit wirklich gut?

Das macht „Endarkenment“ per se zwar nicht schlecht, da die Grundpfeiler des Bandsounds intakt geblieben sind. Dave Hunt kreischt nach wie vor wie am Spieß und verleiht ANAAL NATHRAKH auch anno 2020 das unverwechselbar Krankhafte, das die Band seit jeher ausmacht. Und songschreiberisch lässt man sich zumindest dahingehend nicht lumpen, dass trotz der höheren Eingängigkeit immer noch gute Songs dabei herumkommen. Der eröffnende Titeltrack beispielsweise ist ein guter, für ANAAL NATHRAKH-Verhältnisse eben leicht verdaulicher Dosenöffner, dem das deutlich feistere „Thus, Always, To Tyrants“ folgt. Und letztgenannter übertrumpft seinen Vorgänger sogar noch – aller Anfang ist gewohnt gut.

Aber mit „The Age Of Starlight Ends“ macht sich fernab der gelungenen atmosphärischen Background-Synths eine Vorhersehbarkeit bemerkbar, die „Endarkenment“ im Gesamten etwas herunterzieht und so klingen lässt, als würden Dave Hunt und Mick Kenney ihren Sound mit Gewalt in eine wenn auch weiterhin herrlich krankhafte Variante des Post-„Clayman“-Melodeath-Songwritings stopfen wollen. Genau dieser Song rechtfertigt auch den SOILWORK-Vergleich, der einem im Solo-Part förmlich ins Gesicht springt. Und sobald man diesen süßlichen Melodeath-Beigeschmack erst einmal wahrgenommen hat, begleitet er einen durch das Album hindurch.

„Endarkenment“ gerät ein bisschen zu berechenbar

Jetzt waren ANAAL NATHRAKH früher irgendwie auch schon melodisch, haben das aber durch pure Aggression kontrastiert oder eben wie zuletzt durch Stimmung relativiert. Doch auf „Endarkenment“ steht eindeutig die melodisch unterfütterte Catchiness im Vordergrund. Per se ist das kein Verbrechen, es macht das Album insgesamt aber sehr berechenbar. Ausnahmen, die vom Schema „Geschriene Strophe, gesungener Refrain“ abweichen, existieren glücklicherweise in der Trackliste und setzen Nadelstiche gegen die Vorhersehbarkeit, der „Endarkenment“ zunehmend anheim fällt.

So gefällt „Beyond Words“ durch seinen Ansatz, der fast ein bisschen altmodischen (Melodic) Black Metal durchscheinen lässt. Die Aggression, die Hunt durch sein abartiges Gekotze mit Selbstverständlichkeit ins Spiel bringt, verleiht dem Song den nötigen Zwang, während der im Hintergrund ertönende Klargesang mehr als atmosphärisches Tool eingesetzt wird. Das etwas weniger eindrucksvolle „Singularity“ reiht sich in die Riege der Tracks ein, die auf eine gesungene Hook verzichten, wie auch das qualitativ aufschließende „Punish Them“. Beides solide Tracks, die aber etwas zu sehr auf ihren Göteborg-Melodien hängen bleiben.

Die Briten machen es ihren Hörern etwas zu leicht

Damit wir uns richtig verstehen: „Endarkenment“ ist nicht weichgespült und daher weit davon entfernt, irgendein SOILWORK-Imitat zu sein. Was draufsteht, steckt auch drin, sodass der Sound der Briten an allen Ecken und Enden wiedererkennbar bleibt. Aber es sind eben viele Entscheidungen hinsichtlich des Songwritings und der Dichte an Melodien getroffen worden, die „Endarkenment“ zwar zu einem Ankerpunkt für zärter besaitete Interessenten machen, aber nicht die alles und jeden rasierende Durchschlagskraft haben, die beispielsweise „The Whole Of The Law“ inne hatte.

Dass das Album derart sauber produziert klingt, spielt dieser Entwicklung aber in die Karten, sodass „Endarkenment“ zumindest für sich genommen konsistent klingt. Man kann es also durchaus genießen. Und mit dem Rausschmeißer „Requiem“ gönnen sich die Briten auf jeden Fall ein atmosphärisch-explosives Finale. Aber das Album ist im Gesamten nicht der gnadenlose, erinnerungswürdige Feger, der es sein könnte. Man kommt schnell rein und findet ebenso schnell seine Lieblinge in der Trackliste, aber das melodiöse Füllmaterial dazwischen fällt schnell wieder der Vergessenheit anheim.

Kleine Randbemerkung: Laut offizieller Trackliste ist dem Album noch ein Intro namens „Intro: The Birth of Tragedy“ vorangeschaltet, das dem Rezensionsexemplar jedoch nicht vorlag.

27.09.2020

Redakteur für Prog, Death, Grind, Industrial, Rock und albernen Blödsinn.

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