Anaal Nathrakh - A New Kind Of Horror

Review

Soundcheck Oktober 2018# 3 Galerie mit 23 Bildern: Anaal Nathrakh - Party.San Metal Open Air 2024

Es gibt wenig Schöneres als nach der Arbeit den ganzen Frust, der sich angestaut hat, einfach freien Lauf zu gewähren und ordentlich Dampf abzulassen – schönen Dank an dieser Stelle an ANAAL NATHRAKH, welche mit ihrem neuen Album „A New Kind Of Horror“ die perfekte, musikalische Untermalung dafür liefern. Nach „The Whole Of The Law„, bei dem die britischen Industrial-Black-Grind-Schlächter schon ordentlich die Fetzen haben fliegen lassen, baut das neue Album seinen Vorgänger  aus.

Die Formel, auf dem der Sound fußt, ist im Großen und Ganzen gleich geblieben. Wer die Band kennt, wird den mit geradezu teuflischer Inbrunst dargebotenen Mix aus Industrial, Black Metal und Grind-Versatzstücken sofort wiedererkennen.  Aber es sind die kleinen Details, die ANAAL NATHRAKH in ihrem Sound hier und da angepasst haben, die sich letzten Endes aufsummieren und „A New Kind Of Horror“ dann doch zu einem eigenständigen Biest machen.

Frischer Wind auf „A New Kind Of Horror“

Die offensichtlichste Anpassung ist die Produktion, die wieder etwas vom puren Druck des Vorgängers weggenommen hat. Klingt erstmal nach einem Kuhhandel, zumal die abartige Härte ja eigentlich ein Markenzeichen der Band ist, bis man diese Entscheidung in Aktion erlebt. Der kantige Boller-Sound ist einer verzerrten, gleichzeitig aber auch nuancierten und vielschichtigen Produktion gewichen, welche die reine Härte zwar nicht direkt abbaut, aber durch einen höheren Fokus auf Atmosphäre ergänzt, weshalb das Geknüppel auf „A New Kind Of Horror“ nicht ganz so enthemmt klingt.

Das Songwriting ist dadurch teilweise stimmungsvoller geworden als auf dem Vorgänger, für ANAAL NATHRAKH-Verhältnisse fast schon subtil. Teilweise reicht das ins geradezu Cineastische hinein wie im Rausschmeißer „Are We Fit For Glory Yet“. Dagegen geht „New Bethlehem“ dank geschmackvoller Synthesizer eher unter die Haut und fährt dann die schweren Geschütze in Form eines irrsinnig hymnischen Refrains zum Niederknien auf, in dem Dave „V.I.T.R.I.O.L.“ Hunt wieder einmal seine sensationelle, melodische Stimmarbeit fernab des kaum verständlichen, wahnsinnigen Gekreisches zur Schau stellt. In „The Reek Of Fear“ scheint er sogar seinen inneren Rob Halford zu kanalisieren mit diesen markanten Falsett-Einlagen in der Hook, die im Kontext des Songs irgendwie auch total krank, geradezu besessen klingen.

Doch es kracht noch ordentlich im Hause ANAAL NATHRAKH

Natürlich steht das Geballer beim Songwriting des britischen Duos trotzdem immer noch im Vordergrund. Mag der Sound auch nicht mehr so wuchtig sein, was natürlich eine bewusste Entscheidung gewesen ist, so wüten sich ANAAL NATHRAKH dennoch erneut und wie von Sinnen durch die Songs, angefangen bei „Obsene As Cancer“, das als Opener (dem Intro „The Road To“ folgend) schon ordentlich zuschlägt. Gekrönt wird das dann mit einem der eingängigeren, clean gesungenen Refrains. Kleinere Details wie bedrohlich hupende Bläser im Hintergrund lassen sich ebenfalls ausmachen und verleihen Tiefe. Und schon hat man einen vielschichtigen Dosenöffner, der den Hörer trotzdem direkt bei den Eingeweiden packt.

Dabei bleiben die Synthesizer  klar auszumachen, während Gitarre, Drums und besonders das Gekeife von Hunt noch verzerrter geworden sind. Dieses Album klingt auf eine gelungene, ästhetische Art und Weise hässlich, was definitiv zur abrasiven Stimmung der Songs beiträgt. Doch ist der Sound dynamisch genug, um die ruhigeren, atmosphärischen Passagen unter die Haut gehen und die hymnischen Refrains wie regelrechte Fanfaren klingen zu lassen.

In der Kürze liegt die Würze

Und für das Songwriting kann man den Briten ebenfalls nur gratulieren, da nahezu jeder Ballast abgeworfen worden ist. Das schlägt sich natürlich in der Albumlänge nieder, die nur etwas über eine halbe Stunde beträgt – Chapeau! Es gibt kaum Füllmaterial, das man skippen möchte. Lediglich „Forward“ weist etwas repetitives Riffing auf, doch das nervt eigentlich zu keiner Zeit. Ansonsten sind die Songs durch die Bank weg stark und sehr abwechslungsreich gehalten, sodass neben den bereits erwähnten Hymnen auch ein „Mother Of Satan“ daher kommt, in dem Hunt in der Hook wie von der Tarantel gestochen wiederholt „SATAN!“ brüllt. Da kommt einem der Wahnsinn förmlich aus den Boxen entgegen gekracht.

ANAAL NATHRAKH haben sich definitiv nach vorne bewegt und ein bockstarkes, unglaublich bösartiges Album veröffentlicht, das die Extrem-Metal-Welt anno 2018 wohl noch mal kräftig aufmischen wird. Die Entscheidung, das Album verzerrter klingen zu lassen, hat sich ausgezahlt. Das Album übertrifft seinen ohnehin schon starken Vorgänger und stellt somit einen weiteren, hochwertigen Kandidat für die Jahresbestenlisten dar, der nur verbrannte Erde hinterlässt.

They may sound slightly different, but they will still fucking kill you.

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23.09.2018

Redakteur für Prog, Death, Grind, Industrial, Rock und albernen Blödsinn.

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9 Kommentare zu Anaal Nathrakh - A New Kind Of Horror

  1. nili68 sagt:

    Von den 2 Songs, die man auf Youtube hören kann: Meiner Meinung nach ist die Formel „Boah voll krass!!“ und cheesigen Power Metal-Refrains zwar schon etwas morsch, aber wem’s gefällt… keinen bock mehr zum lästern jetzt.

    1. ClutchNixon sagt:

      Ich liebe die Band. Hol doch die Bullen Nili 😂

      1. nili68 sagt:

        Würde ich am liebsten machen. Die Geschmackspolizeit grmpf.. >:-(

        Nee, scheisse ist das ja nicht, ich habe hier auch ’n paar CDs rumliegen, aber ob ich noch eine brauche, die bis auf geringfügige Abweichungen genauso klingt..

  2. BlindeGardine sagt:

    Nächste Woche schon? Geil! Dann kann das nächste Wochenende ja wieder mit metallischer Urschreitherapie eingeleitet werden, Freude! Die beiden Vorabtracks gefallen schonmal, „Obscene as Cancer“ vielleicht etwas mehr als „Forward“. Aber Anaal Nathrakh funktionieren für mich eh am besten auf Albumlänge, die Therapiezeit sollte für den heilsamen Effekt schon mindestens ne halbe Stunde gehen.

  3. BlindeGardine sagt:

    So, die ersten Hördurchgänge sind geschafft und langsam macht sich Entspannung breit. Das Ding ist natürlich wie erwartet wieder ein richtiges Brett. Im Vergleich zu den Vorgängern wird das Tempo hier und da gefühlt etwas häufiger gedrosselt, dafür hat man die industrielle Zerstörungskraft noch ein wenig angehoben und erinnert stellenweise an Ministry zu ihren besten Zeiten. Die Klargesangseinlagen passen auch wieder gut und sorgen zwar für Verschnaufpausen, sorgen aber mit Sicherheit nicht für ein wohliges Gefühl im Brustkorb. Denn man weiß ja, dass Kenney und Hunt jeden Moment wieder die Sau mit einer brennenden Kettensäge durchs Dorf treiben.
    Insgesamt könnte man sagen, dass „A New Kind Of Horror“ vielleicht etwas…wie soll ich sagen…sperriger ist? Wo man sich bei den Vorgängern nach ca. 30 Minuten immer gefragt hat, was da grade über einen drübergerauscht ist, muss man hier ein wenig öfter innehalten und das ganze Ausmaß des Schreckens auf sich wirken lassen.
    Wie auch immer, geiles Ding.

    8/10
    1. ClutchNixon sagt:

      Weniger eingängig, das zu sagen fällt mir im Zusammenhang mit AN ebenfalls nicht leicht, will sagen ein gutes Stück verkopfter als zuletzt rauscht A new kind of Error einfach so an mir vorbei. Zündeten die letzten zwei Platten bei mir sofort, was nicht zuletzt auch an bewussteren Songstrukturen lag, ist das vorliegende irgendwie oll. Toller Opener, aber in gewisser Weise zu industriell selbst für AN Verhältnisse , ja gar zu technoid für meiner einer. Gardines Ministry Vergleich trifft das Ganze schon ziemlich genau. Und die waren noch nie my cup of tea.

      1. ClutchNixon sagt:

        Korrektur: Horror.

  4. Dor Leo sagt:

    Jup, schon bei der vorab Single Forward! hatte ich frühe Ministry im Ohr.
    Ich finde sogar, dass das ganz gut passt.
    A new Kind of Horror ist auch sperriger als der Vorgänger, eingängig zu sein war glaub ich auch nie Ziel von AN.
    Insgesamt ein geiles Album, allerdings ist das Gekreische für meinen Geschmack etwas zu sehr in den Vordergrund gemischt. Nach einem Durchlauf muss ich erstmal pausieren, ich hab das Gefühl Hunt schreit mir den Verstand aus der Rübe.
    Der Vorgänger The whole of The law ist da etwas runder abgemischt was es auch verdaulicher macht.
    Nichts desto trotz, 9 Punkte

    9/10
  5. Schraluk sagt:

    Mit ‚The whole of the Law‘ haben die mich vor zwei Jahren ja gekriegt. Vorher wusste ich nie genau, wie man ne ganze Platte durchhalten soll. Auch dieses Mal tut es im wahrsten Sinne des Wortes wieder in den Ohren weh und man atmet auf, wenn die 10 Stücke durch sind. Aber das heißt ja nicht per se schlechtes. Diese Attribute könnte ich auch auf ne Band wie ‚Neurosis‘ anwenden, die zu meinen absoluten All-Time Faves gehören. Die beiden Engländer zerlegen auch auf diesem Album wieder alles mit ihrem Industrial-Grind-Blackened Whatever-Mix, wobei sie sich diesmal von ihren Landsmännern von ‚Fukpig‘ und ‚Slugdg‘ abheben, auch wenn diese nach wie vor als Richtlinien genannt gehören. ‚Forward!‘ ist mit seinem an alte ‚Ministry‘ und ‚Pantera‘ auf brutal erinnerndem Riffing der Ober-Tune. Kleiner Minuspunkt ist die ein- oder andere Hook. Auch wenn die schon auf den zurückliegenden Alben knapp an der Schmierigkeit vorbeihuschten, diesmal gleiten sie mir manchmal zu sehr in so ne Art Power-Metal Gejohle ab. Manchmal passt aber genau das wie die Faust aufs Auge. Insgesamt krasses (gutes) Album.

    7/10