Amorphis - Eclipse

Review

War „Far From The Sun“ mit dem Wechsel zum Major Label Virgin sowohl geschäftlich als mit einer radiotauglicheren Ausrichtung des Songmaterials auch musikalisch eher als Experiment zu werten, kehren AMORPHIS mit „Eclipse“ nun heim. Mit ihrem siebten Studioalbum sind die Finnen in den Schoß von Nuclear Blast zurückgekehrt und liefern eine Scheibe ab, auf die man in dieser Form sicher nicht zu hoffen gewagt hätte.

Im August 2004 ereilte die Fangemeinde die Hiobsbotschaft von Pasis Ausstieg, die wohl bei jedem Fan Sorgenfalten bezüglich der Zukunft der Band hervorgerufen haben dürfte. Nicht nur für mich hat Pasi mit seinem unverwechselbaren Cleangesang immer einen großen Teil der Identität AMORPHIS‘ ausgemacht. Wer sollte eine derart einzigartige Stimme ersetzen oder gar aufwiegen können? Für die US-Tour mit TYPE O NEGATIVE hatte man sich kurzerhand CHARON Sänger Juha-Pekka Leppäluoto ins Boot geholt, der jedoch allen Gerüchten zum Trotz nicht in Pasis Fußstapfen treten sollte. Bereits fünf Monate nach dessen Ausstieg präsentierte man hingegen mit Tomi Joutsen ein ziemlich unbeschriebenes Blatt als dessen offiziellen Nachfolger. Eine Entscheidung, die das flaue Gefühl im Magen zugegebenermaßen nicht gerade zu lindern vermochte.

Jetzt, ziemlich genau ein Jahr nach dem Einstieg des neuen Mannes, stellt sich jedoch heraus, dass alle Sorge umsonst war! Tomi Joutsen ist der Mann der Stunde, und der Sänger, den die Band gebraucht hat! Hätten die Dinge nicht ihren Lauf genommen wie sie es taten, hätte man den Wechsel am Mikro fordern müssen. Tomi ersetzt seinen Vorgänger nicht nur, sondern überflügelt dessen Leistung mit einer Routine, dass Pasis Bild in der Ahnengalerie schon jetzt Staub anzusetzen droht. Das Verblüffende ist, dass Tomis Stimme von der Klangfarbe und vom Duktus her gar nicht so weit von Pasis entfernt ist, deren Defizite in Sachen Volumen jedoch nicht kennt. So ist das leicht Nasale, das dem AMORPHIS Sänger stets eigen war, verschwunden und einer starken, charismatischen, nicht minder eigenständigen Stimme gewichen. Zweifelsohne brachte Tomi frischen Wind in die Band.

Lange geisterte es schon durch den Blätterwald: die Growls seien zurück. Und das sind sie auch. Aber lange nicht in dem Ausmaß, dass es Leute befriedigen würde, die noch immer einem „Tales From The Thousand Lakes“ hinterher trauern. Dieses Kapitel wird auch mit „Eclipse“ nicht noch einmal aufgeschlagen. Ein anderes jedoch schon: thematisch rankt sich das Konzept des Albums wieder um den bereits auf „Elegy“ behandelten „Kalevala“, die traditionelle finnische Überlieferung und die tragische Geschichte ihres Protagonisten Kullervo. Auch musikalisch schlägt „Eclipse“ die Brücke zurück in die Neunziger und bildet quasi das fehlende Glied, das den stilistischen Sprung von „Elegy“ zu „Tuonela“ schlüssig erscheinen lässt. Wunderschöne Songs mit dem für AMOPRHIS typischen Vibe, dem vertrauten 70ies Einschlag und monumentale Gänsehautmelodien zum Niederknien machen „Eclipse“ zu einem Meilenstein in der Bandgeschichte. Jeder einzelne Song auf „Eclipse“ ist ein Kleinod an Gefühl und Schönheit, was nicht selten nostalgische Gefühle hervorruft. Songs wie „Leaves Scar“, „The Smoke“, „Empty Opening“, das ein wenig an „Rusty Moon“ erinnert, oder die Single Auskopplung „House Of Sleep“ gehören zum Besten, was AMORPHIS in den letzten zehn Jahren hervorgebracht haben. Damit ist das Unerwartete eingetreten: AMORPHIS sind zurück und so gut wie zuletzt vor vielen Jahren. An diesem Album führt kein Weg vorbei.

16.02.2006
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