Amesoeurs - Ruines Humaines

Review

Jetzt, wo die Tage wieder kälter werden, das Sonnenlicht schwindet und die Blätter zusehends verwelken, erscheint das Grau der Großstadt noch trostloser und ermüdender als sonst. Menschen auf der Flucht vor Nässe und Kälte eilen durch die Straßen und die Anonymität legt sich wie ein Schleier über die vermummten Massen.
„Wir, AMESOEURS, sind die Kinder dieses traurigen und metallenen Jahrhunderts.“ – so stellt sich das französische Duo auf seiner Webseite vor – und traurig und metallen, so ist auch ihre Musik.

Bereits im April 2005 nahmen Neige, der sich für den Kreischgesang und die gesamte Instrumentierung verantwortlich zeigt, und Audrey, die den klaren Gesang beisteuert, ihre treffend mit „Ruines Humaines“ betitelte Mini-CD auf. Es sollte allerdings noch über ein Jahr dauern, bis mit Northern Silence ein Label gefunden war, das die vertonte Anklage gegen die Industrialisierung und die menschlichen Makel unserer Zeit veröffentlichen wollte.

Der Opener „Bonheur Amputé“ ist geprägt von eingehendem Riffing, das sich thematisch beständig über die gesamte Songlänge hinweg zieht und desolat und äußert eingängig daherkommt. Der genretypisch hohe Kreischgesang von Neige ist gefüllt mit so viel Schwermut und Bedrückung, dass sich bereits an dieser Stelle ein leichter Schauer auf meinem Rücken bemerkbar macht.
„Ruines Humaines“, der Titeltrack, beginnt dann recht bedacht mit einer monotonen cleanen Gitarrenmelodie, der nach Einsetzen des Schlagzeugs eine äußerst gelungene hypnotische Basslinie folgt. Das Ende des Stücks wirkt anfänglich recht ungewöhnlich, da es anstatt mit Gitarren, mit eintönig-stampfenden Industrial-Passagen aufwartet, die an den gleichförmigen und unerfüllenden Arbeitsalltag in Fabriken denken lassen. Gleichermaßen melancholisch und dennoch auf seine Art hoffnungsvoll ist dieses Lied – instrumentierter Ekel und Faszination vermischen sich so zu dem meiner Meinung nach besten Song dieser Mini-CD.
Beim dritten und letzten Lied bekommt endlich Vokalistin Audrey die Gelegenheit, ihr Können unter Beweis zu stellen und ihr betrübter, anklagender Gesang, der anfangs noch von cleanen Gitarren begleitet wird, mündet gegen Ende des Stückes in authentisch vorgetragene Bitterkeit und Aggression. Ihre warme, gleichwohl herausfordernde Stimme fügt sich harmonisch in das übrige Klanggewand ein und ist (im Gegensatz zu den meisten Frauengesängen im Metal-Bereich) alles andere als fehlplatziert oder gar störend.

Auch die Gestaltung des sechsseitigen Booklets hätte passender nicht sein können – trübsinnige Schwarz-Weiß-Aufnahmen urbaner Tristesse visualisieren nahezu exakt die Gedanken, die mir beim ersten Hören durch den Kopf schossen und fangen wunderbar das Gefühl ein, das aufkommt, wenn man bei diesem Wetter durch die ergrauten Straßen läuft.

Geformt von der Dunkelheit der Großstadt, Melancholie und Antipathie ist dieses knapp 16 Minuten ‘lange’ Werk empfehlenswert für Liebhaber elegischer und düsterer Musik, die pünktlich zum Herbstbeginn einen Soundtrack für diese triste dritte Jahreszeit suchen.
Es ist schwer einen Vergleich zu anderen Gruppen zu ziehen, da AMESOEURS mit ihrer ersten Veröffentlichung bereits eine gehörige Portion Eigenständigkeit vorzuweisen haben – jedoch würde ich Liebhabern von Bands wie KATATONIA oder auch FORGOTTEN TOMB raten, einfach einmal ein Ohr zu riskieren, um sich selbst ein Urteil von den französischen Hoffnungsträgern zu bilden.

15.10.2006

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