Die Sängerin hört auf den schönen Namen Heidi. Und auch wenn sie natürlich im Grunde nichts dafür kann, so gibt dies doch bereits einen zarten Hinweis auf den extrem hohen musikalischen Kitschfaktor. Diesbezüglich stehen AMBERIAN DAWN nämlich den Geschichten um die zu Großvater und Ziegenpeter in die Alpen abgeschobene Großstadtexilantin in nichts nach. Dabei ist die geographische Herkunft des Sextetts weiter im Norden zu suchen, genauer gesagt in Finnland.
Das „Northland“ im Albumtitel wäre somit geklärt. Nur den „Thunder“ sucht man auf dem gesamten Album vergebens. Zu harmlos und unspektakulär kommt die Musik daher, selbst die vereinzelten Doublebass-Passagen haben nichts mit der unbändigen Kraft eines Gewittersturms gemein, sondern stellen bestenfalls ein laues Lüftchen dar. Dies wird von der viel zu glatten Produktion unterstrichen, die erfolgreich alle Ecken und Kanten niederbügelt, die einen eigenständigen Sound hervorbringen könnten. So dürfte auch das Echo auf „The Clouds Of Northland Thunder“ eher verhalten ausfallen.
AMBERIAN DAWN wildern stark in den NIGHTWISH-Anfangstagen, ohne jedoch die Erhabenheit und tiefe Emotionalität der Tuomas-Holopainen-Kompositionen zu erreichen. Auch die Stimme von Heidi Parviainen bleibt meilenweit hinter der Tarja Turunens zurück. Obwohl es an ihrem Opern-Sopran technisch nichts zu beanstanden gibt, bleibt hier das Gefühl komplett auf der Strecke. Die Gesangsmelodien sind zudem viel zu plump, um wirklich mitreißen zu können, und bewegen sich viel zu oft in Höhen, die Ohren und Nerven des Zuhörers stark in Mitleidenschaft ziehen.
Es ist für Bands im Fahrwasser der unerreichten NIGHTWISH-mit-TARJA immer schwierig, so etwas wie ein eigenständiges Profil zu entwickeln. AD sind da keine Ausnahme, und wenn man sich das Booklet betrachtet, so entspricht dies zu 100% dem bekannten Vorbild: Blautöne, dunkle Athmosphäre, weiße Gesichter unter schwarzen Haaren, Geschichten von Sturm und Mythen etc. etc. Aber deswegen gleich von Abklatsch zu sprechen? Vielleicht wird NIGHTWISH-mit-Tarja einmal eine eigene Musikrichtung, wer weiß 🙂
Auch das 2. Album von AD hat wie das erste eine solide Produktion, eine ganz außergewöhnliche Stimme und auf Rock getrimmte Pop-Musik zu bieten. Sonst aber leider nicht viel, obwohl es auch eine Ballade, reichlich Keyboards und einige Tempowechsel gibt. Besonders aber fehlt mir so etwas wie ein Hit, ein Ohrwurm, eine Melodie, die hängen bleibt, und sei es nur ein stampfendes Riff. Letztere sind allerdings Mangelware bei AD, und der einzige Song, an den ich mich nach mehreren Durchgängen \\\"erinnern\\\" kann, ist der Opener \\\"he sleeps in a grove\\\". Das ist einfach zu wenig, und wenn man nicht ein Faible für Heidi Parviainens Schmetterorgan hat (sie hats wirklich drauf!), bleibt am Ende relativ wenig übrig. Trotzdem, AD haben ein gewisses Potential, und ich hoffe daß ihnen doch mal ein Hit gelingt.