Kaum etwas hat man vorab über ALTAAR gehört, seitdem das Tape „Dødsønske“ veröffentlicht wurde. Und das, obwohl ALTAAR fast zwei Jahre an ihrem Debüt gewerkelt haben – während andere Bands hier bereits 2011 eine Newsmeldung veröffentlicht hätten, dass sie jetzt ins Studio gehen (mit weiteren, die gefolgt wären, von „Unser Sänger singt die letzten Vocals ein“ über „Der Rohmix steht jetzt“ bis hin zu „Unser Drummer war heute kacken“), gab es von ALTAAR nichts zu hören. Außer jetzt das schlicht und ergreifend „Altaar“ betitelte Debüt in voller Länge.
Und das macht es dem Hörer nicht leicht. Zwei überlange Songs finden sich darauf, einmal mit knapp 20 Minuten, einmal einer knappen Viertelstunde Lauflänge, die beide mit ein paar ganz besonders fiesen Tricks und Kniffen arbeiten und mir einiges an Geduld abverlangen. So nimmt sich die A-Seite „Tidi Kjem Aldri Att“ ganze fünf Minuten Zeit, um mittels halbverzehrter und cleaner Gitarren sowie Synthie-Wabern einen Atmosphäre-Grundstein zu legen, bevor die Norweger das erste Mal Volldampf-Strom einstellen. Mystisch verhallt, beschwörend, repetetiv, hypnotisch, monoton – so klingt der Anfang von „Altaar“. Und ja, das hält die Band auch nahezu das ganze Album durch. Nur ganz langsam, ganz zurückhaltend bauen ALTAAR hier ihre Musik auf, erst kommen elektronische Spielereien dazu, dann Drums, die dann nach rund zehn Minuten (!) auch endlich eine dominante Rolle einnehmen … die Spannung immer weiter steigern … den Hörer an die Sesselkante rücken lassen … und ihm dann fast einen Faustschlag verpassen – nicht, indem die Spannung durch eine Soundwand gelöst wird, nein, sondern indem man die aufgebaute Spannung einfach wieder fallen lässt und neu aufzubauen anfängt. Ein Mittelfinger in Richtung der Erwartungen, die man so hegt. So ist es nur konsequent, dass ALTAAR die immer wieder aufgebaute Spannung zu keinem Zeitpunkt in dem 20-minütigen, ersten Song so wirklich abbauen, stattdessen gibt es ein langsames Ausfaden in Ambientsphären, welches mal wieder die Spannung hält (zur B-Seite nämlich) …
… die diese Spannung dann jedoch nicht aufnimmt, sondern wiederum fallen lässt und neu aufbaut. Mit einem sich langsam steigernden Ambient-Part, der sich immer weiter steigert … und nach viereinhalb Minuten (und damit zwei Dritteln Gesamtspielzeit!) tatsächlich eine erste Erlösung bietet. Akustikgitarre über viel Bass, Electro-Einflüsse, Drumpatterns zwischen Down- und Midtempo und auch das erste Mal Leadvocals (nachdem es auf der A-Seite gesanglich lediglich ein paar chorale Hintergrund-Elemente zu hören gab) im Stil eines Martin van Drunen (ähnlich heiseres, aber etwas höheres Geschrei und Gekrächze) gibt es hier zu hören, bevor sich der Song dann gegen Ende in einen ambienten, Post-Metal-artigen Part auflöst und schließlich noch die letzten vier Minuten bis zum Ende mit Noise-ähnlichem Ambient-Wabern überbrückt.
Keine einfache Angelegenheit also, dieses Album … als Mischung aus Doom Metal, Black Metal, Drone und Psychedelic Rock wird es verkauft, was auch gar nicht so falsch ist (wobei ich Black Metal höchstens in Form der kotzigen, lebensfeindlichen Atmosphäre heraushöre), und dennoch spielen ALTAAR auf ihrem Debüt gänzlich gegen die Konventionen an, die man als langjähriger Musikhörer so entwickelt hat. Unglaublich, dass man auch heute noch so sehr gegen alles Gewohnte anspielen kann.
Aber es ist eben auch anstrengend – was ja grundlegend nichts Schlimmes ist, ein bisschen Musik zum Mitdenken (bzw. in diesem Falle eher zum „konzentrierten Mitfühlen“) ist ja nie verkehrt. Auf „Altaar“ wird das teilweise aber so sehr gesteigert, dass man die Wahl hat: Will man das Album intensiv erleben? Dann muss man sich darauf einlassen und dann ist das Spiel aus dem Steigern und dem Nicht-Auflösen der Spannung teilweise unerträglich. Als Alternative bleibt, das Album eben nur oberflächlich zu hören – und dafür bieten ALTAAR wohl kaum genügend Gehalt; dafür fehlt es eben an pointierten Strukturen, an Riffs, die ins Ohr gehen, und vor allem auch am Gesang, an dem man sich festhalten kann. So ist „Altaar“ auf jeden Fall ein zweischneidiges Schwert – gut gespielt, klar durchdacht, ein großartiges Spiel mit den Erwartungen … aber rein musikalisch einfach nicht ergiebig genug, um wirklich in Gänze überzeugen zu können. Und, wenn ich mir diese Anmerkung erlauben darf: Fünf Minuten Spannungsaufbau am Anfang sind bei Spielzeiten dieser Größenordnung ja okay … aber vier bis viereinhalb Minuten Wabern am Ende sind schon auch ein bisschen unnötiges In-die-Länge-ziehen. So sind es letztlich fast nur Kleinigkeiten, deretwegen es nicht ganz zum „Tipp der Redaktion“ reicht. Trotzdem sollte man dem Ganzen auf jeden Fall eine Chance geben, wenn man sich durch das oben geschriebene irgendwie angesprochen gefühlt hat.
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