Alkaloid - Liquid Anatomy

Review

ALKALOID sind seit ihrem crowd-finanzierten und in Eigenregie veröffentlichten Debüt „The Malkuth Grimoire“ 2015 die schillernde Antithese zum Ausspruch von den vielen Köchen und dem ungenießbaren Brei. Mit Schlagzeuger Hannes Grossmann (OBSCURA, NECROPHAGIST, BLOTTED SCIENCE), Sänger Morean (DARK FORTRESS, NONEUCLID), den Gitarristen  Christian Muenzner (OBSCURA, NECROPHAGIST, SPAWN OF POSSESSION) und Danny Tunker (ABORTED, GOD DETHRONED) sowie Linus Klausenitzer (OBSCURA) am Bass versammelt die Band fünf absolute Meister ihrer Disziplin, denen, entgegen aller Befürchtungen, mit „The Malkuth Grimoire“ auch ein ziemlich meisterhaftes Album gelang.

Gleiche Zutaten, entscheidend variiert

Sicherlich bieten Lovecraft und sein Cthulhu-Mythos nicht unbedingt den innovativsten thematischen Rahmen für ein Metal-Album, der Ideenreichtum, mit dem ALKALOID aber den progressiven Death Metal interpretierten, gereichte in Kombination mit der unbestrittenen spielerischen Klasse der versammelten Musiker zu einem der spannendsten Releases des Jahres. Als die Köche nun knapp drei Jahre später die Eisen-affinen Gastro-Kritiker für den zweiten Gang erneut an den Tisch baten, waren die Geschmackssinne von vorneherein besonders geschärft.

„Liquid Anatomy“ heißt die zweite Runde – und die Zutaten haben ALKALOID größtenteils beibehalten. Schwere Death-Metal-Passagen im Stile der wegweisenden MORBID-ANGEL-Alben treffen auf luftige Akustik-Gitarren treffen auf High-Speed-Tech-Death. Garniert wird alles durch abwechslungsreichen Gesangseinsatz, der zwischen tiefen Growls, angerautem und leicht gepresstem Heavy-Gesang sowie steriler Prog-Robotik variiert.  Die glasklare Produktion ist dabei sowieso Ehrensache.

ALKALOID rücken den Death Metal in den Vordergrund

Dennoch unterscheidet sich der Zweitling in einer Sache maßgeblich von „The Malkuth Grimoire“: er ist weniger zugänglich. Wo man den Vorgänger im Kontext dieses Genres als fast schon eingängig und mit zahlreichen einprägsamen Refrains und Melodien gespickt bezeichnen muss, macht „Liquid Anatomy“ es dem Hörer schwerer. Dabei folgt „Kernel Panic“ in Sachen Aufbau zunächst relativ stringent seinem Opener-Gegenstück „Carbon Phrases“ und führt dadurch recht angenehm ins Album ein. „As Decreed by Laws Unwritten“ (klingt ein bisschen wie ein NILE-Titel) fügt im Anschluss eine gute Prise GOJIRA bei und bietet erstaunlich zielstrebige acht Minuten lang erstklassigen Mid-Tempo-Death, der nur zur Mitte durch ein düsteres Interlude aufgelockert wird. Fette Riffs? Sicher. Melodische Gitarren? Eher weniger.

Und so geht es auch mit „Azagthoth“ weiter. Ein Tribal-Intro, etwas mehr Groove, Prog-Vocals auch – insgesamt aber bleibt die Death-Dominanz bestehen.  Der folgende Titeltrack lässt es dann deutlich ruhiger angehen, schwelgt in Klausenitzers glasklaren Bassläufen und stellt erstmals die Lead-Gitarren in den Vordergrund. Im Folgenden werden die progressiven Auflockerungen zwar etwas häufiger – insgesamt bleibt jedoch der Eindruck bestehen, dass ALKALOID es diesmal deutlich düsterer und abgründiger angehen wollten.

Ein gleichwertiger Gaumenschmaus

Ganz zum Ende des Albums klären ALKALOID dann noch auf, wieso „Liquid Anatomy“ nur acht statt wie sein Vorgänger ganze zwölf Tracks enthält: Das massive Opus „Rise Of The Cephalopods“ kommt auf eine Laufzeit von knapp 20 Minuten. Und er ist großartig. Hier wird mit jeglichen Mitteln eine Geschichte erzählt, in der Form und Inhalt über alle musikalischen Grenzen hinweg ein atmosphärisches Ganzes bilden. Melodisch, melancholisch, rasend wütend und erhaben – kein Musikliebhaber wird hier kaltgelassen werden.

„Liquid Anatomy“ braucht etwas länger als „The Malkuth Grimoire“, entpuppt sich dann aber als nahezu gleichwertiger Gaumenschmaus. Die Melodeath-Elemente sind einem Death-Übergewicht sowie vermehrten verdrehten Prog-Einflüssen gewichen, was nach einer noch intensiveren Auseinandersetzung mit der Musik verlangt. Diese aber sollte man ALKALOID ohnehin jederzeit und ohne Zögern gewähren.

11.05.2018
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