Alchemaster's Apprentice - Electric Karelia

Review

Es gibt ja das „Black Metal ohne Distortion ist Surf Rock“-Meme. Und auch wenn ALCHEMASTER’S APPRENTICE nicht (ausdrücklich) Surf Rock spielen – dazu gleich – so verkörpern sie dies doch ein Stück weit mit ihrem Sound. Das finnische Quintett hat sich nämlich auf die Fahne geschrieben, eine alte, finnische Rock-Spielweise namens Rautalanka mit Black Metal-Elementen zu kreuzen. Heißt: Der Unterbau ist von vergleichsweise entspannt rockender Natur, während Sänger Kim Laasko heiser darüber keift und Black Metal-typisch auch ordentlich Halleffekte verpasst bekommen hat, sodass seine Shrieks richtig schön stimmungsvoll durch die Songs auf dem Zweitling „Electric Karelia“ spuken.

Psychedelic Rock + Black Metal-Shrieks = ALCHEMASTER’S APPRENTICE

Wie angedeutet spielen die Herren nicht ausdrücklich Surf Rock, sondern eben Rautalanka. Dabei handelt es sich offenbar um eine bereits in den Sechzigern entstandene Spielweise des Rock mit klassischem Instrumentarium bestehend aus Lead-, Rhythmusgitarre, Bass und Schlagzeug, bei dem statt typischer Distortion eher Delays und – im vorliegenden Falle – möglicherweise auch leichte Flanger-Effekte zum Einsatz kommen. Hierbei wird vermehrt auf Melodien denn auf Energie gesetzt, wobei man sich klanglich recht nah am Psychedelic Rock entlang bewegt. Dementsprechend stehen auch harmonische Klangbauten bei den gegenständlichen Finnen im Vordergrund, während der Black Metal-artige Gesang fast schon eine untergeordnete Rolle spielt.

Das Ergebnis dessen ist vielleicht mit dem Prädikat „erfrischend“ am besten beschrieben, denn was die Finnen hier fabrizieren, klingt schon ziemlich beeindruckend und hört man so in der Form nicht alle Tage. Und man merkt auch relativ schnell, dass die Band weniger mit den Augenlidern flattert, wie das beispielsweise KÓLGA mit ihrem waschechten Surf Black Metal tun. Nein, diese Jungs klingen so, als würden sie ihre Musik jederzeit ernst nehmen und so entsteht auf „Electric Karelia“ ein durchgehend stimmungsvoller Sound, durchzogen von melancholischen Melodien, warmen Gitarren und – durch den Verzicht auf Overdrive-Effekte – einer fast antiquiert klingenden Klangästhetik.

Dabei profitieren die filigranen Melodien von der Abwesenheit jeglicher Overdrive-Effekte

Es klingt auf den ersten Hör nach Garage, aber typisch für Rautalanka ist die Gitarrenarbeit schon ziemlich filigran und feinsinnig, sodass sich ALCHEMASTER’S APPRENTICE relativ zügig vom Garage Rock absetzen. Wirklich Metal ist „Electric Karelia“ allerdings auch nicht, selbst wenn wie in „Saturnalia (Aqua Vitae, Pt. II)“ mal druckvolle Double Bass-Attacken zum Einsatz kommen. Es geht trotz schwarzmetallischer Shrieks relativ entspannt zu auf dem Album. Wenn man der Band Böses wollte, könnte man das hier vielleicht als Feierabend-Black Metal bezeichnen. Aber gespielt wird durchaus Groove-betont, sodass man beim Solo-Part gegen Ende von „Restitution“ oder bei „Cryptid“ durchaus mal beherzt im Takt mitnicken darf.

Die Stars des Sounds sind aber ohnehin die farbenfrohen Gitarren, die sich nur zu gerne elegant und harmonisch durch die Tracks schlängeln und dabei so manch evokative Melodie hervor zaubern. Besonders effektiv gestaltet sich das immer dann, wenn sich ALCHEMASTER’S APPRENTICE zu atmosphärischen Höhen aufschwingen wie in „A Nocturnal Call“, in dessen weitläufige Soundlandschaften man sich förmlich hinein fallen lassen könnte. Der warme Klang der Klampfen hilft dabei ungemein und legt damit gleichzeitig Zeugnis von der sauberen Spielweise der Musiker ab, die hier eine absolut professionell klingende Leistung abliefern.

Dadurch fühlt sich „Electric Karelia“ ausgesprochen erfrischend an

Tja, da haben die Finnen gegen Ende des Jahres doch noch mal eine kleine Überraschung aus dem Hut gezaubert. Wer hätte gedacht, das sich vergleichsweise zurückgelehnter, Jam-freudiger Rock so gut mit Black Metal-Gesang vertragen würde? ALCHEMASTER’S APPRENTICE schaffen es tatsächlich, diese nicht gerade alltägliche Mische sehr homogen klingen zu lassen. Laaskos Gesang klingt erfreulich abwechslungsreich und zerreißt zu keiner Zeit die warmen Klanglandschaften, die sich die Instrumentalfraktion so gefühlt locker aus den Schlagärmeln schüttelt. Im Rausschmeißer „Wanderlust“ ist sogar mal seine klare Singstimme zu hören, was auch nicht unpassend ist.

Hier kommt zum Ende des Jahres also noch mal ein dicker, ungewöhnlicher Geheimtipp für Atmo-Black-Fans, die zwischen den Jahren mal etwas Abenteuerlust verspüren. Unsereins kann sich die Jungs jedenfalls schon richtig gut als Rausschmeißer-Gig auf größeren Festivals vorstellen …

25.12.2024

Redakteur für Prog, Death, Grind, Industrial, Rock und albernen Blödsinn.

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