Alcest - Spiritual Instinct

Review

ALCEST haben im Laufe ihres Wirkens schon einige stilistischen Wandlungen und Entwicklungen durchgemacht. So richtig einschätzen mag man nie, wie ein neues Album des ursprünglich mal im (Post) Black Metal beheimateten Duos klingt. „Shelter“ von 2014 wirkte ätherisch ambient, während „Kodama“ 2016 äußerst eingängig und zugänglich war. Das stieß nicht überall auf offene Ohren. Nun folgt also mit „Spiritual Instinct“ das sechste Studioalbum. Wohin führt die musikalische Reise dieses Mal?

Die Suche nach der Sphäre des Übersinnlichen – „Spiritual Instinct“ von ALCEST

„Spiritual Instinct“ fängt mit „Les Jardins De Minuit“ an, und recht schnell fühlt man sich als ALCEST Anhänger wohlig vertraut. Da ist gleich der Neige-typische, sphärisch-melancholische Gesang, der schon für sich in Kombination mit den Gitarren für Stimmung sorgt. Aber das Stück ist recht progressiv gehalten, die verschiedenen Stimmlagen überlagern sich, der Song ändert Stimmung und Atmosphäre, sägende Riffs, kraftvolles Schlagzeug und Screams führen zurück zu den eigenen ruppigeren und wilderen Wurzeln im Black Metal, sehr fesselnd und einnehmend! Diese Art von Rückbesinnung setzt sich mit dem folgenden „Protection“ fort. Der Anfang ist heavy eingängig im Midtempo, ehe ein abrupter Bruch in vertrackte Rhythmen führt, hat durchaus was von TOOL. Der Klargesang wechselt mit heftigen, verschwommenen Schreien, dabei immer separiert, was die Direktheit fördert. Dazu passend das intensive Schlagzeugspiel. Im Laufe des Stück wechseln ALCEST dann wieder auf langsamere, sphärische Gitarrenklänge, weg von wilder Energie hin zu Verträumtheit. „Sapphire“ beginnt zunächst mit einsamer Gitarrenmelodie, ehe Bass und Schlagzeug hinzukommen und der Song enorm heavy wird. Gitarrenwände bringen mit dem Klargesang, hier wieder ganz besonders als stilbildender Melodiegeber, schnell Atmosphäre. Groovig, fast schon Heavy Rock mit sparsam eingesetzten Screams, kitschfrei, gut. Es folgt die Toteninsel – „L’Île Des Morts“. Zunächst leicht elektronischer Anfang, Tribal-Rhythmen, vertrackte Riffs, wieder viel TOOL. Hohe Gesangsmelodien, das zunächst drängende heavy Stück wird im Laufe sanfter und sorgt dann für eine Art Trancezustand, um anschließend wieder mit kräftigem Schlagzeug und mantraartiger Melodie Fahrt aufzunehmen. Das Stück scheint zwischen sämtlichen Schaffensphasen von ALCEST zu wandeln. „Le Miroir“ beginnt zunächst verzerrt hart und wird immer lauter, um dann auf einmal klar zu sein, dazu Folk-Anleihen in den Melodien, flächige Atmosphäre, dezentes Schlagzeug, Klargesang, wirkt etwas von DEAD CAN DANCE beeinflusst, mit melancholischen Keyboard-Harmonien und grollenden Drone-Gitarren, wirkt fast schon kathartisch. Zum Abschluss gibt es noch den über weite Strecken instrumental gehaltenen Titelsong, mit progressiven Tribal-Beats, flächig verzerrten Gitarrenmelodien und nur akzentuiert eingesetztem Gesang.

„Spiritual Instinct“ – typisch ALCEST, ohne Wiederholung

Das neue Album „Spiritual Instinct“ von ALCEST enthält alle liebgewonnen, bewährten Trademarks der Band und führt die Tradition fort, sich in Teilaspekten von allen vorherigen Alben mit dezenten Änderungen zu unterscheiden und gleichzeitig die eigene Identität beizubehalten. Eine Spur griffiger und direkter, dabei immer noch introvertiert, atmosphärisch dicht und emotional fesselnd. Der Black Metal ist wieder stärker wahrnehmbar, das Werk ist sehr facettenreich und lässt sich schwer kategorisieren. Träumerisch wandelnd, ohne sich auf einen Stil einzupendeln.

22.10.2019

Geschäftsführender Redakteur (stellv. Redaktionsleitung, News-Planung)

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