Ahab - The Coral Tombs

Review

Gut Doom will Weile haben, man kann es aber auch übertreiben. Für ihr fünftes Album „The Coral Tombs“ haben sich AHAB wahrlich zu viel Zeit gelassen, der Vorgänger „The Boats Of The Glen Carrig“ stammt immerhin von 2015. Was sich wohl inzwischen bei den Nautik Doomern getan hat?

Eine Reise mit Kapitän Nemo

AHAB entführen uns mit ihrem neuen Album „The Coral Tombs“ wieder einmal in die Weiten und Tiefen der Ozeane. Konzeptionell und inhaltlich ist das Werk inspiriert vom Romanklassiker „20.000 Meilen unter dem Meer“, der bekannten Geschichte vom tragischen Kapitän Nemo, welcher der Zivilisation entsagte, seinem Unterseeboot Nautilus und Professor Arronax, erzählt von Jules Verne. Die seit Bandgründung gelebten Bezüge auf maritime Romane sind fast schon Alleinstellungsmerkmal bei AHAB und tragen nicht unwesentlich zur gesamten Atmosphäre bei.

In die Geheimnisse der Meerestiefen – „The Coral Tombs“ von AHAB

Einem Mahlstrom gleich ziehen AHAB auch musikalisch mit extremer, bedrückender Heavyness ihres ureigenen Funeral / Death Doom Metals in die dunklen Abgründe der Tiefsee, so gewaltig, wie die Ozeane selbst, entführen aber mit weitläufigen Melodien gleichzeitig in die schiere weite Endlosigkeit der See, was zu epischen, facettenreichen Stücken führt, die entsprechend angereichert, entwickelt und erweitert mit gewachsener Bandbreite längst dem starren Subgenre-Korsett entflohen sind.

So beginnt „The Coral Tombs“ überraschend mit dem epischen „Prof Arronax‘ Descent Into The Vast Ocean“ mit einem tatsächlich recht untypischen AHAB Song, zumindest teilweise. Hier treffen nämlich Black Metal in Form von Blastbeats sowie erschütternde Gast-Screams von Chris Noir (ULTHA), was dem Sound von AHAB einen neuen Akzent gibt, auf die charakteristisch tiefen Growls von Daniel Droste und einer Flut von kantigen Riffs, melancholische Melodien, ruhigere Parts mit klagevollem Klargesang. Das fesselnde Stück zwischen unheimlichen, dunkelsten Abgründen und epischer Erhabenheit baut mit seiner alles einhüllenden Melancholie schnell eine dichte Atmosphäre auf, der Hörer taucht in die tragische Geschichte ein, Gänsehaut! „Colossus Of The Liquid Graves“ klingt, wie es der Songtitel verspricht und behandelt die Dunkelheit und Schuldgefühle in Nemos Seele. Mächtig und gleichzeitig hochmelodisch führt das dynamische Stück die Spannung des Openers fort. Fieser, qualvoller und böser tönt da das rauere, schwerere „Mobilis In Mobili“ mit wuchtigem Schlagzeugspiel, zähflüssigen, verstörenden Doom-Riffs und abgründigen Growls, abgerundet mit elegischen Gitarren und Chorgesang, hat im Mittelteil was von OPETH.

Weitere Höhepunkte auf „The Coral Tombs“ sind der epische Titelsong, pendelnd zwischen zäh, ruhig bis aufbrausend heftig, sowie das abschließende Finale „Maelstrom“ klagendem, jammernden Gesang, wunderbaren Gitarrenmelodien sowie Gastgesang von ESOTERIC-Veteran Greg Chandler. Während Nemo die Nautilus in das wirbelnde Chaos des „Maelstrom“ steuert, steigert sich auch die Musik, wird wilder, zerstörerischer bis hin zum emotionalen Ende. AHAB verstehen es auch hier wieder, tiefe Verzweiflung, nacktes Grauen und erhabene Finsternis zu zeichnen.

Das neue Album zeichnet sich auch dadurch aus, dass Daniel Droste seine klare Stimme effektiver und selbstsicherer als in der Vergangenheit einsetzt. AHAB setzen auch bei den Gitarren noch mehr auf Melodien, ohne an Intensität und kompromissloser Schwere einzubüßen. Gleichzeitig wirkt das umgesetzte Konzept so in sich schlüssig, dass „The Coral Tombs“ schon fast den Charakter eines Soundtracks hat. AHAB malen mit ihren Stücken regelrechte Bilder und nehmen den Hörer mit auf die musikalische Reise in der Nautilus.

05.01.2023

Geschäftsführender Redakteur (stellv. Redaktionsleitung, News-Planung)

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