Agrypnie - Grenzgænger/ Pavor Nocturnus

Review

Soundcheck Oktober 2018# 12 Galerie mit 10 Bildern: Agrypnie - Summer Breeze Open Air 2022

Unglaubliche fünf Jahre sind bereits vergangen, seit AGRYPNIE ihr letztes Album „Aetas Cineris“ veröffentlichten. Im Laufe der Zeit hatte sich die Truppe um Bandkopf Torsten Hirsch vom einstigen Nebenprojekt neben NOCTE OBDUCTA zu einer umtriebigen Band entwickelt, welche den deutschen Black Metal um eine weitere Facette bereicherten. Ausdruckstarker, offener und mit viel Liebe fürs Detail gespielter Avantgarde-Black-Metal. Inzwischen ist von der damaligen Band nur noch Torsten übrig, welcher nun mit neuer Mannschaft das neue Album „Grenzgænger“, bereichert um die zusätzliche CD „Pavor Nocturnus“ als Doppel-Schlag, veröffentlicht.

Überschreiten AGRYPNIE Grenzen? – „Grenzgænger“

Es ist das Hauptwerk des über zweistündigen Doppelalbums. „Grenzgænger“, von Torsten als sein bisher persönlichstes Album bezeichnet: „Die letzten Jahre waren durchzogen von den dunkelsten Momenten meines Lebens.“. Beim Anhören des Albums wird schnell klar, dass hier jemand eine ganze Menge Ballast abwerfen musste. So bleiben sich AGRYPNIE stilistisch grundsätzlich treu, urbaner (Avantgarde) Black Metal mit Elementen aus dem Post Rock und Ambient, dazu schimmert immer wieder etwas dunkler Hardcore durch, aber die flächigen Momente sind etwas zurückgeraten. Und auch in Sachen ausufernde Songlängen sind sich AGRYPNIE auf „Grenzgænger“ treu geblieben. Gleich der zehnminütige Opener „Auferstehung“ brettert bestätig drängend nach dem beklemmenden Intro, welches in Zusammenarbeit mit dem Ambient-Künstler Mathias Grassow entstand, brachial los. Hier scheint der Titel Programm zu sein, so eiskalt wütend klangen AGRYPNIE seit ihrem Debütalbum „F51.4“ nicht mehr. Der neue Schlagzeuger Moe Harringer (Ex-GRAVEWORM) zieht das Tempo bis in wild rasende Hyperblast-Regionen. Dabei schaffen es AGRYPNIE mit variablem Tempo, klugem Songaufbau und dem wütenden, verbittertem Geschrei von Torsten, über die gesamte Songlänge die Spannung aufrechtzuerhalten. Was für ein mächtiger erster Schlag! Es wird abgründiger – mit dem nächsten Stück ziehen dich AGRYPNIE „In die Tiefe“. Wie meist bei den bisherigen Werken von AGRYPNIE folgt nach einem treibenden Opener ein schleppender, getragener Song, der die ohnehin alles beherrschende Melancholie in noch dunklere Abgründe führt, auf Gitarrensoli wird hier komplett verzichtet. „Aus Zeit erhebt sich Ewigkeit“ ist dann wieder ein schwarzmetallisch rasendes, eisiges Stück mit Gastbeitrag von Eviga, womit sich augenblicklich auch eine Nähe zu DORNENREICH auftut. Das folgende, dreizehnminütige „Nychthemeron“ ist sehr abwechslungsreich gestaltet, pendelt zwischen brachialen Ausbrüchen und feinen Melodien. Der Titelsong „Grenzgænger“ beginnt zunächst thrashig und steigert sich mit hoher Geschwindigkeit, wird beständig intensiver. Es folgen noch „Die Waisen des Daidalos“ mit seinen eindringlichen Gitarren, das Akustikgitarren mit Blastbeats kombinierende „Die längste Nacht“ sowie das abschließende, leicht proggige „Zu Grabe“. AGRYPNIE brechen mit „Grenzgænger“ tatsächlich wieder Grenzen auf. Die gnadenlose Stimmung hält das vielseitige Werk zusammen, gefühlte Apathie, Wut, Ernüchterung, unerschütterlicher Kampfeswille. Emotional und tiefgründig. Musikalisch herrschen in den langen Stücken wieder oft lange instrumentale Songabschnitte, welche zusätzlich die Atmosphäre bereichern und für viel Raum für feine Details bieten. Torsten hat neben dem Gesang die Gitarren gespielt, Produzent Phil Hillen den Bass und  Moe das Schlagzeug. Weiter haben neben bereits erwähntem Eviga (DORNENREICH) noch J.J. (HARAKIRI FOR THE SKY) und M.J.B. (TODTGELICHTER) als Gäste mitgewirkt, während Marcel von NOCTE OBDUCTA einen Songtext schrieb. „Grenzgænger“ ist ein facettenreicher Klangkosmos zwischen wütender Raserei gepaart mit modernen melodischen Sequenzen und desillusionierender Hoffnungslosigkeit.

Altes neu interpretiert – „Pavor Nocturnus“

„Pavor Nocturnus“ beginnt zunächst mit überarbeiteten Versionen der drei Demosongs von der längst vergriffenen Split mit FATED, wobei der ursprüngliche raue Spirit weitestgehend beibehalten wurde. Mit „Neon“  gibt es einen neuen Song, der aber eher in Richtung Synthie Pop (!) geht mit weiblichem Gesang. Wirklich krasser stilistischer Bruch, den ich selbst bei einer grenzüberschreitenden Band wie AGRYPNIE nicht ganz nachvollziehen kann. Es folgen weitere fünf von Rüdiger Gleisberg ambient-orchestral überarbeitete alte AGRYPNIE-Stücke, wobei mir die Originalversionen besser gefallen. Unterm Strich ist „Pavor Nocturnus“ in erster Linie nur für echte AGRYPNIE Fans, insbesondere wenn die erste Split noch in der Sammlung fehlt.

Fazit

AGRYPNIE haben endgültig ihren ureigenen, hochemotionalen Klangkosmos fern jeglicher Genregrenzen gefunden und liefern mit „Grenzgænger“ ihr bisher facettenreichstes, reiftes Werk.

18.10.2018

Geschäftsführender Redakteur (stellv. Redaktionsleitung, News-Planung)

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Agrypnie auf Tour

5 Kommentare zu Agrypnie - Grenzgænger/ Pavor Nocturnus

  1. ClutchNixon sagt:

    Immer dann wenn Hirsch die konventionellen Pfade des BM verlässt entsteht, wie auf allen bisherigen Releases, wirklich Großes. Beschreitet er diese allzu lang, zu hören in „Aus Zeit wird Ewigkeit“, wird es auch gerne mal schwülstig an der Grenze zum Kitsch. Stimmige HC Parts wie in „Nychthemeron“ stehen im heutzutage einfach so gut zu Gesicht, dass ich mir wünschte er würde diese noch deutlich öfter einsetzen, denn sein wir ehrlich: Mit Black Metal hat dieses Album wirklich nur noch am Rande zu tun. Es regiert die Wall of Sound und das ist auch gut so, sind doch Agrypnie in unseren Gefilden sowas wie die Urväter dessen, was heute gemeinhin unter Post BM firmiert.

  2. nili68 sagt:

    Wenn einem mal nach Post-BM/Whatever ist, kann man das laut Youtube-Qualitätstest schon mal hören. Knallt wenigstens ohne die übliche Post-Unsitte (ellenlanges lahmes Gedudel zwischendurch)… zumindest von dem, was ich gehört habe.

  3. BlindeGardine sagt:

    Agrypnie haben irgendwie ihre ganz eigene Niesche, da ist schon eine gute Portion BM mit drin, aber auch genug andere Einflüsse, um sich irgendwie den „Post“-Stempel einzufangen. Wobei man eben sagen muss, dass sich das bei Agrypnie ganz klar nicht in ellenlangem Shoegaze-Gedudel äußert, sondern dann mal eher die Hardcore-Keule geschwungen wird. Im Vergleich zu Nocte arbeitet der Unhold bei Agrypnie ja auch ohnehin eher mit Hardcore-Shouts denn mit BM-Gekeife.
    Man kann auch hier wieder sagen: Agrypnie klingen wie Agrypnie, wer die anderen Alben mochte wird auch hier seinen „Spaß“ haben.

    8/10
  4. Schraluk sagt:

    Agrypnie also jetzt. Mit zwei Releasen auf einmal. Nach ‚Aetas Cineris‘ habe ich mit Vorfreude sehr lange auf ein neues Lebenszeichen gewartet. Jahren sind vergangen, massenhaft guter Platten kamen in der Zwischenzeit raus. Dann habe ich Agrypnie nach Ewigkeiten mal wieder live beim ‚Dark Easter Metal Meeting‘ gesehen und war schwer beeindruckt, insbsondere von den neuen Tracks. ‚Grenzgänger‘ überzeugt mich nur mittelmässig. Irgendwie hat der gute Mann seine Linie komplett verloren und schmachtet jetzt irgendwo zwischen Dark-Rock, Post-Black Metal und was weiß ich rum. Es wird ausgiebig geflüstert, beschwört und geschrien. Packt mich alles nicht so richtig. ‚Aus Zeit erhebt sich Ewigkeit‘ war live zum Beispiel ein totaler Abriss, auf Konserve hört sich das Ganze ziemlich belanglos an. Und da ist sie, die meiner Meinung nach durchgehende Schwäche von Agrypnie. Es wurde im Gegensatz zur Live-Performance nie geschafft auch nur annähernd einen adäquaten Sound im Studio hinzubekommen. Schade eigentlich. ‚Grenzgänger‘ bekommt von mir trotzdem und aufgrund der Verbundenheit zur Band 7 Punkte. ‚Pavor Nocturnus‘ verstehe ich dann eigentlich fast gar nicht mehr. Ok, wer die Split nicht kannte wird sich freuen. Drei der besten Tracks der Band im gepimpten Sound als re-Release. Der Rest? Den brauche ich zumindest auf keinen Fall. Insgesamt dann 5 Punkte.

    6/10
  5. hypnos sagt:

    eine musikalisch eigentlich ganz gelungene Platte wird leider durch Torsten uninspiriertes, eintöniges und langweiliges Gebrülle stark abgewertet. Mit einem guten Sänger wäre bei Agrypnie was richtig Großes möglich. Der gute Torsten sollte sich mal von Eviga abschauen was alles möglich ist…“Aus Zeit wird Ewigkeit“ ist für mich zb. ein klares Highlight der Scheibe

    6/10