Nach dem Ableben NOCTE OBDUCTAs gehen deren ehemalige Mitglieder nun größtenteils getrennte Wege. Erstes Lebenszeichen aus ihren Reihen stellt das erste Album von AGRYPNIE, dem Ein-Mann-Projekt von Torsten, dem Unhold, dar. Und man kann sich dem Gedanken nicht erwehren, dass diese Scheibe ein gutes Stück des Erbes von NOCTE OBDUCTA in sich trägt. Nicht nur musikalisch hat sich Torsten dabei seit letztem Jahr deutlich in Richtung seiner ehemaligen Hauptband entwickelt. In besonderem Maße tragen auch die gewohnt ausdrucksstarken Texte von NOCTE-Chef Marcel zu diesem Eindruck bei, der für die lyrische Seite von „F51.4“ verantwortlich zeichnet und dessen Handschrift nicht zu übersehen ist. Im Gegensatz zu NOCTE OBDUCTA geben sich allerdings sowohl die sehr bildhaften Texte, als auch die Musik an sich, bodenständiger, pragmatischer und weniger poetisch.
Größtenteils zeichnen sich die Songs durch handelsübliche Laufzeiten aus, Überlängen finden sich lediglich bei „Cogito Ergo Sum“ und „Kerkerseelenwanderung“. Diese Kompaktheit spiegelt sich auch auf der kompositorischen Seite wider: stilistische Experimente, wie sie z.B. auf den beiden „Nektar“-Teilen zu finden waren, gibt es auf „F51.4“ nicht zu hören. Der Atmosphäre tut das aber keinen Abbruch, denn der Unhold versteht es, seinen Songs Leben einzuhauchen, und dabei besonders die Schattenseiten hervorzukehren. Rasende Ausbrüche voller Wut wechseln sich mit Momenten der Verzweiflung und Resignation ab und malen zusammen mit den Texten und dem klinisch anmutenden Artwork ein Bild kalter Isolation und nackter Melancholie, die – wie in „Auf nackten Korridoren“ – teilweise SHININGsche Züge tragen. Auch wenn die Parallelen zu späteren NOCTE OBDUCTA unüberhörbar sind, würde man AGRYPNIE nicht gerecht werden, würde man es darauf reduzieren.
Doch wo Licht ist, ist auch Schatten: Der größte Kritikpunkt an „F51.4“ ist ein technischer, und zwar der penetrante Drum-Computer. Zwar klingt der zum Glück lange nicht mehr so künstlich wie noch auf dem Split-Demo mit FATED, trotzdem wirkt er wie ein Fremdkörper, der die Songs in ein liebloses, steriles Rhythmus-Korsett zwängt. Das ist schade, denn bei so guten Songs sollte man nicht an der falschen Stelle sparen. Ein Trommler aus Fleisch und Blut wäre hier Pflicht gewesen. Für die Zukunft steckt hier auf jeden Fall noch ungenutztes Entwicklungspotenzial.
Alles in allem ist AGRYPNIE nicht nur für NOCTE OBDUCTA-Fans, die sich nach der Bandauflösung allein gelassen fühlen, die logische Fortsetzung und erste Anlaufstelle, um die offenen Wunden zu lecken.
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