AGAINST ME! - 23 Live Sex Acts
Nadine Schmidt 
Billige Tricks für alle! Auch eine Band wie AGAINST ME! darf darauf zurückgreifen, Interessenten mit Sex zu ködern und ihr Doppelalbum „23 Live Sex Acts“ nennen. LP-Sammler dürfen sich das Material sogar gleich in drei verschiedenfarbigen (blau, weiß, gelb) LPs ins Regal packen. Die 23 Nümmerchen (haha, doppeldeutig!), aufgenommen während der 2014-er Tour, führen den Hörer einmal quer durch alle Alben der Amerikaner, und AGAINST ME! haben seit 1997 natürlich einiges angesammelt. „23 Live Sex Acts“ gibt allen, die von AGAINST ME! noch nichts oder nur Dinge gehört haben, die mit deren Musik nicht in Verbindung stehen, die Möglichkeit, sich selbst von deren Qualitäten zu überzeugen.
Mit „Fuckmylife666“ startet die fast 90-minütige Party, ohne jegliche Warmlaufphase taumeln AGAINST ME! und Fans auf einer Wellenlänge, schon bei „Pints Of Guinness Make You Strong“ schreitet der Hörer daheim automatisch im Stechschritt Richtung Anlage, um laut zu drehen und glückselig mit Gitarrist James „…I’m not coming home tonight!“ zu brüllen, während die erste Bierflasche aufploppt. Laura Jane Grace erzählt zu einigen Songs Anekdoten, bedankt sich und verzichtet aber ansonsten dankenswerterweise vollständige auf Animationen der Marke „Are you alive?“ oder „Und jetzt alle…!“. Die Luft können sich AGAINST ME! auch ganz offensichtlich sparen, denn die angenehm im Hintergrund gehaltenen Chöre und das rhythmische Motivationsgeklatsche, liefern die Anwesenden aus freien Stücken. Nachvollziehbar, die energetische Mischung aus Folk, Blues, Rock und Punk, sticht live besonders gut. Absolute Eskalation beim Hit „New Wave“ – die Band bricht den Song ab, zu hören ist eine Streitsituation, bei der wohl irgendjemand des Raumes verwiesen werden sollte und gegen dessen Entfernung AGAINST ME! lautstark und erfolgreich protestieren (If he leaves, you have to get up here and play guitar.). „New Wave“ wird dann zwar nicht zu Ende gespielt, aber dafür fühlt man sich eben mittendrin, statt nur dabei, man sieht AGAINST ME! vorm inneren Auge grinsen und glaubt ihren Schweiß zu riechen.
Die restlichen 22 Stücke werden natürlich komplett gespielt, in bestmöglicher Tonqualität festgehalten und sicherlich größtenteils sogar in der besten Version. Laura Janes zittriger Einstieg in „Black Me Out“ vom letzten Album „Transgender Dysphoria Blues“, die inbrünstigen Chöre bei „Unconditional Love“ und „Sink, Florida, Sink“, die Zeitreise zu „I Was A Teenage Anarchist“, die verruchte Stimmung bei „Turn Those Clapping Hands Into Angry Balled Fists“, die durchweg packenden Refrains, das sphärische „The Ocean“ – die Performance kommt direkt aus dem Bauch und überzeugt auf ganzer Linie. Zum Sex gehören bekanntlich auch Zwei (überrascht?), von daher ist „23 Live Sex Acts“ gar nicht so weit hergeholt. Es ist nämlich spürbar, dass AGAINST ME! nie geplant hatten, vorne ihr Ding abzieht und sich dafür beklatschen zu lassen. Es wird ganz eindeutig zusammen gefeiert, gesungen und gelitten, die starke Verbindung zwischen Band und Fans zaubert das besondere Gefühl.
Vor „Sink, Florida, Sink“ verlassen AGAINST ME! die Bühne und werden von den Fans nicht nur mit simplen Zugabe-Rufen zurück gebeten. Nein, es gibt einen einstimmigen, emotionsgeladenen Chor, dem man sich nachträglich gerne von daheim aus anschließt. Die Menge macht unmissverständlich klar, welches Lied sie hören möchten. Gänsehaut, pur! Es gibt einige Bands, die von ihrem Schaffen überzeugt sind und eigentlich ganz nette Dinge fabrizieren. Aber die Kunst, diese Begeisterung so intensiv auf andere zu übertragen, die hebt Bands wie AGAINST ME! von der Masse ab. Jeder, der sich mit Musik beschäftigt, wird sofort registrieren, dass hier passionierte Musiker auf den Brettern stehen. Die Gang AGAINST ME! tut das, was sie selbst braucht und liebt, das hört man „23 Live Sex Acts“ in jeder einzelnen Minute an. Do you remember when you were young and you wanted to set the world on fire?
Kommentare
Sag Deine Meinung!