Aeverium - Time

Review

„Female-Fronted“ – Was?!

“Female-Fronted Metal“ ist seit langem eines der herrlichsten Unwörter der Metal-Szene. Meist erwartet man hier Songs im Symphonic Metal-Gewand, deren Lyrics von einer Frau, meist mit klassisch angehauchtem Gesang dargeboten werden, wobei die Aussage “Female-Fronted“ prinzipiell keine Auskunft über den Stil der jeweiligen Band gibt. Man könnte den Begriff auch einfach weglassen. Den besten Beweis für diese These liefern AEVERIUM, die mit einer spannenden Mischung aus Gothic und Alternative Metal in eine andere Kerbe schlagen. Dabei wird in den Pressetexten angekündigt, dass die Band den “Female-Fronted Metal“ und seine Ableger entstauben wollen. Sie “entledigten ihn seiner Insignien, seines Pathos und seiner angeblichen Regeln“. Es gilt demnach zu untersuchen, ob das zweite Album “Time“ diese Versprechungen halten kann.

Spannende Stil-Experimente

Bereits der Opener “Hunted“ zeigt, dass man sich hier auf musikalischer Ebene von den Erwartungen an eine Band mit weiblicher Gesangsdarbietung entfernt. Das Intro hätte aufgrund seiner elektronischen Elemente gut und gerne von EISBRECHER sein können. Auch das Gitarrengewitter im Anschluss passt da wunderbar hinein. Nach einem spannenden Intro verliert sich der Song jedoch in stilistischen Spielereien und berührt dabei beispielsweise hin und wieder den symphonischen Bereich, um kurz darauf mit Nu Metal Elementen zu jonglieren. Schade, der Song hätte etwas mehr Struktur gebraucht.

Der Titeltrack hingegen erfüllt genau diese Ansprüche und wird damit zum ersten Albumhighlight. Der Song lebt vom Wechselspiel des Gesangs der beiden Hauptstimmen AEVERIUMs, Aeva Maurelle und Marcel Roemer. In “Time“ harmonieren sie derart gut, dass man gelegentliche Parallelen zu WITHIN TEMPTATION ruhig übersehen und den ausdrucksstarken Song genießen kann. “What About Me“ geht da in eine ähnliche Richtung und überzeugt darüber hinaus durch die eingängige Rhythmik im Refrain.

Generell experimentieren AEVERIUM viel an ihrem Gesamtsound. Das kann wie im Fall von “Resurrected“ gut gehen. Der zunächst düstere und minimalistisch gehaltene Song besticht mit tragenden und melancholischen elektronischen Sounds und entwickelt sich so zu einer wahren Perle. Auch wenn man dieses Klangexperiment ruhig bis zum Ende hätte durchziehen können, kann man hier getrost vom Höhepunkt des Albums sprechen. Ganz anders verhält es sich bei “Home“, der an einigen Stellen in Sachen Kitsch ein wenig zu dick aufträgt und das Versprechen, den Pathos wegzulassen, nicht konsequent verfolgt.

Frischer Wind im Gothic Metal

Anzusprechen wäre noch die Leistung der beiden Sänger. Sänger Marcel Roemer überzeugt in jedem Falle mit seiner rauen Stimme, die auch einer Alternative Rock Band gut zu Gesicht gestanden hätte. Dennoch versucht er sich an einigen wenigen Stellen an Growls (z.B. in “Brave New World“, einem wahrlich abwechslungsreichen Song), was hervorragend in den Gesamtsound passt. Auch Sängerin Aeva liefert den größten Teil des Albums eine solide Leistung ab, auch wenn ihre Stimme in den höheren Tonlagen, so zu hören unter anderem in “My Farewell“, angestrengt und unsicher wirkt. Dennoch wirkt das Zusammenspiel der beiden Stimmen durchgängig harmonisch.

AEVERIUM bringen mit “Time“ ein junges und frisches Album auf den Markt. Auch wenn die Band an einigen Stellen noch Defizite aufweist, so darf man gespannt sein, was man in den kommenden Jahren noch auf die Ohren bekommt. Diese Band hat Potential – und beginnt es auszuschöpfen!

01.05.2017
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