Aephanemer - Prokopton

Review

Soundcheck Oktober 2019# 8

Immer wieder erstaunlich, welche Auswüchse aus einem YouTube-Kanal entstehen können. Das gilt auch für AEPHANEMER, deren Bandkopf Martin Hamiche zunächst unter dem Namen „Nif Riffs“ eine gewisse Bekanntheit auf dem Videoportal erreichen konnte, wo er immer wieder anspruchsvolle, schnelle Riffs präsentierte. Im Jahr 2014 mündete das in der EP „Know Thyself“, die bereits unter dem Namen AEPHANEMER veröffentlicht wurde, allerdings noch komplett instrumental daher kam. Nachdem dann ein komplettes Band-Line-up gefunden war, entstand 2016 das Longplay-Debut und nun mit „Prokopton“ bereits das zweite Album. Außerdem hat man es geschafft, nachdem das Album im März bereits in Eigenregie veröffentlicht wurde, nun sogar einen Deal mit Napalm Records abzustauben. Es wird also höchste Zeit, sich den Franzosen und -innen auch einmal bei metal.de zu widmen.

AEPHANEMER – Melodic Death mit Dragonforce-Attitüde

Den Sound der Band aus Toulouse zu beschreiben ist gar nicht so einfach. Melodic Death bietet sicherlich das Fundament. Das infernalische Gebrüll (ja, das ist etwas Positives) von Marion Bascoul liegt dabei irgendwo zwischen Angela Gossow und Johan Hegg. Die Songs werden allerdings in erster Linie von Hamiches Flitzefinger-Riffs dominiert. Das Ergebnis könnte man als Bastard aus AMON AMARTH, ENSIFERUM und DRAGONFORCE bezeichnen.

Der unfassbare Drive der Songs erschlägt beim ersten Hördurchgang fast ein wenig, die Bremse betätigen AEPHANEMER offenbar äußerst ungern. Irgendwie geht aber eine Faszination von den acht Songs aus, die einen kaum still sitzen lässt. Folkige Melodien wechseln sich mit pfeilschnellen Twin-Leads ab, die Double Bass hämmert meist unerbittlich. Manchmal sogar ein wenig zu unerbittlich. Ohne Drummer Mickaël Bonnevialle zu nahe treten zu wollen – ab und zu wirkt das Nähmaschinen-Getacker doch so, als ob er stellenweise Unterstützung von einem gewissen Angelo Sasso hatte.

A propos Synthetik – da wären ja noch die Keyboards. Klar, Keyboards im Metal sind immer wieder Grund zur Diskussion. Wenn sie passend in Szene gesetzt sind, ist aber nichts verkehrt daran. Weniger schlau ist es allerdings, zu versuchen orchestrale Epik zu erzeugen, wenn die flirrenden Synths über weite Strecken eher nach Bontempi-Orgel klingen und unglücklicherweise im Mix auch noch viel zu weit vorne stehen. Warum Dan Swanö, der für das Mixing verantwortlich zeichnet, hier nicht regulierend eingegriffen hat, erschließt sich nicht wirklich.

AEPHANEMER wollen aber nichts dem Zufall überlassen. Neben dem gerade erwähnten Dan Swanö, konnte Mika Jussila aus den Finnvox Studios für das Mastering gewonnen werden. Das äußerst gelungene Cover Artwork kommt, wie schon bei den vorigen Releases, von DARK TRANQUILLITY-Gitarrist Niklas Sundin. Kein Wunder also, dass nun auch ein größeres Label auf die Band aufmerksam wurde. Das vorliegende Re-Release bei Napalm Records bietet als Bonus-Track mit „Path Of The Wolf“ übrigens eine Nummer von der instrumentalen Debüt-EP, die nun mit Gesang neu aufgenommen wurde.

Viel Potential trotz Keyboard-Kitsch – „Prokopton“

Musikalisch gelingt den Südfranzosen mit ihrem Zweitling ein durchaus eigenständiges Werk, das Elemente aus Melodic Death und Folk Metal originell mit technischem Power Metal a la DRAGONFORCE verbindet. Damit wird man wohl kaum den Underground erobern, aber Fans von Bands wie AMON AMARTH oder auch ARCH ENEMY dürften in Verzückung geraten.

Luft nach oben bleibt aber natürlich dennoch reichlich. Viele Songs sind zu technisch gedacht und fokussieren sich zu stark auf die Gitarren-Performance. Eine gewisse Tendenz, einfach nur tolle Riffs aneinanderzureihen ohne, dass daraus zwingend ein spannender Song entsteht, ist immer wieder hörbar. Durch die enorme Vielzahl melodischer Leads wirken einige Songs überladen, vielleicht hätte das ein oder andere simple Groove-Riff das Material ein wenig entschlacken können. Ebenfalls überlegen sollte sich die Band, ob es unbedingt nötig ist, alles in eher billig klingendem Keyboard-Kitsch zu ertränken, was bei der Qualität der Gitarrenarbeit einfach unverständlich ist.

Bekommt man diese Kritikpunkte allerdings in den Griff, könnte es für AEPHANEMER in den nächsten Jahren recht weit nach vorne gehen. Das Potential ist mit Sicherheit vorhanden.

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18.10.2019

"Time doesn't heal - it only makes you forget." (Ghost Brigade)

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4 Kommentare zu Aephanemer - Prokopton

  1. ClutchNixon sagt:

    Schnelle Füße hat er und so klingen getriggerte Kick Drums nun mal. Angelo ist doch schon lange in Rente und putzt Rolfs Wohnung, oder schlimmeres. Zur Mucke: Zu viel Kitsch, zu viel Keyboardkleister und das schreckliche Gebölke der Alten, Entschuldigung, ist völlig unpassend.

    4/10
    1. RTF sagt:

      Der Gesang ist wirklich nicht der beste, aber es geht noch viel schlimmer.
      Aber der Sound des Albums und die Instrumentale Darbietung sind einfach bärenstark, ich geb mir das gerne und einige Songs haben auch den weg in meine Melodeath Playlist gefunden.
      In Zukunft geht da aber sicherlich noch mehr.

      8/10
  2. Richard sagt:

    Ich habe bereits aufgehört zu zählen wie oft die Scheibe schon im Player rotiert ist in den letzten Wochen. Die Mischung, die Aephanemer mit Prokopton abliefert trifft haargenau meinen Geschmack. Die Melodien sind einfach mitreissend komponiert und die erwähnte Gesangsstimme verleiht dem ganzen einen eigenen Charme. Grossartig !

    9/10
  3. camizol sagt:

    Prokopton“ ist eine fantastische Tour de Force. Melancholische Melodic Death Metal Musikamateure werden dieses Album hassen!

    10/10