AC/DC - Power Up

Review

Wenn es jemals eine Band gegeben hat, die das geflügelte Wort „Kennste einen, kennste alle“ in Reinkultur verkörpert – ganz besonders in ihren späteren Werken – dann ist es AC/DC. Wer mit dem Gedanken spielt, sich das neue Album „Power Up“ (oder meinetwegen auch „PWR/UP“ respektive „PWRϟUP“) zuzulegen, muss sich vor allem eines fragen: Will man AC/DC? Also das, was die Band mit ihrem Sound schlechthin verkörpert? Möchte man, ungeachtet des möglicherweise etwas arg bizarren Axl Rose-Intermezzos vor einigen Jahren, schlicht das, was die großen Hits der Band versprechen? Wenn eure Antwort darauf „Ja“ lautet, dann könnt ihr an dieser Stelle aufhören zu lesen und das Ding kaufen.

Wer mehr erwartet, hat seine Rechnung ohne diese berüchtigtste aller australischen Konservenbüchsen gemacht, die ihren ikonischen Sound für die neue Vollzeitrunde einmal mehr recycelt, ohne auch nur das geringste Anzeichen von Abweichung zu zeigen. Durchhaltevermögen? Definitiv. Aber zieht es auch in die richtige Richtung? Das ist hier die spannende Frage. Denn es muss nicht immer auf Innovation ankommen, wenn man entweder die Spritzigkeit, die Hits oder beides mitbringt. Die Herren um Angus Young gehen es anno 2020 ziemlich locker an und überlassen die Spritztour lieber jüngeren Vertretern wie AIRBOURNE.

Mehr als nur Futter für Gelegenheitsrocker?

Mehr Hits also. „Power Up“ ist eines dieser Alben, die man gefahrlos jedem Gelegenheitsrocker vorspielen und dabei sogar selbst noch ein bisschen mitwippen kann. Drin ist, was drauf steht – nicht mehr, aber definitiv nicht weniger. Das bedeutet, dass die Herren sich auf Bewährtes verlassen und damit eine ziemlich gute Figur machen, auch wenn es hier im Grunde nur Aufgewärmtes gibt, was das rein Kreative angeht. Es bleibt im Hard Rock verankert, wobei trockene, bluesige Grooves im Mittelpunkt stehen. Der Rausschmeißer „Code Red“ klingt dahingehend so, als sei das Grundriff aus einer lockeren Fingerübung heraus entstanden und wird entsprechend locker aus der Hüfte abgeschossen.

Brian Johnson hält auch auf dem neuen Album, was sein Name verspricht, und liefert seinen charakteristischen, hohen Krächzgesang, dem zwar der jugendliche Elan, aber nicht der Charakter fehlt. Die Dynamik zwischen seiner Darbietung und den im Chor gesungenen Backing Vocals bleiben weiterhin ein integraler Bestandteil der Hook-Machinerie, die direkt im Opener „Realize“ erfolgreich anläuft und mit „Through The Mists Of Time“ sogar einen richtigen, eleganten Hit vom Zaun bricht. Das Dargebotene gestaltet sich als sehr gediegen und fällt nicht so schnell der wenn auch selten böse gemeinten Nervigkeit der neueren AIRBOURNE-Werke anheim.

„Power Up“ fehlt es an Elan

Aber nach ein paar Umdrehungen merkt man eben schon, dass der Elan doch ein bisschen fehlt. Vor allem was die Riffs angeht, sollte man seine Erwartungen an das Gespann Young/Young nicht zu hoch schrauben. Die oben erwähnten, wie Fingerübungen anmutenden Licks finden gelegentlich ihren Weg ins Riffing und treiben auch „Kick You When You’re Down“ voran, während es im „No Man’s Land“ so richtig schön in der Wüste staubt. Abseits dessen gibt es das Signatur-Riffing, das man dem typischen AC/DC-Sound blind zuschreiben kann und das als solches auch funktioniert, solange man sich nicht zu sehr damit beschäftigt. Und wenn man diesen Fehler doch begeht, fällt auf, dass der Aktionsspielraum dieser Riffs sehr limitiert ist.

Das rächt sich in lahmen Nummern wie „Rejection“, das wie im Autopilot festhängend enge Kreise um die immer gleichen Chords zieht. „Witch’s Spell“ klingt eingangs sogar noch einfältiger, als wäre der Song direkt aus einer Jam-Session heraus mit dem Brecheisen aufs Album geprügelt und erst während der Aufnahme so langsam in einen richtigen Track umgewandelt worden. „Demon Fire“ gefällt sich stellenweise darin, die Blues-Tonleiter einfach nur herab zu klettern. „Wild Reputation“ wird dem Ruf, dem der Tracktitel vorauseilt, nicht ganz gerecht, kann aber immerhin auf einige der beherzteren Backing Vocals zurückgreifen.

AC/DC bleiben jedoch AC/DC

Ob Fan oder nicht: Man muss sich damit abfinden, dass „Power Up“ Altherren-Rock ist, im Guten wie im Schlechten. Für das Album spricht ein Sound, den man nach wie vor unter Tausenden wiedererkennt. Für das Album spricht auch das abgebrühte Handwerk dahinter, das diesen Sound in Form gießt und selbst auf die alten, gebeutelten Tage der Australier doch noch den ein oder anderen Hit hervorbringt, vor allem „Through The Mists Of Time“. Dagegen spricht, dass das alles im Grunde schon einmal gesagt worden ist und dass die Band auch ein paar lahme Durchhänger auf die Trackliste gepackt hat, die zwar aufgrund ihrer simplen Natur nicht wirklich im Rohr krepieren, die man aber auch nicht unbedingt vermissen würde.

Das macht die abschließende Bewertung ziemlich knifflig. AC/DC klingen anno 2020 wie sie selbst, was man ihnen durchaus hoch anrechnen kann. Aber irgendwie wird man als Hörer das Gefühl nicht los, dass sich die Beteiligten dabei kaum merklich Mühe geben mussten. Aber vielleicht ist es auch diese Routine und die damit verbundene Lockerheit, die „Power Up“ letzten Endes relativ gut hörbar machen, trotz des nicht unwesentlichen Anteils an Durchschnittsmaterial. Irgendwie haben diese AC/DC-Vibes eben doch ihren Charme. Der Zahn der Zeit hat an ihnen genagt, aber die Herren tun ihr bestes, um sich das nicht anmerken zu lassen. Insofern kann man sich die Platte zusammen mit ’nem gemütlichen Bier durchaus reinschrauben.

Oder man lässt es eben…

12.11.2020

Redakteur für Prog, Death, Grind, Industrial, Rock und albernen Blödsinn.

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