A Forest Of Stars - Beware The Sword You Cannot See

Review

Mit seinem gefeierten Drittwerk „A Shadowplay For Yesterdays“ konnte der selbsternannte Gentlemen’s Club of A FOREST OF STARS vor drei Jahren einen immensen Popularitätsschub verzeichnen, wenngleich bereits der 2010er-Zweitling „Opportunistic Thieves Of Spring“ das große Potential der britischen Black-Metal-Exoten aufgezeigt hatte. Dem exzentrischen Potpourri aus psychedelisch-gemäßigtem Geteufel, Progressive Rock, folkigen Farbtupfern mittels Violine und Flöte sowie allerlei obskur anmutenden Ideen, verpackt in eine streng viktorianische Inszenierung mochte man Schirm, Charme und … äh, nein, Mut, Charme und Vielschichtigkeit nicht absprechen.

„Beware The Sword You Cannot See“ knüpft nun nahtlos da an, wo der Vorgänger aufhörte. Der eröffnende Neunminüter „Drawing Down The Rain“, ein Paradebeispiel für atmosphärische Dichte, macht gleich zu Anfang mit einem hypnotischen Hauptmotiv, fies-inbrünstigem Gekeife sowie wirksam eingesetzter, kurzer Raserei klar, dass das Septett sich seiner ganz langsam verblassenden schwarzen Wurzeln nach wie vor bewusst ist. Und ehe man es sich versieht, findet man sich schon auf einem schauerlich-faszinierenden, kindliche Neugierde weckenden Jahrmarkt irgendwo im London des späten 19. Jahrhunderts wieder: da ein ominöser Quacksalber, dort missgebildete, zur Schau gestellte Menschen, weiter hinten ein laut umherschreiender Schausteller, hier die in ihrem schummrigen Zelt nur schemenhaft erkennbare Wahrsagerin, daneben eine Laterna Magica-Vorführung, bei der nie gesehene Bilder an die Wand eines weiteren Zeltes gezaubert werden; eine entsetzlich zeternde Alte, im Halbdunkel ineinanderfließende Gesichter, Lachen und Tumult von irgendwoher, feine Herrschaften, die in der Kutsche vorbeifahren und das niedere Treiben verächtlich beäugen …

Mister Curse gibt all diesen unzähligen Eindrücken eine Stimme – ob hysterisch, beschwörend oder klagend. Katheryne, Queen Of The Ghosts, komplettiert die Palette hinsichtlich des noch fehlenden weiblichen Elements mit einigen sporadischen (und nicht immer zwingenden) Einlagen, am deutlichsten zu vernehmen im letzten Akt des sechsteiligen Bandwurmes „Pawn On The Univeral Chessboard“. Das verästelte „Hive Mindless“ findet sich nebst der relativen Black-Metal-Wüterei von „A Blaze Of Hammers“, welche wiederum im schwarz getünchten Progressive Folk Rock eines „Virtus Sola Invicta“ aufgeht. Zahllose kaum wahrnehmbare Übergänge zwischen den verschiedensten Stilen wogen innerhalb einzelner Lieder umher, Rückwärtsgewandtes verschmilzt zu Neuartigem; Gegensätzliches ergibt zusammen Sinn in diesen Mini-Dramen, die den auf „A Shadowplay For Yesterdays“ vertonten moralischen Verfall und Niedergang eines Einzelnen nun universeller zu fassen versuchen.

Verglichen mit „A Shadowplay For Yesterdays“ wirkt „Beware The Sword You Cannot See“ insgesamt leichter konsumierbar: Obwohl immer noch verspielt und abenteuerlich, sind die Kompositionen noch schmeichelnder ausgefallen, wodurch andererseits über weite Strecken kaum mehr als Rudimente der vormaligen Kantigkeit übrig bleiben. So wäre es ein Ding maximaler Subjektivität, das gelungenere der beiden Alben zu benennen – und darüber vielleicht sogar fälschlicherweise das noch urwüchsigere und schwerer zugängliche frühe Kleinod „Opportunistic Thieves Of Spring“ außen vor zu lassen.

Gleichwohl sind die Sternenwäldler mit „Beware The Sword You Cannot See“ keinen Meter von ihrem ambitionierten Pfad abgekommen – immer noch entrückt, immer noch unkonventionell und damit in einem Wust aus Hunderten von Formationen innerhalb weniger Augenblicke auszumachen. Allein das ist heutzutage inmitten des quälenden Gleichklangs und der Oberflächlichkeit des Großteils des metallenen Auswurfs eine Menge wert. Abgerundet von einem fesselnden Plattenhüllen-Kunstwerk begegnet uns hier schon sehr früh im Jahr ein erster heißer Anwärter auf die Avantgarde-Black-Metal-Krone 2015.

04.02.2015
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