Bei den 36 CRAZYFISTS zeichnete sich spätestens seit 2010 mit „Collisions And Castaways“ sowie mit dem 2015er-Werk „Time And Trauma“ ab, dass der Vierer aus Anchorage, Alaska, nicht mehr nur am Metalcore seiner Anfangstage interessiert ist, sondern zunehmend auch Rock-Elemente in den Bandsound integriert. Während jedoch auch die letzten beiden Alben noch klar im Metalcore zu verorten waren, gilt für „Lanterns“, das neue Album der Band: So einfach ist die Schubladisierung nicht mehr.
36 CRAZYFISTS: Einfache Schubladisierung war einmal
Denn die 36 CRAZYFISTS räumen den Rock-Elementen, die auch auf „C&C“ und „T&T“ immer wieder zwischen den Zeilen hervorlugten, auf „Lanterns“ richtig viel Platz ein. Das Ergebnis ist ein Album, das nur in wenigen Momenten in ganz harte Sphären vordringt (obwohl der Begriff „Metalcore“ meist durchaus noch irgendwie passt), dafür aber eingängiger und fetziger klingt, als die meisten anderen Platten der Band-Diskografie. (Das vor Eingängigkeit nur so strotzende „A Snow Capped Romance“ von 2004 darf als Ausnahme gelten.)
So mancher Fan der härteren 36 CRAZYFISTS-Gangart wird somit möglicherweise von „Lanterns“ enttäuscht sein. Natürlich, da gibt es die erste Hälfte von „Sleepsick“, da gibt es „Laying Hands“ – Songs, die so nah an den klassischen 36 CRAZYFISTS-Stoff heranreichen, wie es der Band 2017 wohl noch möglich ist. Aber dann bietet „Lanterns“ eben auch noch Songs wie den Opener „Death Eater“: Der eröffnet den Laternenreigen zwar mit einem wuchtigen, harten Uptempo-Anfang, macht aber bereits in der ersten Strophe klar: Dies ist kein Album wie „Bitterness The Star“ oder „The Tide And Its Takers“, dies ist keine der Nackenbrecher-Platten der Band.
„Lanterns“: Zwischen Metalcore und Rock
Wo „Death Eater“ noch recht gekonnt die corige und die rockige Seite der Band miteinander in Einklang bringt, geht es schließlich mit „Wars To Walk Away From“ weiter. Ja, irgendwo hat das Riffing noch mit Metalcore zu tun, aber irgendwie ist das doch schon eher ein Rock- denn ein Core-Song. Macht aber nichts: Wer so einen Refrain mit einer solchen Hookline bietet, der darf machen, was er für richtig hält. Die Hitdichte erhöhen 36 CRAZYFISTS anschließend nochmal mit „Better To Burn“. Auch hier gilt: ein lupenreiner Rocksong, wenn auch mir härterem Riffing, dafür mit unfassbar eingängigem Refrain. (Von dem sich „The Tide And Its Takers“-Fans angenehm an „Waiting On A War“ erinnert fühlen dürfen.)
Und so weiter, und so fort: Die 36 CRAZYFISTS liefern eine ganze Reihe packender Songs ab, bei denen es egal ist, in welche Schublade man sie stecken möchte – denn die Songs funktionieren einfach. Lediglich etwas nervig – und Hauptgrund für den Punktabzug – ist die Tatsache, dass die Band ihre Balladenvorliebe, der sie ja auch in der Vergangenheit schon mit einem Song pro Album gefröhnt hat, auf „Lanterns“ mit gleich drei Kompositionen auslebt. „Sea And Smoke“ mag noch als seichter Alternative Rock durchgehen, aber „Where Revenge Ends“ und das abschließende „Dark Corners“ sprechen dann doch eine eindeutige Schnulzensprache. Dabei sind auch die Balladen des Albums nicht schlecht – aber auf dieser Platte, die voll von fettem Rock ist, der gelegentlich mit Ausflügen in härtere Gangarten garniert wird, wirken die langsamen, ruhigen Stücke eher Fehl am Platz.
Weiterhin gilt: Schlechte Alben können die 36 CRAZYFISTS nicht!
Damit ist „Lanterns“ kein perfektes Album, und mit Sicherheit ist es nicht einmal das beste der 36 CRAZYFISTS-Karriere. Trotzdem haben die Alaskaner noch nie eine Platte aufgenommen, die keinen Spaß gemacht hätte – und das gilt auch unter Berücksichtigung von „Lanterns“. Die Balladen muss man mögen oder aushalten, aber der Rest des Albums ist ein fettes Stück Musik mit viel Eingängigkeit, mit vielen packenden Hooklines und Riffs zum Mitgehen, angesiedelt irgendwo dort, wo moderner Rock und Metalcore ihre Gemeinsamkeiten haben. Und damit gibt es für „Lanterns“ trotz der kleinen Schwachpunkte eine Kaufempfehlung.
Der Benotung stimme ich zu, lege aber noch einen Punkt drauf. Was aber die Bewerung hinsichtlich des Härtegrades angeht, da hatte ich einen ganz anderen, eher gegenteiligen Eindruck. Ich finde „Lanterns“ tatsächlich wieder um einiges härter und wütender als die beiden Vorgänger. Wo „T&T“ und „C&C“ teilweise eher im Post-Hardcore unterwegs waren und meiner Meinung nach nicht so richtig aus dem Quark kamen, hört man auf „Lanterns“ mal wieder richtig den Metal raus, weshalb ich mich insgesamt stark an „The Tide And It’s Takers“ erinnert fühlte. Das Songwriting ist allerdings tatsächlich eingängiger und direkter als zuletzt, weshalb hier vielleicht der Eindruck einer „rockigeren“ Ausrichtung entsteht. Aber allein die Vocals bei „Death Eater“ sind ja schon sowas von brutal…