Man korrigiere mich, falls ich mich irren sollte: Ich glaube, das hier ist das erste Country-Album, das jemals auf metal.de rezensiert wurde. Okay, so richtig klassischen Country haben 16 HORSEPOWER niemals gespielt, aber ob man die Musik nun Alternative Country, Gothic Americana oder sonstwie nennt – der Einfluss ist unverkennbar.
Doch damit nicht genug: ein Großteil der Texte ist deutlich christlich geprägt (eine christliche Band im landläufigen Sinne waren 16HP allerdings auch nie). Für metallische Ohren klingt das vielleicht alles erst mal etwas abschreckend, aber wer düstere und von Grund auf ehrliche Musik mag, liegt bei 16HP goldrichtig. Die nun – sechs Jahre nach der Auflösung der Band – erscheinende Doppelscheibe „Yours, Truly“ könnte da doch eine ideale Einstiegsmöglichkeit sein: CD1 enthält eine durch die Hörerschaft abgestimmte Best-Of-Zusammenstellung, während CD2 einen ganzen Haufen seltener B-Seiten, Demoversionen etc. vereint.
Der erste Silberling beginnt dann auch direkt mit dem quasi-Hit „Black Soul Choir“, der unmissverständlich klar macht, dass christliche Musik kein Heile-Welt-Geträller sein muss: „Every man is evil yes and every man’s a liar“, heißt es da anklagend.
Offensichtlich war es nicht die blödeste Idee, auf die ‚Weisheit der Vielen‘ zu setzen, da die Songauswahl sich auch ansonsten absolut sehen lassen kann. Unbedingt mal gehört haben muss man zum Beispiel „American Wheeze“ und „Low Estate“, die dank der prägnanten Konzertina (ein dem Akkordeon nicht ganz unähnliches Instrument) eine seltsam-düstere Atmosphäre versprühen, die man einfach bei keiner anderen Band findet.
Der für 16HP-Verhältnisse erstaunlich locker rockende „Clogger“, das tonnenschwere Slidegitarren-Monster „I Seen What I Saw“ und das eher traditionell anmutende Stück „Strawfoot“ zeigen eindrucksvoll auf, um was für eine abwechslungsreiche Band es sich bei 16HP gehandelt hat.
Trotz alledem gibt es natürlich noch eine Menge anderer Songs, die mir persönlich fehlen. Umso ärgerlicher ist es da, dass die CD mit knappen 50 Minuten nicht gerade randvoll ist. Dann stellt sich natürlich auch noch die grundsätzliche Frage, ob Best-Of-Alben denn überhaupt sinnvoll sind, aber das Fass will ich jetzt nicht aufmachen.
Kommen wir stattdessen lieber noch schnell zur Raritätensammlung auf CD Nummer zwei, die zumindest für bereits bestehende Fans wesentlich interessanter sein dürfte. Tatsächlich finden sich da ein paar echte Perlen, die sicher noch nicht jeder gehört hat.
Da wäre etwa das zu Zeiten des Debütalbums entstandene, unfassbar energiegeladene „Flowers In My Heart“ – einer meiner absoluten Lieblingssongs überhaupt. Sehr hörenswert sind unter anderem auch die früheren Versionen von „Phyllis Ruth“ und „Dead Run“, die wesentlich ungebändigter daherkommen als die entsprechenden Albumversionen – oder auch das zu Beginn kaum wiederzuerkennende CREEDENCE CLEARWATER REVIVAL-Cover „Bad Moon Rising“.
Insgesamt eine feine Sache, auch wenn z.B. die „Secret South“-Demos eher in die Kategorie ’nice to have‘ fallen und zwei der Stücke („The Partisan“ und das THE GUN CLUB-Cover „Fire Spirit“) in Europa nicht so wirklich rar sind.
Noch ein paar Worte zur Gestaltung des Digipaks: Da hätte etwas mehr Liebe zum Detail gut getan. Schaut zwar auf den ersten Blick alles nett aus, aber dann sieht man zum Beispiel ziemlich schnell, dass für jede einzelne Seite dieselbe langweilige Textur benutzt wurde. Allzu viele Fotos gibt es auch nicht und sowas wie Liner Notes sucht man sowieso vergebens. Wenn man sich noch mal vor Augen führt, dass „Yours, Truly“ durchaus die letzte Veröffentlichung dieser absolut großartigen Band sein könnte, dann ist das doch ein wenig schade.
Ein Fazit ist bei Compilations immer so eine Sache, aber ich versuch’s mal (was bleibt mir auch anderes übrig): Neulinge erhalten mit „Yours, Truly“ einen sehr anständigen Überblick über 16 HORSEPOWERs Schaffen. Wer die Band schon kennt, könnte ebenso glücklich werden, da einige der Raritäten wirklich sehr viel mehr als nur nette Dreingaben sind. Ob’s das Geld wert ist, muss letztlich aber jeder für sich selbst entscheiden. So oder so solltet ihr euch 16 HORSEPOWER aber unbedingt mal anhören!
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