Natürlich könnte ich jetzt wieder mit französischen Klischees anfangen und dann umständlich erklären, wie wenig die auf 10 RUE D’LA MADELEINE zutreffen. Natürlich könnte ich lang und breit den Exotenstatus der sechs Herren aus Nîmes ausführen – eigentlich könnte ich eine ganze Menge, tu ich aber nicht und sage stattdessen: „Surs Les Murs“ rockt gewaltig!
Vergleiche mit RAGE AGAINST THE MACHINE sind sicher zu Recht gefallen, auch wenn sie nur einen Aspekt treffen. Französisch, von wegen Sprache der Liebe. Die Wut auf Eliten und eine wenn auch als solche bezeichnete, so doch leidenschaftlich vorgetragene kommunistische Utopie, dazu fette Riffs und Rapstakkato: Das kennt man ja alles schon und sieht bereits den Mob toben. Aber da ist noch mehr, französische Klarinettenklänge und eine muntere Geige gesellen sich zu nachdenklichen Betrachtungen. Quietschfidele und extrem eingängige Melodien erinnern ein wenig an Polka, Ska oder Balkanmusik, meinetwegen auch an Chanson. So ganz genau interessiert das sowieso keinen, Hauptsache, es macht Laune.
Das erste Stück „La Classe Américaine“ haut gleich richtig fett rein und scheint im Programm von 10 RUE D’LA MADELEINE sowieso der Kracher schlechthin zu sein, wenn man sich einmal diverse Konzertmitschnitte ansieht. Diese unbändige Energie kann im Folgenden leider nicht ganz gehalten werden. Umso mehr gibt sich die verrückte Truppe Mühe, vom argen RAGE-AGAINST-THE-MACHINE-Einfluss wegzukommen, wird ein wenig ruhiger und gibt Klarinette und Geige mehr Freiraum: Der Bass treibt trotzdem noch vorwärts.
Musik, die (soviel Klischee erfüllen 10 RUE D’LA MADELEINE dann doch) an Frühstück im Café – es ergeht im Beiheft übrigens ausdrücklicher Dank an die Cafés der gesamten Welt – und ausgedehnte Spaziergänge in der Altstadt erinnert, bevor abends dann ein wenig Revolte gemacht wird. Zumindest wollen sie das den Hörer glauben machen und natürlich ist das alles gut verträglich aufbereitet, wo kämen wir sonst auch hin. Stilecht selbstverständlich vollkommen stillos im „Erfolgloser Schriftsteller meets Bankräuber“-Look abgelichtet – so macht man Musik, die die umsturzbegeisterte Menge mitreißt. Unbedingt reinhören!