Wiegedood
De Doden Hebben Het Goed III - Tour 2018 in Darmstadt
Konzertbericht
Die Church of Ra ruft
Als meine Begleiter und ich gegen 19:30 Uhr am alten Herrenhaus, der Oetinger Villa in Darmstadt, eintreffen, stellen wir voller Vergnügen fest, dass sich schon eine kleine Menschentraube vor dem Gebäude gebildet hat. Dies ist seit einiger Zeit keine Seltenheit mehr, wenn Mitglieder der belgischen Church of Ra in der Nähe auftreten. So sind alle drei Mitglieder auch gemeinsam live mit den aktuell pausierenden OATHBREAKER zugange und Levy Seynaeve spielt außerdem bei den großartigen AMENRA.
Heute vereinen sich die drei Jungs allerdings unter dem Banner des Black Metal in Form von WIEGEDOOD und präsentieren das erst jüngst veröffentlichte Finale der „De Doden Hebben Het Goed“-Trilogie. WIEGEDOOD steht für melodischen, jedoch kompromisslosen Black Metal, der sich am ehesten mit den guten GORGOROTH-Zeiten vergleichen lässt, sich dabei aber auch nicht scheut, ruhige Töne anzuschlagen, sich allgemein progressiver gibt und dabei ganz ohne Pathos auskommt.
Tatort Oetinger Villa
In der Vergangenheit hat das Trio schon mehrfach in optisch extravaganten Venues wie alten Kirchen und Villen gespielt. So passt der Tourstop in Darmstadt sehr gut ins Bild, versprüht das 1898 erbaute Herrenhaus doch einen ähnlichen Charme. Wenige Stunden zuvor musste die eigentliche Openingband HESTER noch aufgrund einer kurzfristigen Erkrankung eines Bandmitgliedes absagen, weshalb die lokale Band FALLEN TYRANT sich spontan bereit erklärte, einzuspringen. Als die drei Jungs mit den ersten Klängen den Abend eröffnen, bewegen sich die Menschen auch allmählich vom Vorhof in den schon gut erhitzten Konzertraum innerhalb des Gebäudes.
FALLEN TYRANT
Dass es Opener nicht einfach haben, ist ja ein bekanntes Problem. Das Ganze wird noch verstärkt, wenn sowieso am Abend nur zwei Bands spielen und, um ehrlich zu sein, jeder im Publikum für WIEGEDOOD da ist. So kann das in Corpsepaint und Kostüme gekleidete Trio nur spärlichen Applaus ernten und wirkt auch etwas unentspannt auf der Bühne. Dies ist vermutlich der Spontaneität des Auftritts geschuldet und ich möchte hier die Jungs auf keinen Fall in der Luft zerreißen. Wie gesagt, man hat es in ihrer Situation nicht leicht.
Musikalisch liefern sie klassischen Midtempo-Black-Metal ab, der gelegentlich von chaotischen Passagen unterbrochen wird, die mich persönlich sehr an frühe MAYHEM der Marke „Deathcrush“ erinnern. Dies mag für manch einen als Kompliment durchgehen, jedoch ist es nicht wirklich mein Ding. In den Passagen, in denen FALLEN TYRANT schneller werden, gefallen mir die Jungs dafür aber umso besser und auch das Publikum würdigt dies mit ein paar Headbangern. Allgemein ein solider Auftritt von den Darmstädtern, der ganz zum Leidwesen der Zuschauer den Konzertraum wortwörtlich aufheizt.
WIEGEDOOD
Nach einer Umbauphase, die das Publikum nutzt, um frische Luft zu schnappen und den bereits im holzvertäfelten Foyer aufgebauten Merchstand zu begutachten, ist dann WIEGEDOOD angesagt. Dass das Konzept der Band ohne viele Worte auskommt, zeigt sich direkt zu Beginn, denn es gibt keine Begrüßung, keine Einleitung, es geht einfach direkt los. Und wie es losgeht! Die Jungs zeigen, was es bedeutet quasi seit Beginn des Jahres ununterbrochen auf Tour zu sein, denn die von ihnen an den Tag gelegte Tightness sucht ihresgleichen.
Gespielt werden Songs des aktuellen Albums, das ich persönlich als das flotteste und am wenigsten mit Interludes versehene Album der Trilogie empfinde. Bewundernswert finde ich, dass sich die Musiker selbst an einem der letzten Tourtage noch derart ins Zeug legen und das Programm derart konsequent durchgezogen wird. Wie oben bereits erwähnt, gestaltet sich die Performance selbst eher nüchtern und WIEGEDOOD-typisch: Außer gelegentlichem Haareschütteln von Gitarrist Gilles tut sich auf der Bühne nicht viel.
Dies liegt vor allem an der schieren Geschwindigkeit der Musik, die laut Drummer Wim Coppers nahe an dem liegt, was für die drei Belgier physisch machbar ist. Trotzdem wird musikalisch alles gegeben und vor allem Levy setzt viele seiner auf dem Album vertretenen Gesangsvariationen auch live perfekt um. Für mich persönlich stellt vor allem der bereits auf dem aktuellen UADA- Album gehörten Kehlengesang, ähnlich eines Druiden, ein echtes Highlight dar.
Ein kleiner Wermutstropfen während des Konzerts (neben der mittlerweile fast unerträglichen Hitze), ist die Tatsache, dass sich manche Menschen trotz einer derartig intensiven Darbietung nicht zusammenreißen können und munter durch das ganze Konzert laut am Quatschen sind. An und für sich kein Problem, allerdings nicht in der ersten Reihe und auch nicht so laut, dass man ein spöttisches Nachäffen von Levy nicht beachtet und rücksichtslos auch durch die eher ruhigeren Passagen hindurch labert. Der Gesamterfahrung tut jedoch auch dies keinen Abbruch und die drei Jungs verlassen sichtlich abgekämpft nach mehr als einer Stunde die Bühne.
In meinen Ohren sollten die grandiosen Riffs noch mehrere Stunden nachhallen. Überraschend ist für mich allerdings noch Zusammensetzung des Publikums am heutigen Abend. Waren bei meinen vergangenen Konzertbesuchen bei WIEGEDOOD noch größtenteils optische „metalferne“ Menschen anwesend, finde ich mich heute inmitten von klassischen Metallern wieder. Ein weiteres Anzeichen für die Kompromisslosigkeit des aktuellen Albums.
Kapitel abgeschlossen?
Während meine Begleiter munter den Merchstand leerkaufen, komme ich mit anderen Besuchern ins Gespräch und wir rätseln, ob das dritte Album der Trilogie nun auch das Ende von WIEGEDOOD bedeutet. Wünschenswert wäre dies natürlich nicht, würde man den Act doch schmerzlich in der aktuell wieder florierenden Black-Metal-Landschaft vermissen. Bezieht man jedoch die an den Tag gelegte Konsequenz der drei Bandmitglieder und der Church of Ra im Allgemeinen mit in die Rechnung ein, könnte dies tatsächlich das Ende des Kapitels WIEGEDOOD darstellen.
Wurde die Band doch unter einer ganz klaren Prämisse gegründet und die Künstler geben sich sonst eher wenig gesprächig über den tatsächlichen lyrischen Inhalt der einzelnen Songs. Ein weiteres Anzeichen dafür, dass man keine Musik macht, um besonders viele Leute anzusprechen und so lange zu spielen, bis auch der letzte Black-Metal-Manfred einen live gesehen hat. Die Zukunft bleibt abzuwarten.
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