Wave Gotik Treffen
Der große Festivalbericht vom 24. WGT 2015 in Leipzig

Montag

Als Nicht-Zelter kann es schon mal passieren, dass man ein WGT erlebt, ohne auch nur einmal auf dem Agra-Gelände als Epizentrum des Festivals gewesen zu sein. Da sich an Bands das für uns wichtige an anderen Veranstaltungsorten abspielte, traten wir erst am Montagnachmittag für ein paar Stunden den Weg nach Markkleeberg an. Dort hatten sich die Reihen schon etwas gelichtet, da einige Besucher schon die Abreise antraten. Entsprechend entspannt ging es auf der Flaniermeile und an den Fressständen zu.

Galerie mit 12 Bildern: Impressionen vom Agra-Gelände - Wave Gotik Treffen 2015

Die Shopping-Halle im Agra-Gebäude hatte in den letzten Jahren immer mal wieder mit Eintönigkeit zu kämpfen, weil dort ständig die gleiche Grufti-Standardware angeboten wurde. In diesem Jahr gab es einige Lichtblicke zu verzeichnen, beispielsweise die Maskenschmiede Nebula.

Aus seiner Faszination für Steampunk heraus hat sich der Künstler TIMM WÜSTEHUBE auf handgefertigte Masken spezialisiert, die in der Shopping-Halle ein echter Blickfang waren. Aus Pappe, Acrylfarben und allerlei Kleinbauteilen hat er bereits etliche Unikate erschaffen, mit denen er nicht nur Vertreter der Steampunk-Szene an seinem Stand in beeindrucktes Staunen versetzte.

Galerie mit 9 Bildern: Einkaufen auf dem Agra-Gelände - Wave Gotik Treffen 2015

OTTO DIX

In ihrem Heimatland ist die russische Dark-Wave-Band OTTO DIX, benannt nach dem berühmten Maler und Grafiker, schon eine ziemlich große Nummer. Der Grund dafür ist Frontmann und Countertenor Michael Draw, der durch spezielle Techniken eine Sopran-Tonlage erreicht, bei der selbst einigen Opernsängerinnen vor Neid das Gesicht einschlafen dürfte. Diese außergewöhnliche Stimme wird begleitet von elektrolastigem, flottem Dark-Wave mit bisweilen virtuos gespielter E-Violine. Das klingt in echt genauso abgefahren, wie es sich hier liest – aber definitiv abgefahren im positiven Sinne. Das fanden auch die am späten Nachmittag bereits zahlreich vertretenen Besucher, die tanzend mit dem einzigartigen Sound der Russen verschmolzen.

Galerie mit 12 Bildern: Otto Dix - Wave Gotik Treffen 2015

DIE KAMMER

Vor neun Jahren gingen die in Szenekreisen bereits sehr erfolgreichen ASP mit der Kammermusik-Band CHAMBER auf die „Once In A Lifetime“-Tour, um mit gemeinsamen Konzerten den Fans etwas ganz Besonderes zu bieten. Offensichtlich eine schicksalhafte Begegnung, denn fünf Jahre später stieg Matthias Ambré, seines Zeichens Gitarrist und damals einer der Hauptsongschreiber, bei ASP aus. CHAMBER-Sänger Marcus Testory wiederum legte seine Band auf Eis und die beiden gründeten DIE KAMMER, um ihre gemeinsame Vision musikalisch umzusetzen. Die lässt sich grob zusammengefasst als das Beste aus beiden Bands charakterisieren: Die spannenden Kompositionen alter ASP-Songs mit der melancholischen Stimme (und Stimmung), die CHAMBER so hörenswert machte.

Galerie mit 10 Bildern: Die Kammer - Wave Gotik Treffen 2015

Erstmals in Erscheinung trat DIE KAMMER beim WGT 2012, wo sie noch vor Release des ersten Albums in der Krypta des Völkerschlachtdenkmals demonstrierten, dass von ihnen Großes zu erwarten sein wird. Inzwischen rennen die Leute ihnen die Bude ein, zumindest beim diesjährigen Auftritt im Schauspielhaus. Wer hier später als eine halbe Stunde vor Konzertbeginn aufschlug, musste mit langem Gesicht den Rückzug antreten. Im proppevollen Saal herrschte von Beginn an eine spürbar enge Bindung zwischen Band und Publikum, die den Auftritt trotz seiner Größe und für Kammermusik sehr rockigen Songs zu etwas sehr Intimen werden ließ. Die Vielschichtigkeit der Stücke kommt live noch besser zur Geltung als auf CD, vor allem die Streicher und Tuba entfalten in einem solchen Rahmen erst ihre volle Wirkung. Am Ende gab es verdiente Standing Ovations und das Versprechen seitens der Band, dass die Release-Party für das neue Album in Leipzig stattfinden wird.

ELUVEITIE

Zum WGT-Abschluss verschlug es uns noch ein letztes Mal in den Kohlrabizirkus, um den Schweizern ELUVEITIE zu lauschen. Mit ihren eingängigen Mitgrölern zwischen Melodic Death und hin und wieder poppig angehauchtem Folk Metal schafften sie es mühelos, auch am vierten Festivaltag noch mal Schwung in die Bude zu bringen. Vor allem, als nach einer guten dreiviertel Stunde der seichtere Teil der Setlist abgearbeitet war und es wieder etwas härter zur Sache ging, hatten sie das Publikum im Griff – Wall of Death inklusive. Für ein Schmunzeln sorgte die schweizerdeutsche Version von „The Call Of The Mountains“ vom neuen Album „Origins“.

Galerie mit 46 Bildern: Eluveitie - Wave Gotik Treffen 2015

Fazit

Und zack – waren die vier Tage auch schon wieder viel zu schnell vorbei. Das WGT hat 2015 einmal mehr seine Einzigartigkeit in der deutschen Festivallandschaft unter Beweis gestellt. Denn nirgendwo sonst bekommt man neben einer solchen Bandbreite an Bands auch noch etliche abwechslungsreiche Locations, ein prall gefülltes Rahmenprogramm und die Atmosphäre einer erlebnisreichen Städtereise. Neben der Organisation ließ in diesem Jahr auch der Sound kaum Wünsche offen, was bei 20-minütigen Soundchecks zwischen den Bands wahrlich keine Selbstverständlichkeit ist. Mit diesem Fazit im Rücken können die Organisatoren nun selbstbewusst die Planungen für das Jubiläums-WGT in Angriff nehmen. Aber auf diesem hohen Niveau muss man sagen, dass vermutlich nur noch minimale Steigerungen möglich sind.

Text: Felix Wisotzki
Fotos: Katja Wisotzki