Wave Gotik Treffen
Der große Festivalbericht vom 23. WGT 2014 in Leipzig
Konzertbericht
Sonntag
Unser traditionelles Gabelfrühstück im edlen Ring-Café am Pfingstsonntag musste in diesem Jahr leider ausfallen. Nach Auskunft der Betreiber wollten die WGT-Veranstalter den fürstlichen Brunch nicht ins offizielle Programm aufnehmen – aus welchen Gründen auch immer. Schade, denn hier gab es immer leckeres Essen in stilvollem Ambiente und auf der riesigen Terrasse die Möglichkeit, das schwarze Treiben am Augustusplatz zu beobachten. Zwar wurden wir beim ausgiebigen Brunch im Mio am Rand des Stadtzentrums ebenfalls vorzüglich versorgt, aber richtige Festivalstimmung kam dort leider nicht auf. Überhaupt gab es in diesem Jahr offenbar einige Meinungsverschiedenheiten hinter den Kulissen, denn auch das Werk II als eines der am längsten etablierten WGT-Spielorte fehlte und wurde durch das Täubchenthal als neue Location ersetzt. Aussagen einiger Besucher zufolge handelte es sich dabei aber um alles andere als eine schlechte Wahl.
In der Schwarzen Szene genießen neben Musikern auch einige bildende Künstler Kultstatus. Kaum einer von ihnen übt eine solche Faszination auf Gruftis aus wie der Schweizer HR Giger. Eine Ausstellung seiner Werke startete am 12. März in der Galerie Sansvoix modern art und war für WGT-Besucher kostenlos zugänglich. Ursprünglich hatte Giger geplant, während des Festivals selbst vor Ort zu sein, doch leider verstarb er am 12. Mai im Alter von 74 Jahren. Die Ausstellung zeigte dutzende seiner vereinnahmenden Zeichnungen und Gemälde, deren roter Faden die Verschmelzung technischer Kälte und morbide-verstörender Sexualität bildet. Angesichts der ebenfalls präsentierten Alien-Skulpturen zur gleichnamigen Filmreihe, mit denen ihm 1978 der große Durchbruch gelang, traten die Bilder fast in den Hintergrund. Am imposantesten wirkte jedoch die Möbelgruppe aus Esstisch und Stühlen, die Giger 1976 für den Film „Dune“ auf dem Papier entwarf. Er hätte seinerzeit den gesamten Todesplaneten des Science-Fiction-Streifens gestalten sollen, doch die viel zu ambitionierte Budgetplanung wurde massiv zusammengekürzt und Gigers kreative Beteiligung komplett gestrichen. Mit Hilfe der Einnahmen aus den Alien-Filmen konnte er Anfang der 1980er Jahre seinen Möbel-(Alb)Traum dennoch verwirklichen. Im Rahmen der Leipziger Ausstellung war die Gruppe erstmals vollständig in Deutschland zu sehen und den Besuchern war anzumerken, dass sie die Harkonnen-Einrichtung am liebsten direkt eingesackt und in die eigene Bude verfrachtet hätten.
Galerie mit 4 Bildern: H.R. Giger - Wave Gotik Treffen 2014
THE CRÜXSHADOWS
In der AGRA-Halle feierten THE CRÜXSHADOWS ihre Rückkehr nach sieben Jahren WGT-Pause. An ihrer Dynamik haben sie in dieser langen Zeit glücklicherweise rein gar nichts eingebüßt. Sänger ROGUE bahnte sich vom hinteren Teil der Halle durch das Publikum seinen Weg zur Bühne und startete umgehend seine beliebten Klettereinlagen an allem, was sich irgendwie zum hochkraxeln eignete. Entsprechend besorgt hatten die Security-Leute den Frontmann das ganze Set über im Blick und verpassten dadurch leider die Choreografien der beiden Tänzerinnen, die bei einem Crüxshadows-Auftritt natürlich nicht fehlen dürfen. Die Songauswahl konzentrierte sich etwas zu stark auf das aktuelle Album „As the dark against my halo“, doch für Klassiker wie „Marilyn, my bitterness“ und „Monsters“ blieb trotzdem genug Zeit.
Galerie mit 15 Bildern: The Crüxshadows - Wave Gotik Treffen 2014
SATYRICON
Das Schöne an der musikalischen Vielfalt des WGT ist, dass man nach einer Runde Tanzen mit den Crüxshadows zur Parkbühne fahren kann, um sich dort von SATYRICON das volle Black-Metal-Brett um die Ohren knallen zu lassen. Die Norweger zelebrierten ihr WGT-Debüt bei abendlichem Sonnenschein, was der Atmosphäre aber kaum schadete. Denn die grimmigen Riffs und das rotzige Organ von Schreihals Satyr legten sich wie ein dunkler, kalter Schleier über die taghelle und fast randvolle Parkbühne. Die Szene-Urgesteine hatten sich offensichtlich einiges vorgenommen – vom Opener „Now, Diabolical“ bis zum abschließenden „K.I.N.G.“ rotierten ihre Matten, als wollten sie die hitzegeplagten Fans mit ständigen kühlen Brisen bei Laune halten. Erwartungsgemäß beschränkte sich die Setlist auf die letzten drei Alben mit dem gefeierten „Mother North“ als einziger Ausnahme. Ein erfrischender und energiegeladener Auftritt!
Galerie mit 46 Bildern: Satyricon - Wave Gotik Treffen 2014
Als deutlich weniger erfrischend muss man allerdings die Getränkepreise auf der Parkbühne bezeichnen. Während die meisten anderen WGT-Locations für ein Bier drei Euro und für ein Wasser 2,50 € nehmen, darf man hier vier Euro für einen 0,4-Liter-Becher Discounter-Wasser auf den Tisch legen. Da schlackern einem selbst als Stuttgarter die Ohren. Dank der seit Menschengedenken untragbaren Toiletten-Regelung, bei der man den prolligen und mit einem versifften Lappen ausgestatteten Rudolf-Mooshammer-Imitator auch noch für das Loswerden der überteuerten Getränke bezahlen darf, verkneift man sich hier selbst bei über 30 Grad jede nicht lebensnotwendige Flüssigkeitszufuhr. Gern hätten wir uns vor SATYRICON noch ROTTING CHRIST und PSYGNOSIS angeschaut, aber die Parkbühne ist und bleibt trotz des hervorragenden Sounds eine abschreckende Location.
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