Wave Gotik Treffen
Der große Festivalbericht vom 22. WGT 2013 in Leipzig
Konzertbericht
Montag
Das Alte Landratsamt in der Leipziger Innenstadt war dieses Jahr erstmals als Konzert-Location dabei. Kurioses Detail: es gab eine Garderobe, bei der ein Schild mit der Aufschrift „keine Garderobe“ stand, das wiederum von einem Security-Männchen bewacht wurde. Das nennt man wohl Arbeitsplatzbeschaffungsmaßnahme. Eröffnet wurde der letzte Abend von den Münsteranern BURN, die eine nostalgische Mischung aus Wave und Rock im Gepäck hatten. Bereits das 2011er Debüt „The Truth“ ließ aufhorchen, vor allem wegen Sänger Felix Friberg, der irgendwie mit Robert Smith von THE CURE verwandt sein muss. Live machten BURN fast einen schüchternen Eindruck, wodurch sie jedoch umso authentischer wirkten. Ihre schwermütigen Hymnen wie „Burn For You“ und „Ghost“ ließen offensichtlich niemanden kalt: nach dem WGT verkündete die Band stolz auf Facebook, dass am Merchandise-Stand alle CDs neue Besitzer fanden.
Galerie mit 12 Bildern: Burn - Wave Gotik Treffen 2013Zugunsten von BURN hatten wir am Metal-Tag Nummer zwei im Kohlrabizirkus auf NEGURA BUNGET verzichtet, waren aber pünktlich vor Ort, um dem Premierenkonzert von AETHERNAEUM beizuwohnen. Dabei handelt es sich um das neueste Projekt von Workaholic Alexander Paul Blake alias Sascha Blach, der bei EDEN WEINT IM GRAB, TRANSIT POETRY und DESPAIRATION bereits das Zepter schwingt und darüber hinaus als Chefredakteur beim Zillo die Szene von der anderen Seite betrachtet. Was viele Menschen in den Burn-Out stürzen würde, scheint Blake geradezu anzutreiben, denn auch AETHERNAEUM bewegen sich auf hohem Niveau. Der Black-Metal-lastige Sound orientiert sich auf den ersten Blick stark an EDEN WEINT IM GRAB, insgesamt wirken die Songs aber deutlich epischer und komplexer. Die Wechsel zwischen mystisch-verhaltenen und rasenden Parts schufen auch live eine packende Atmosphäre.
Galerie mit 22 Bildern: Aethernaeum - Wave Gotik Treffen 2013Direkt im Anschluss sorgten WOLFCHANT für deftig-kurzweilige Unterhaltung. Auf der heimischen Anlage nutzen sich Songs der Bayern mitunter recht schnell ab, doch ein Konzert lohnt sich allein schon wegen der Frontmänner Lokhi und Nortwin. Die beiden jagten über die Bühne, als gäbe es Kilometergeld, und stachelten sich gegenseitig immer wieder zu Höchstleistungen an. Der melodische Pagan Metal hatte live genau die richtige Portion Pfeffer, um den mittlerweile müden Gliedern noch einmal Leben einzuhauchen. Sollte God-of-War-Held Kratos mal nordische Unterstützung benötigen, wäre er bei WOLFCHANT genau an der richtigen Adresse.
Galerie mit 40 Bildern: Wolfchant - Wave Gotik Treffen 2013Ein kurzes Intermezzo gab es auf der Bierbank in Form eines ranzigen Old-Schoolers, der MP3 wahrscheinlich für Technoscheiße hält. Offenbar hatte er mitbekommen, wie wir über die bisher gesehenen Bands sprachen, und musste einschreiten: „Hast du überhaupt Ahnung von Metal? Ich habe mit meiner Band in den 70ern den Punk-Metal erfunden! IRON MAIDEN und LEMMY, das war noch Metal!“ Gut, dass mir das mal jemand klargemacht hat.
Was der Experte von KORPIKLAANI hielt, konnte ich leider nicht in Erfahrung bringen. Deshalb nur mein unqualifiziertes Urteil: schweinegeil! Dank des guten Sounds, was im Kohlrabizirkus keine Selbstverständlichkeit ist, kamen auch Akkordeon, Geige & Co. voll zur Geltung. Obwohl die Finnen halbwegs nüchtern zu sein schienen, hatten alle Bandmitglieder ein wodka- und tequilaseliges Grinsen im Gesicht. Das übertrug sich auch auf das schunkelnde und tanzende Publikum, das sichtlich seinen Spaß mit den gut aufgelegten Waldschraten hatte.
Galerie mit 29 Bildern: Korpiklaani - Wave Gotik Treffen 2013Lange stand auf der Kippe, ob wir das WGT mit ENSIFERUM oder den parallel in der Kuppelhalle auftretenden ULVER ausklingen lassen würden. Den Zuschlag bekamen letztere, da man ULVER mit Orchester nicht alle Tage zu sehen bekommt. Im Nachhinein stellte sich das leider als die falsche Entscheidung heraus. Die Norweger starteten mit einer satten Stunde Verspätung vor einem Publikum, das zur Hälfte aus Leuten bestand, die nicht wussten was sie erwarten würde. Die verhaltenen Ambient-Klänge interpretierten viele offenbar als Intro und unterhielten sich lautstark, während die Bedienungen im Barbereich Getränkekisten hin- und herwuchteten, so dass die leisen Streicherpassagen unter Flaschengeklapper zusammenbrachen. Atmosphäre konnte so freilich nicht aufkommen, weshalb wir nach einer guten halben Stunde enttäuscht den Heimweg antraten.
Fazit
Trotz des ruinierten Abschlusses war das 22. Wave-Gotik-Treffen musikalisch wie organisatorisch eines der besten der vergangenen Jahre. Endlich gab es mal (fast) durchgehend guten Sound in allen besuchten Spielstätten. Dank der guten Line-Up-Planung kam es selbst bei Headlinern zu keinen langen Wartezeiten am Einlass, wo die Security freundlich und professionell ihren Job erledigte.
Zu einem Problemfall scheint sich lediglich das Heidnische Dorf zu entwickeln. Ehemals als kleiner Mittelaltermarkt mit entsprechenden Spielmannsleuten auf der Bühne gestartet, treten dort inzwischen auch vermehrt große Acts wie LETZTE INSTANZ und FAUN auf. In Verbindung mit der Tatsache, dass auch Nicht-WGTler Eintrittskarten erwerben können, hat sich das Ganze zu einer hoffnungslos überfüllten Massenveranstaltung entwickelt, bei der vom ursprünglichen Flair nicht mehr viel zu sehen ist. Da für das Heidnische Dorf allerdings ein separater Veranstalter verantwortlich ist, hat die WGT-Orga hier kaum eine Möglichkeit, Abhilfe zu schaffen.
Zwei Wünsche für das nächste Jahr: Wieder mehr Konzerte statt Lesungen im Centraltheater und mehr Toiletten auf dem Bühnengelände der AGRA-Halle. Zwei kleine Häuschen mit jeweils vier WCs sind für die größte Spielstätte ein absoluter Witz.
Bericht: Felix Wisotzki
Fotos: Katja Wisotzki
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