Wave Gotik Treffen
Der große Festivalbericht vom 22. WGT 2013 in Leipzig
Konzertbericht
Samstag
Der Metal-Tag Nummer eins im Kohlrabizirkus fuhr mit Bands wie ALTAR OF PLAGUES und PARADISE LOST starke Geschütze auf, weshalb es auch keine ernsthaften Gegenargumente dazu gab, den gesamten Tag dort zu verbringen. Den Anfang machten NAUGHTY WHISPER mit poppig angehauchtem und leicht verdaulichem Gothic Metal – was überraschenderweise keineswegs negativ zu verstehen ist. Die Italiener rissen das leider noch nicht gerade zahlreich anwesende Publikum mit Tempo, schwedisch angehauchten Melodien und einprägsamen Refrains mit. Für Wiedererkennungswert sorgte außerdem das kräftige Organ von Sänger Andy Star, das fast schon auf Power-Metal-Gefilde zusteuerte. Dadurch wurde sogar der 80er-Nervensäger „(I just) Died In Your Arms“ (CUTTING CREW) regelrecht gut. Vor allem aber war den vier Youngstern anzumerken, dass sie sich wie kleine Kinder auf diesen Auftritt gefreut hatten.
Galerie mit 29 Bildern: Naughty Whisper - Wave Gotik Treffen 2013Leider einen etwas schwereren Stand hatten ALTAR OF PLAGUES. Die finstere Atmosphäre der mächtigen Songwalzen wurde ein ums andere Mal von Übersteuerungen versaut, so dass auch der Großteil des Publikums nicht mit den Iren warm zu werden schien. Die Spannungsbögen, die ALTAR OF PLAGUES in ihren Songs aufzubauen verstehen, verflüchtigten sich dadurch leider unter der Kuppel des Kohlrabizirkus. Schade, dass ausgerechnet bei einer Band mit komplexen Arrangements der einzige Sound-Totalausfall des Tages zu verzeichnen war.
Wieder etwas mehr Leben in die Bude brachten THE VISION BLEAK. Die Horror-Metaller boten einen soliden Auftritt quer durch den Gemüsegarten ihres Schaffens, selbstverständlich inklusive Vorzeige-Nachtschattengewächsen wie „Carpathia“ und „Kutulu!“. Vor allem letzteres wurde von den Fans lautstark gefeiert und mitgegrölt. Mir wäre eine Wiederholung des EMPYRIUM-Konzerts vom WGT 2011 trotzdem lieber gewesen – mit Markus Stocks „neuer“ Band werde ich nach wie vor nicht richtig warm.
Galerie mit 29 Bildern: The Vision Bleak - Wave Gotik Treffen 2013DORDEDUH durften anschließend als Anheizer für PARADISE LOST ran. Eine rückblickend nicht gerade ideale Rolle für die Rumänen, denn die verhaltenen Reaktionen im Publikum zeigten, dass ein Großteil hier nur auf den Main Act wartete. Besonders in den ruhigen Folk-Passagen war die Ungeduld spürbar, obwohl gerade hier die Stärken der ehemaligen NEGURA BUNGET-Musiker liegen. Insgesamt machten DORDEDUH ihre Sache gut – leider für das falsche Publikum.
Galerie mit 6 Bildern: Dordeduh - Wave Gotik Treffen 2013Angesichts des großartigen aktuellen Albums „Tragic Idol“ hatte ich mir auf den PARADISE LOST-Auftritt förmlich den Arsch abgefreut. Vollkommen zu Recht, wie sich herausstellte. Abgesehen von wenigen softeren Stücken wie „Erased“ und „Soul Courageous“ lieferten die Briten das volle Brett – angefangen beim Opener „Widow“ vom 93er-Album „Icon“ über „Pity The Sadness“ und „As I Die“ von der „Shades Of God“ bis hin zu zukünftigen Klassikern wie „Honesty In Death“ und „In This We Dwell“. Nick Holmes schien anfangs mit dem zurückhaltenden WGT-Publikum nicht so recht warm zu werden, doch Band und Besucher fanden im Laufe des Sets immer besser zueinander. Deshalb ließen sich PARADISE LOST auch nicht lumpen und kehrten nach „One Second“ noch einmal auf die Bühne zurück, um mit „Enchantment“, „Fear Of Impending Hell“, „Faith Divides Us – Death Unites Us“ und „Say Just Words“ noch vier Songs draufzupacken. Grandios!
Galerie mit 13 Bildern: Paradise Lost - Wave Gotik Treffen 2013Auf dem Heimweg nutzten wir die Gelegenheit, auf einen Absacker im Städtischen Kaufhaus vorbeizuschauen. Der irreführende Name steht außerhalb der WGT-Zeit für eine üble Chart-Disse mit „Gestört aber geil“-Parties, doch über Pfingsten wird der Laden szenegerecht hergerichtet und unter dem Motto „Dunkelromantischer Tanz“ mit ruhigerem, düsteren Sound beschallt. Hier lässt sich ein WGT-Abend schön ausklingen und man begegnet auch Musikern wie Benni Cellini von LETZTE INSTANZ.
Sonntag
Dass es auf einem Festival mit über 20.000 Besuchern auch extrem gesittet zugehen kann, zeigt sich seit einigen Jahren im Ring-Café im Leipziger Zentrum. Dort organisieren die Betreiber an den WGT-Tagen das Gabelfrühstück, einen Brunch mit riesiger Auswahl an leckeren Speisen. Das noble Ambiente des großen Saals wird durch gelegentliche Piano-Begleitung untermalt und auf der riesigen Terrasse lässt sich in entspannter Atmosphäre das schwarze Treiben beobachten. Genau der richtige Start in einen harten dritten Festivaltag.
Nachmittags bei strahlendem Sonnenschein auf der Parkbühne zu spielen muss für eine waschechte Düster-Band ein absoluter Alptraum sein. THEATRES DES VAMPIRES ließen sich davon aber nicht beeindrucken und sorgten trotz sommerlicher Verhältnisse für Gänsehautmomente. Sängerin Sonya Scarlet inszenierte sich gekonnt als verführerische Vampiresse, die sowohl Anne-Rice-Fans als auch True-Blood-Lüstlinge begeistert haben dürfte. Die zahlreiche Ohrwürmer wie der Opener „Keeper Of Secrets“, „Pleasure & Pain“ und „Medousa“ sowie die Duette mit Billy T. Cooper von JTR SICKERT hätten der Verfilmung von „Interview mit einem Vampir“ den perfekten Soundtrack geliefert. Damit waren THEATRES DES VAMPIRES definitiv die WGT-Band, die im Gesamtkonzept der literarischen Bedeutung des Wortes „Gothic“ am nächsten kam.
Galerie mit 23 Bildern: Theatres Des Vampires - Wave Gotik Treffen 2013Verhängnisvollerweise muss man auf dem Weg von der Parkbühne zur Straßenbahnhaltestelle Richtung AGRA-Halle an der Soup Bar Summarum und La Petite Absintherie vorbei, weshalb die folgenden zweieinhalb Stunden recht ereignislos verliefen. Das Kontrastprogramm folgte mit END OF GREEN, die erstmals auf der größten WGT-Bühne auftreten durften und gleich mal die Hütte rockten, als gäbe es kein morgen. Auf Platte sind die Jungs ja schon ein Erlebnis, aber live spielt die vertonte Verzweiflung der Göppinger locker noch mal eine Liga höher. Das zeigte sich besonders beim Publikum: wurden END OF GREEN zunächst nur von den eingefleischten Fans gefeiert, schwappte die Begeisterung im Konzertverlauf immer weiter auf die hinteren Reihen über. Nach dem abschließenden „Bury Me Down“ hatten Michelle Darkness und seine Kollegen schließlich alle Anwesenden zu Melanchoholikern bekehrt. Dafür sorgte auch eine nahezu perfekte Setlist mit unter anderem „Evergreen“, „Demons“, „Hurter“, „Sick One“ und der ultimativen Suizid-Walze „Tie Me A Rope While You’re Calling My Name“.
Galerie mit 39 Bildern: End Of Green - Wave Gotik Treffen 2013Für THE BIRTHDAY MASSACRE war es fast schon eine undankbare Aufgabe, nach END OF GREEN ins Rennen geschickt zu werden. Doch Sängerin Chibi und ihre Mitstreiter hatten sich für dieses exklusive Deutschland-Konzert einiges vorgenommen – entsprechend energisch fegten sie durch das 90-minütige Set. Der düstere Elektro-Rock der Kanadier, der immer wieder leicht in Richtung Pop und Frohsinn ausschlägt, fand auch bei Besuchern Anklang, die bisher nicht mit Songs wie „Lovers End“ oder „Sleepwalking“ vertraut waren. Alles in allem ein gelungener Auftritt.
Galerie mit 33 Bildern: The Birthday Massacre - Wave Gotik Treffen 2013LACRIMOSA sind ja so etwas wie der FC Bayern München der Schwarzen Szene. Seit gefühlten 100 Jahren auf der Erfolgsspur werden sie von den einen vergöttert, während die anderen schon Eiterpusteln kriegen, wenn sie den Namen hören. Unbestreitbar ist jedoch ihr Verdienst in den vergangenen zwanzig Jahren als Einstiegsband für viele Neu-Gruftis, die sich dann mitunter anderen Bands und Stilen innerhalb der Szene zuwandten. Als Festival-Main-Act ziehen sie nach wie vor die Massen an – so auch an diesem Abend. Eventuell um die eben erwähnten Fans früherer Tage von Anfang an mitzureißen, begann man direkt mit den Klassikern „Ich bin der brennende Komet“, „Allein zu zweit“ und „Schakal“. Damit hatten LACRIMOSA das Publikum schnell um den Finger gewickelt, zumal Tilo Wolff an diesem Abend auch stimmlich in guter Form war – was mittlerweile alles andere als selbstverständlich ist. Leider hantierte der Soundtechniker etwas zu euphorisch am Lautstärkeregler, was das Konzert im weiteren Verlauf ohne Ohrstöpsel zur Strapaze werden ließ. Besonders in Passagen, in denen Anne Nurmi ihre zweifelhaften Gesangskünste zur Schau stellte, rollten sich die Fußnägel hoch. Dadurch hatten wir nach einigen Liedern genug und ließen es gut sein für den Sonntag. Schließlich galt es am folgenden Tag, die letzten Kräfte aus den WGT-zermarterten Körpern herauszupressen.
Galerie mit 30 Bildern: Lacrimosa - Wave Gotik Treffen 2013Interessante Alben finden
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