Wave-Gotik-Treffen 2019
Der große Festivalbericht
Konzertbericht
Sonntag, 09. Juni 2019
CLAUDIA GRÄF, AXEL THIELMANN, TILO AUGSTEN
Zum WGT gehört üblicherweise ein umfangreiches Rahmenprogramm, das klassische Konzerte ebenso beinhaltet wie Lesungen, Theateraufführungen oder Kunstausstellungen. Am Sonntagmorgen entschlossen wir uns erneut dazu, das Varieté aufzusuchen, welches 2017 zu unseren Highlights gehörte. Auch in diesem Jahr präsentieren CLAUDIA GRÄF, AXEL THIELMANN und TILO AUGSTEN amüsante, absurde oder nachdenkliche Texte und Lieder, diesmal unter dem Motto “Zwischen Himmel und Hölle“, einer künstlerischen Aufarbeitung von Gegensätzen. Die Anwesenden konnten in diesem Jahr unter anderem einer unappetitlichen Geschichte über eine sexuelle Eroberung eines Mannes und einem ironisch-politischen Text über den Tod von Genosse Stalin lauschen. Zwischendrin wurden sogar Hörbuchaufnahmen der Sprecher verschenkt. So konnte man mit etwas Glück Kindergeschichten gewinnen – oder das kommunistische Manifest. Spannend war es allemal. Die unterhaltsame und teilweise zum Nachdenken anregende Aufführung schloss mit dem Lied “Der kleine Trompeter“, was einige Anwesende tatsächlich noch mitsingen konnten. Sollten die drei Protagonisten im kommenden Jahr erneut mit einem Programm zu sehen sein, sei dieses hier wärmstens empfohlen.
Im Anschluss besuchten wir interessiert die Absintheria Sixtina, die mit einem “Steampunk-Sunday“ warb. Leider stellt sich der angepriesene Markt als eine Ansammlung von drei kleinen Ständen heraus, weswegen wir nach einem enorm kurzen Rundgang bereits fertig sind. Schade, doch immerhin kann man sich hier bei einem Kaffee ein kurzes Päuschen gönnen. Eine Attraktion bietet sich jedoch trotzdem noch, denn innerhalb der Sixtina gibt es eine kleine Bühne, auf der im Laufe des Nachmittags diverse Konzerte stattfinden werden. So wurden wir mehr oder weniger zufällig auf das Konzert der Dresdner Band JESSNES aufmerksam.
JESSNES
JESSNES spielen ein eigenartiges und deshalb packendes Folk-Potpourri, das mal karibische, mal russische oder gar arabische Elemente enthält, gern mystisch, oft tanzbar und in jedem Falle unterhaltsam. In bunt gemischter Steampunk-Rockabilly-Optik präsentierte die Band ihre Musik bereits am Tag zuvor zum Steampunk-Picknick. So war es offenbar nur ein Ding der Selbstverständlichkeit, JESSNES auch zum “Steampunk-Sunday“ in der Sixtina auftreten zu lassen. Die Band nimmt den verzögerten Soundcheck mit Humor und die im Anschluss präsentierten Lieder wie “What The Folk?“ vom gleichnamigen Album begeistern alle Anwesenden sichtbar, sodass die Band hoffentlich ihren Weg als lokaler Geheimtipp in die Ohren vieler Hörer finden wird. Das Potential hat der von Violine, femininem, klassischem Gesang und einer treibenden Cajón geprägte Sound allemal.
Galerie mit 6 Bildern: Jessnes - Wave Gotik Treffen 2019Unser Team teilt sich nun auf, denn Fotomeister Arne will sich auf keinen Fall WOLFHEART und BATUSHKA im Felsenkeller entgehen lassen, für Schreiberling Matthias soll der Rest des Tages elektronisch geprägt sein. Doch wohin, wenn nahezu zeitgleich BRAGOLIN, EMPATHY TEST und HENRIC DE LA COUR spielen, wenig später dann OUL, LORD OF THE LOST und PRIEST? Denn einen Nachteil hat ein Festival, dessen Locations über eine ganze Stadt verteilt sind: Beim Planen muss man die Wegzeiten zwischen den Locations einrechnen und das kann schon mal gut und gerne eine Dreiviertelstunde sein. Manchmal allerdings hat man Glück und in einer Halle spielen mehrere Favoriten direkt nacheinander. So ist es nun auch hier, auch wenn man dadurch einige der oben genannten Bands verpasst. Das Westbad, das seit 2018 den Kohlrabizirkus ersetzt, bietet am Sonntag ein starkes Line-up in Sachen Synthie Pop. Kurz nach unserer Ankunft beenden gerade M.I.N.E ihren Auftritt. Die Band um CAMOUFLAGE-Frontmann Marcus Meyn gibt neben vielen eigenen Stücken auch den Klassiker “The Great Commandment“ zum besten.
EMPATHY TEST
Kurz darauf beginnen EMPATHY TEST ihr Konzert und gemessen an der Lautstärke scheint sich das halbe WGT besonders auf diesen Auftritt gefreut zu haben. Dass diese Vorfreude berechtigt ist, zeigen die Briten recht schnell. Zu Songs wie “Holy Rivers“ oder der melancholischen neuen Single “Empty Handed“ wird ausgelassen getanzt und Sänger Isaac Howlett kommt aus dem Staunen kaum mehr raus. Mit unfassbar viel Hingabe präsentiert er mit seiner Band einen stimmigen Gesamtsound, der in Wave-Gefilde abtaucht, poppige Melodien für die Eingängigkeit mitbringt oder in Melancholie versinkt, ohne dabei kitschig zu wirken. Bei EMPATHY TEST stimmt einfach alles und so ist es kein Wunder, dass niemand nach dem abschließenden “Losing Touch“ die Band so recht gehen lassen will.
THY ANTICHRIST und WOLFHEART
Im Felsenkeller steht an diesem Sonntag ein solider Black- und Death-Metal-Abend auf dem Programm, welcher von THY ANTICHRIST eröffnet wird. Als die Herren um Leitwolf Tuomas Saukkonen im düsteren Licht ihre Show beginnen, ist der Saal schon gut aufgeheizt und füllt sich stetig. WOLFHEART legen mit ihrem düsteren finnischen “Winter Metal“ ein gewohnt kraftvolles Set hin, spielen sich durch ihre gesamte Songpalette und schneiden bei ihrer 40-minütigen Spielzeit jedes Album ein wenig an, wobei der Schwerpunkt beim aktuellen “Constellation Of The Black Light“ liegt. Die Fans erfreut dies auf jeden Fall und der nunmehr dicht gefüllte Felsenkeller verwandelt sich in ein Meer aus wehenden Haaren. Anschließend geben sich die schwarz-metallischen Niederländer von CARACH ANGREN die Ehre, wo wir allerdings mal flott die Location wechseln und einen Blick ins nahegelegene Westbad zu PRIEST werfen.
Galerie mit 9 Bildern: Wolfheart - Wave Gotik Treffen 2019PRIEST
Auch auf dem WGT darf eine Priese von GHOST scheinbar nicht fehlen. Die Maskenmänner von PRIEST erinnern nicht nur optisch an die schwedische Übermacht, die Band besteht auch noch aus ehemaligen Mitgliedern. Der Sound ist jedoch deutlich elektronischer und tanzbarer als der von GHOST und so passen PRIEST hervorragend in das Line-up des Westbads. Auch wenn die Stimme des maskierten Sängers ein wenig angeschlagen wird, tut dies der Stimmung und dem Gesamtsound keinen Abbruch. PRIEST feuern ein Hitfeuerwerk vom Feinsten ab: “Call My Name“, “History In Black“ oder “Neuromancer“ wirken druckvoll, eingängig und fachen die Fans immer mehr an. Gelegentliche EBM-Elemente verleihen dem melodischen Synthie-Pop der Schweden live eine zusätzliche Facette, sodass wirklich kein Mensch stillstehen kann. Als dann schließlich die aktuelle Single “Obey“ gespielt wird, gibt es sichtlich kein Halten mehr und PRIEST haben es schlussendlich geschafft, einen der stärksten Auftritte des diesjährigen WGTs hinzulegen!
Galerie mit 15 Bildern: Priest - Wave Gotik Treffen 2019Puh, nach so viel Tanzekstase gibt es erstmal eine Pause. In der Zwischenzeit spielen SONO auf, die man bei Bier und Nudelpfanne wunderbar auch mit etwas Entfernung bewundern kann. Die Musik ist wie an diesem Tag üblich tanzbar und melodisch mit gelegentlichen Ausflügen in die Techno-Schiene. Besonders sympathisch wird die Band durch ein Statement für Menschlichkeit und Seenotrettung, was bei den WGT-Besucherinnen und –Besuchern sehr gut ankommt.
BATUSHKA
Währenddessen steht im Felsenkeller wieder massiver Black Metal an. Die in letzter Zeit stark in die Schlagzeilen der einschlägigen Medien gekommene Formation BATUSHKA soll 20:40 Uhr ihre schwarze Messe abhalten und zieht wieder viele Fans in den Saal – und lässt sie erstmal eine gefühlte Ewigkeit warten. So verstreicht die Zeit, die Bühne wird immer mehr und mehr mit Requisiten zugestellt, hier und da noch mal ein Test der Technik durchgeführt. Derweil strömen noch mehr Fans in den Felsenkeller und es zeichnet sich langsam die zu erwartende Sauna ab. Nach ca. 30-40min Verspätung betreten nun endlich BATUSHKA die Bühne und schicken mit ihrem massiven Sound direkt eine fette Riffwalze durch den Saal, die die Fans eindringlich zum Headbangen bringt. Die Sauna ist somit eröffnet, der Sound stimmt, die Stimmung erst recht, der verspätete Showbeginn ist schnell vergessen und der nunmehr extrem volle Felsenkeller rockt ordentlich zu dieser grandiosen atmosphärischen schwarzen Messe.
Galerie mit 13 Bildern: Batushka - Wave Gotik Treffen 2019Während sich draußen vor dem Felsenkeller die Fans des Tagesabschlusses CRADLE OF FILTH langsam stapeln und die Securities der Location einen Einlassstopp vornehmen müssen, wechseln wir wieder die Location ins Westbad und ergeben uns den elektronischen Klängen von SOLAR FAKE.
SOLAR FAKE
Das Westbad präsentiert an diesem Abend einen Headliner, der die Location an ihre Kapazitätsgrenzen bringt. SOLAR FAKE sind von den großen Szene-Festivals kaum mehr wegzudenken und haben sich über die Jahre eine treue und zahlenmäßig gewaltige Fanbase erspielt. Dementsprechend laut brandet der Jubel auf, als Sven Friedrich, André Feller und Schlagzeuger Jens Halbauer die Bühne betreten. Geboten wird ein Best-Of-Set inklusive einiger Highlights aus dem aktuellen Album “You Win. Who Cares?“, wobei es gar nicht so genau darauf ankommt, welches Lied gerade gespielt wird. Zum einen ähneln sich die Songs auf Dauer zu stark, um wirklich markante Unterschiede feststellen zu können, zum anderen feiern die Fans ohnehin alles, was von der Bühne aus in den Saal gepustet wird. SOLAR FAKE sind daher zwar keine abwechslungsreiche Band, aber eine unterhaltsame, zu deren Musik man vortrefflich tanzen kann. “Sick Of You“, “Under Control“ oder “Not What I Wanted“ – die Stimmung bleibt konstant hoch. Als im Zugabenblock noch das traurig-schöne “Stay” gespielt wird, lässt sich sagen, dass SOLAR FAKE einen mehr als soliden Auftritt abgeliefert haben, der eines Headliners würdig ist.
Galerie mit 21 Bildern: Solar Fake - Wave Gotik Treffen 2019Interessante Alben finden
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Wo Wacken ja, als Musiktourismus-Veranstaltung, zumindest noch (wenn auch minderwertiger) Metal ist, hat hier der Großteil mit Wave und Gothic rein gar nichts zu tun. Steht es um die Szene so schlecht? Gehen echte Goths da hin..?