Wacken Open Air
Festivalbericht vom W:O:A 2011

Konzertbericht

Billing: Wacken Open Air
Konzert vom 2011-08-04 | , Wacken

Der folgende Tag beginnt selbstverständlich äußerst träge. Der Kreislauf lässt auf sich warten und statt Kaffee gibt es Büchsenbier. Aus welchem Grund auch immer werde ich das Gefühl nicht los, dass das Wacken Open Air immer wieder das Festival ist, welches mir am meisten zusetzt. Eventuell liegt es daran, dass ich hier bisher nie das Glück hatte, einen der begehrten Fotopässe für den Graben zu bekommen, wodurch mir die reizvolle Aufgabe fehlt, von Bühne zu Bühne zu hetzten, um möglichst viele Bands abzulichten. In einem solchen Fall würde mir nämlich nicht die Zeit bleiben, so viel zu trinken. Doch genug über mögliche Gründe gegrübelt. Die Pläne, die Finger vom Alkohol zu lassen, gehen in der Regel eh in Rauch auf.

 

Trotz tonnenschwerer Beine und einem Herz, das unrhythmisch in meinem Körper vor sich herpoltert, schaffe ich es rechtzeitig, mich zur Black Stage zu trollen, auf der ENSIFERUM soeben ihren Gig beginnen. Während der Großteil der Metaller noch vor sich hin dümpelt, geben die Finnen Vollgas. Die sympathischen Viking Metaller wirken so frisch, als kämen sie gerade von einem erholsamen Wellness-Urlaub und als hätten wir 17 Uhr am Nachmittag. Dabei lassen sich auch die ersten Fans nicht von irgendeiner Uhrzeit beeindrucken. Crowdsurfer machen sich auf den Weg in den Sicherheitsgraben und sorgen für die nötige Morgengymnastik der Securitys. Nebenbei bekomme ich mit, wie auf der Party Stage PRIMAL FEAR den Tag eröffnen. Eine wenig dankbare Aufgabe, um diese Zeit gegen die feucht-fröhliche Musik von ENSIFERUM anzukommen. Auch mein Interesse richtet sich da eher an weniger schwer verdauliche Kost und somit schneller, spaßiger Musik wie „Stone Cold Metal“ und „Twilight Tavern“.

Die Veranstalter waren beim erstellen der Running Order ganz offenbar der Ansicht, dass etwas mehr als eine Stunde ausreichen muss, um die müden Knochen in Wallung zu bringen. Scheinbar fahren sie damit auch gar nicht schlecht. Bei SUICIDAL TENDENCIES macht sich ein gehöriger Pulk vor der Bühne bereit. Mit dickem Bass und einem fetten Hardcore Brett kommen die Kalifornier auf die Bühne geentert. Voller Elan und mit durchdringenden Blicken bringt Mike Muir die corehörenden WOA-Besucher ohne Weiteres zum Moshen und veranlasst ohne Schwierigkeiten einen Circle Pit.

Wacken Open Air

Ich entschließe mich kurz darauf, ein Ohr auf MORBID ANGEL zu werfen, auch wenn sich die Euphorie meinerseits in Grenzen hält. Mit MORBID ANGEL hatte ich zuvor nicht viel am Hut. Man kennt das ein oder andere Lied, wobei es allerdings auch bleibt. Trotz dieser Umstände ist es mir nicht entgangen, dass hinter den Drums nicht Pete Sandoval sitzt. Dieser ist aufgrund einer OP ein Weilchen ausgeschaltet, wird aber würdevoll vertreten. An seiner Stelle hat sich Tim Yeung eingefunden, der bei mir sofort für große Aufmerksamkeit sorgt. Als unmusikalischer Mensch bewundere ich die Fähigkeiten der Musiker meist eh mehr als andere. Wenn ein Schlagzeuger dann noch ohne Unterlass sein Haupt zu donnernden Drums kreisen lässt, freut das mein taktloses Herz. Dieses bekommt allerdings auch mit, dass der Sound schon ein wenig zu wünschen übrig lässt. Dies ist wohl nicht abzustreiten, aber vielleicht liegt es auch einfach an meiner ungünstigen Position. Alles in allem kann ich mich jetzt gerade nicht für diese metallische Keule begeistern. Ein Blick um mich herum verrät mir allerdings, dass ich den Auftritt wohl einfach nicht zu würdigen weiß, denn die Fans haben augenscheinlich ihren Spaß. Dennoch entschließe ich mich dazu, mich für einen Moment in den VIP-Bereich zu verkriechen, um für AS I LAY DYING ein wenig Energie aufzutanken. Ich bin ja schon unfassbar froh, dass ich dem Geträller von VAN CANTO entgehen kann. So lieb und nett die Band auch sein mag – ihre Musik  lässt mir gewaltige Schauer über den Rücken laufen.

Dem Gruppenzwang sei Dank, bekomme ich dann noch mit, wie das Publikum vor der Bühne die Köpfe in Richtung Himmel streckt und kann es nicht lassen, selbige Bewegung durchzuführen. Dort oben kreist ein Flugzeug, das ein Banner hinter sich her zieht. „I Am Morbid“ steht darauf geschrieben. Zu welcher Band das wohl gehören mag?!?

Wenig erholt mache ich mich kurz darauf wieder auf den Weg zum Festivalgelände. Den Anfang von AS I LAY DYING habe ich dummerweise verpasst, aber die Müdigkeit hat mich doch in der Tat ungefragt übermannt. Pünktlich zu „Through Struggle“ komme ich an der Bühne an, werde von einem fetten Sound, tobenden Publikum und einer bestens aufgelegten Band in Empfang genommen. Flux verzieht sich das matte Gefühl dorthin, wo es hergekommen ist, während ich voller Begeisterung Tim Lambesis dabei zuschaue, wie er mit dem Rest der Band und einer ordentlichen Pyroshow die Bühne zerlegt. Es dauert eine Weile, bis mir auffällt, dass sich um mich herum nicht nur ein Haufen wütender Core-Kiddies befindet, sondern das sich auch erstaunlich viele Metaller den Gig der Metal Coreler anschauen. Auch wenn Bands wie AS I LAY DYING, CALIBAN (die letztes Jahr einen Auftritt auf dem WOA hatten) oder auch SUICIDAL TENDENCIES nicht so richtig auf das Heavy Metal Festival passen wollen, so findet ihre Musik doch zunehmend mehr Akzeptanz derjenigen, die nach wie vor und trotz aller Veränderung noch nach Wacken kommen. In der Mitte tobt jedenfalls der Mosh Pit und AS I LAY DYING konnten einen guten, soliden Auftritt hinlegen, der selbst dem ein oder anderen Skeptiker überzeugt haben sollte.

Wacken Open Air

Nun steht mir eine Herausforderung bevor, die gemeistert werden will. HEAVEN SHALL BURN, MORGOTH und SUIDAKRA spielen mehr oder weniger im selben Slot. Wie soll man sich da nur entscheiden? Ich weiß, dass viele Metaller sehr gute Ratschläge parat haben, die sich jedoch in erster Linie auf ihren persönlichen Musikgeschmack beziehen. Für mich hat jede Band einen guten Grund, gesehen zu werden, und mein Streifzug beginnt mit der Metalcore-Macht HEAVEN SHALL BURN. Breit grinsend stehe ich irgendwo im Pulk vor der Bühne und kann es kaum erwarten, dass die Band endlich die Bühne betritt und hoffentlich für möglichst viel Action sorgen wird. Als „Profane Belivers“ loslegt, ist jegliche Erschöpfung meinerseits wie weggeblasen. Zwischenzeitlich denke ich noch kurz an MORGOTH und wundere mich, dass dort eigentlich ziemlich wenig los sein müsste. Der Zulauf bei HEAVEN SHALL BURN ist enorm. Hier kann ich mir auch das Moshen nicht entgehen lassen und muss kurzzeitig immer wieder innehalten, um ausreichend Luft zum Mitgrölen zu haben. Die Thüringer hauen einen Brecher nach dem anderen raus und so schmettern gleich zu Beginn „Voice Of The Voiceless“, „The Omen“ und „Forlorn Skies“ über das Wacken Open Air nieder, welches kurz darauf von „Combat“ überrannt wird. Selbst von weiter Entfernung gibt es für die Fans viel zu sehen. Feuersäulen schießen immer wieder in den Himmel und geben kurz darauf den Blick auf drei große Leinwände frei. Auf diesen könnte man, wenn man nicht mit Moshen beschäftigt ist, Filmsequenzen sehen, so wie das allseits bekannte Video von „Combat“. Für mich wird allmählich die Zeit knapp. In der Hektik schaue ich immer wieder auf die Uhr, um zeitig am Zelt zu, wo SUIDAKRA in Kürze ihren Auftritt starten. Zu meiner großen Freude kann ich wenigstens noch rasch einen großen Circle Pit um den FOH mitnehmen, um mich bei dieser Gelegenheit möglichst nah an der W.E.T. Stage aus dem Strudel zu schleusen. Zwischenzeitlich schwirren noch die Gedanken in meinem Kopf, ob ich nicht doch lieber HEAVEN SHALL BURN bis zum Ende verfolgen soll, aber letztendlich entscheide ich mich doch dafür, die guten Bekannten aus der Heimatstadt zu unterstützen.

Wacken Open Air

Ich bin gerade im Zelt angekommen, als auch schon das Intro von „Book Of Dowth“ erklingt. „Over Nine Waves“ macht mir auch sofort deutlich, dass ich mich richtig entschieden habe. Ich bekenne mich dazu, verdammt viel für die Melodien von Dudelsäcken übrig zu haben, welche mir gleich das breite Grinsen in mein Gesicht zurück holen. Das Zelt ist gar nicht so wenig gefüllt, wie ich es zunächst befürchtet hatte. Die Anzahl der Fans kann sich durchaus sehen lassen, wenn man bedenkt, dass sich viele bei dem Auftritt von HEAVEN SHALL BURN befinden, einige das Comeback von MORGOTH feiern und wieder andere bereits vor der True Metal Stage stehen, um JUDAS PRIEST möglichst aus der Nähe erleben zu können. Offenbar konnten sich SUIDAKRA im Laufe der Zeit einen guten, festen Fanstamm aufbauen, der nun, inklusive mir, eifrig am Mitsingen und Feiern ist. Neben „Dowth 2059“ und „The IXth Legion“ überraschen Arkadius und Co. heute obendrein mit der reizenden Tina Stabel, dank der heute auch „Birogs Oath“ zum Set dazu gehört. Die dreißig Minuten Spielzeit sind nicht sonderlich lange und vergehen wie im Fluge. Einmal mehr habe ich mein Auge auf die Uhr geworfen, um auch ja nicht den Beginn von JUDAS PRIEST zu verpassen. Unglaublicher Weise gelingt es mir ein weiteres Mal, rechtzeitig den Abflug zu machen. Wie ich merke, kann es durchaus seine Vorteile haben, auch mal alleine über das gigantische (und wenn ihr mich fragt, viel zu große) WOA Gelände zu stolpern.

Wacken Open Air

Als ich, einmal mehr leicht gehetzt, an der True Metal Stage ankomme, renne ich zunächst gegen eine wahnsinnig große Menschenwand. Der Andrang für JUDAS PRIEST ist wirklich verdammt enorm. Kaum einer möchte sich die Chance entgehen lassen, die britische Heavy Metal Legende, den Wegbereitern von Ketten und Nieten, sehr wahrscheinlich ein letztes Mal live sehen zu können. JUDAS PRIEST sind einen langen Weg gegangen, der sich nun ganz allmählich den Ende zuneigt. Die Abschiedstour zieht nun auch ihre Bahnen über den metallischen Norden. Das es nun derartig voll ist, sollte mich eigentlich gar nicht wundern. Die Stimmung ist äußerst angespannt. Im Nacken von JUDAS PRIEST sitzt nicht nur der Druck, eine gebührende Abschiedstour zu spielen, sondern auch das umstrittene „Nostradamus“ und der Ausstieg von Gitarrist K.K. Dowing, der nicht sonderlich lange zurück liegt. Vertreten wird das Gründungsmitglied von Richie Faulkner. Ich habe JUDAS PRIEST bisher noch nie live gesehen und bin daher umso mehr gespannt. Ich lasse mich jedoch sehr schnell mitreisen und verfalle gemeinsam mit unzähligen singenden und träumenden Fans in die passende Stimmung. Ein Klassiker folgt dem nächsten und wird von Rob Halford mit makelloser Stimme präsentiert. Die nächsten 140 Minuten lasse ich mich einfach mal mitreißen. Auch wenn ich kein besonders guter Kenner von JUDAS PRIEST bin, so ist mir dennoch klar, dass JUDAS PRIEST nicht nur Gesichte geschrieben haben, sondern mit ihrer Abschiedstour auch nach wie vor noch dabei sind, sie zu schreiben. Eine gewaltige Nummer folgt der nächsten. „Breaking The Law“, „Starbreaker“ „Victim Of Changes“  und „Painkiller“ sind lediglich wenige von vielen. „Prophecy“ ist der einzige Titel von „Nostradamus“. Aber das ist auch gut so. Warum sollte man auf einer Abschiedstour auch damit beginnen, neue Wege zu gehen, wenn sich die alten bewährt haben? Viel kann ich als kleiner Zwerg zwar nicht erkennen, aber dennoch denke ich, dass ich behaupten kann, das Richie Faulkner eine ziemlich gute Figur bei JUDAS PRIEST macht. Er bringt Bewegung und frischen Wind in die Band, die ihren Gig mit „Living After Midnight“ einen Abschluss setzt. Anschließend kommt bei mir unweigerlich die Frage auf, warum ausgerechnet diese enorm starke und verdammt gute Band ihrer prägenden Karriere ein Ende setzt. Da gäbe es verdammt viele Bands, die sich viel eher mal überlegen sollten, ob es Sinn macht, weiter zu musizieren.

Wacken Open Air

In Gedanken verirrt und mit einem Bier in der Hand schlender ich weiter zu TRIPTYKON. Eigentlich fühle ich mich wieder ein wenig wie ausgekotzt und eigentlich gibt es doch noch so viele Menschen, die ich gerne treffen und denen ich begegnen möchte. Aber natürlich läuft wieder einmal kaum etwas so, wie ich es geplant hatte. Aber das sollte mich eigentlich nicht groß wundern. Wie auch immer, zurück zum Mittelpunkt des Interesses: TRIPTYKON. Ich habe zwar nichts gegen CRADLE OF FILTH und finde es durchaus interessant, sie anzuschauen, aber dennoch habe ich mich gefreut, als ich erfahren habe, dass diese abspringen und durch TRIPTYKON ersetzt werden. Passend um die Geisterstunde herum, wird es deutlich düster auf dem WOA. Tom Warrior, den man bis vor Kurzem noch mit CELTIC FROST in Verbindung bringen konnte, lässt seine markante Stimme über das Festivalgelände ziehen. Ein gewaltiges Brett aus Bass und kantigen Gitarrenriffs zieht wie eine Gewitterfront darüber. Für mich ist das gerade genau das Richtige. Ich bin zwar der Ansicht, dass die alten CELTIC FROST Songs „Procreation Of The Wicked“, „Circle Of The Tyrants”, „Babylon Fell“ und „Synagoga Satanae“ in einem kleineren Club wesentlich besser wirken, aber zumindest stimmt der Sound. Mir kommt die Resonanz eher Mau vor, aber vielleicht stehe ich nur an einer ungünstigen Stelle und bekomme einfach zu wenig mit. Als letzter Song folgt „The Prolonging“. Der zwanzigminütige Brecher haut mich allerdings vollkommen um. So episch dieser Song auch sein mag, so sehr zwingt er mich gerade auch nieder. Den ganzen Tag auf den Beinen zu sein und nur umher zu rennen, das Bier in der Hand, die Sonne auf dem Kopf, schlaucht irgendwann doch enorm. Eigentlich habe ich mir auf der Running Order noch AIRBOURNE und APOCALYPTICA markiert, aber jetzt steht doch besser erst mal eine kleine Pause an.

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03.08.2011

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