Wacken Open Air
Der große Festivalbericht 2008
Konzertbericht
Freitag
PRIMORDIAL
Dank einer schlecht gebrieften Security blieb uns der Eintritt aufs Festivalgelände am Freitagmorgen erst mal verwehrt. Dem guten Mann war es auch reichlich egal, ob auf der Party Stage nun schon seit einer Viertelstunde PRIMORDIAL zum Tanze aufspielten. Erst nachdem die Menge lautstark ihrem Unmut kundtat (“Wir sind das Volk!“) ließ er sich erweichen und man konnte aus dem Backstagebereich endlich aufs Gelände.
Dort angekommen gaben Alan und seine Jungs auch schon mit “Gods To The Godless“ kräftig Gas. Wie immer weiß geschminkt, durchlebte und zelebrierte der Frontmann den Gig seiner Band. Sonst ein wohl eher ruhiger Zeitgenosse, geht der Ire auf der Bühne voll aus sich heraus. Trotz der frühen Spielzeit von elf Uhr am Morgen wollten sich zahlreiche Zuschauer PRIMORDIAL nicht entgehen lassen, und sahen einen sehr souveränen Gig, obwohl die Band bei Dunkelheit um einiges besser ihre Wirkung entfaltet als in der Morgensonne. (Nightstalker)
ENSIFERUM
Wenn man auf dem Weg zur Bühne von zig Wikingern strammen Schrittes überrannt wird, kann das nur an wenigen Bands liegen, die die Massen derart anziehen. ENSIFERUM sind eine davon. Die Jungs und das Mädel scheinen so etwas wie die Band der Stunde zu sein. Egal wo sie spielen, ist die Stimmung grandios. Wenn man geniale Stücke vom Kaliber “Ahti“, “Windrider“, “Deathbringer From The Sky“ oder “Token Of Time“ am Start hat, ist es aber auch nicht sonderlich schwierig, die Stimmung bei den Fans auf den Siedepunkt zu treiben. Die Band genoss den Auftritt beim W:O:A sichtlich und peitschte sich und das Publikum bei jedem Song weiter nach vorne. Ein grandioser Gig, der aber zum einen viel zu kurz war und zum anderen unter dem teilweise schlechten Sound zu leiden hatte. “One More Magic Potion“, zum Beispiel, habe ich erst nach dem ersten Refrain erkannt. Den Fans war es egal, sie feierten ENSIFERUM nach allen Regeln der Kunst ab, und das völlig zu Recht. Auch wenn sie “Victory Song“ nicht gespielt haben, war das eines der besten Konzerte dieses Festivals (mit der sinnigsten Ansage dazu: “Und jetzt alle, Pups!“), keine Frage. (colin)
KAMELOT
Nach dem grandiosen Gig von ENSIFERUM war es schon schwer, auf den progressiven Power Metal der Amis von KAMELOT umzusteigen. Die Band um Ausnahmesänger Khan und Gitarrist Thomas Youngblood legte sich mit Pyros quasi den kompletten ersten Song über und guter Bewegung auf der Bühne auch direkt mächtig ins Zeug. Sicherlich ein imposanter Anfang, aber irgendwie wollte der Funke aufs Publikum nicht so recht überspringen. Die ersten Reihen gingen zu dem vornehmlich neuen Material gut ab und feierten die Band, ab der Mitte des Auditoriums bis weiter hinten sah man aber nicht wirklich viele Fäuste in die Luft gereckt. Vielleicht lag es an der Songauswahl, vielleicht am Wetter, ich weiß es nicht. Irgendwie war es ein komischer Gig von KAMELOT und auch die Tanzversuche der Backgroundsängerin waren eher strange zu beobachten. KAMELOT habe ich schon besser und fesselnder gesehen. (colin)
SABATON
SABATON sind definitiv sehr angesagt momentan. Vor der Party-Stage tummelte sich eine riesige Menschenmenge, die auf die Schweden wartete. Ähnlich wie KAMELOT bauten die Schweden diverse neue Songs in ihr Set ein. Allerdings ist das Songmaterial der Jungs weit weniger sperrig und so war auch bei den neuen Songs Party angesagt. Die Band war ständig in Bewegung und auch die Kommunikation mit dem Publikum ließ nichts zu wünschen übrig. Zudem hatten SABATON das Bühnenbild ansprechend gestaltet. Ihren Drummer hatten sie rechts, den Keyboarder links auf Emporen gestellt, sodass die anderen Bandmitglieder immer zwischen den beiden hin und her wechseln konnten. Das sah optisch gut aus, die Stimmung zum überkochen brachten aber natürlich Granaten wie “Nuclear Attack“, “Primo Victoria“, “Attero Dominatus“ oder das Medley “Metal Machine/Metal Crüe“. Warum allerdings mitten im Gig das Backdrop der Band heruntergelassen wurde, bleibt wohl das Geheimnis des Veranstalters. Egal, das Publikum fraß der Band aus der Hand. Ganz, ganz großer Auftritt von SABATON. (colin)
NIFELHEIM
Eigentlich wollte ich ja den NIFELHEIM-Auftritt im W.E.T.-Zelt anschauen, doch zuerst musste ich mich mal durch die Menschenmassen und Pfützen kämpfen. Als ich dann endlich das Zelt erreichte, spielten NIFELHEIM schon eine ganze Weile vor einer ansehnlichen Menge, die jedoch anscheinend entweder schon völlig betrunken war, oder deren Riechorgan seinen Geist aufgegeben hatte. Es stank jedenfalls im Zelt so erbärmlich nach Kloake, dass ich direkt nach einem Song (“Satanic Sacrifice“) den Ort des Geschehens wieder verlassen musste. Die wie immer komplett mit Nieten behangene Band und den Mob vor der Bühne schien der Gestank jedenfalls nicht weiter zu stören, und so feuerten NIFELHEIM noch den ein oder anderen Song ins Volk, während ich mich in Richtung des nächsten Bierstands orientierte. (Nightstalker)
MASSACRE
Eine weitere Legende gab sich dieses Jahr die Ehre in Wacken. MASSACRE, die Kultband schlechthin, wenn es um stumpfen Death Metal der ganz alten Schule geht. Schließlich reichen die Wurzeln der Band bis in die frühen 80er zurück, und Kam Lee ist wahrscheinlich der (Mit-)Erfinder der Deathgrowls. Mit “From Beyond“ veröffentlichte die Truppe den Stil prägenden Klassiker des Genres. Man durfte also gespannt sein, was MASSACRE auf einem ihrer letzten Gigs vor der Auflösung so alles reißen würden. Vom Original-Line-Up waren jedenfalls nur noch Terry Butler und Kam Lee dabei, unterstützt von Steve Swanson, der immerhin schon auf der “Inhuman Condition“ EP von sich hören ließ. Los gings dann endlich mit dem Knaller „Dawn Of Eternity“. Von Beginn an hatte die Band die Fans im Griff. Eigentlich nicht verwunderlich, denn wer sonst verwöhnt heutzutage die Ohren noch mit solch eingängigem, geilem Oldschool-Death-Metal? Kam Lee sieht mittlerweile zwar eher aus wie ein Profiwrestler und wirkte mit seiner seltsamen Kopfbedeckung etwas albern, aber musikalisch ging mit “Chamber Of Ages“ und “Biohazard“ echt die Post ab. Sehr cool, die Band noch mal gesehen zu haben, und viel Erfolg mit der Nachfolgetruppe DENIAL FIEND. Macht’s gut, Jungs! (Nightstalker)
CHILDREN OF BODOM
Auch die Finnenbuben vom Lake Bodom hatten sich mal wieder in Wacken eingefunden, um mit ihren zahlreichen Fans eine ordentliche Party zu feiern. Und genau das taten Alexi und Co. dann auch vor einer endzeitlich gestalteten Bühne, die jedem Mad Max Film zur Ehre gereicht hätte. Brennende Fässer und Autowracks machen’s möglich. Mister Laiho machte seinem Beinamen „Wildchild“ mal wieder alle Ehre, und poste als ob es kein Morgen gäbe. Natürlich wurde auch wieder ständig durch die Gegend gerotzt, und ich würde fast sagen, Alexi schlägt sein imaginäres Vorbild Chuck Billy zumindest in dieser Disziplin mittlerweile um Längen. Songtechnisch ließ die Finnenbande mit “Silent Night, Bodom Night“, “Follow The Reaper“, “Blooddrunk“ und natürlich “Lake Bodom“ mal wieder nichts anbrennen. Alexi duellierte sich in bekannter Art und Weise mit Tastenmann Janne, während der Rest der Band dazu den passenden Soundteppich knüpfte. Alles wie immer also bei den Kindern Bodoms? Ja, und das war auch gut so. (Nightstalker)
UNEARTH
Einen denkbar schlechten Moment für ihren Auftritt erwischten die Amis von UNEARTH. Keine fünf Minuten bevor es losgehen sollte, öffnete der Himmel seine Schleusen und es goss Bindfäden. Die Fans, die trotzdem zahlreich erschienen waren, schien das allerdings wenig zu kümmern, denn schon nach wenigen Minuten gab es einen riesigen Circle Pit vor der Bühne. Angetrieben durch das sympathische Fronttier Trevor entwickelte sich das ganze mehr und mehr zu einer Schlammschlacht aller erster Klasse. Und als dann noch der “Zombie Autopilot“ eingeschaltet wurde, gab es eh kein halten mehr. Starker Auftritt einer tollen Band. (Nightstalker)
SOILWORK
Für Crowdsurfer war der Auftritt von SOILWORK ein Riesenspaß. Geschätzte dreißig kamen schon innerhalb der ersten fünf Minuten im Graben vor der Bühne an. Darunter auch viele Mädels, die den Männern in nichts nachstanden. Einige Fans (Mädels sowie Männer) schafften es sogar, drei Mal innerhalb weniger Minuten von der Meute getragen zu werden. Sänger Björn Strid feuerte seine Fans zusätzlich an und forderte noch mehr Crowdsurfer. Die Security hatte gut zu tun, konnte aber nach ca. einer Viertelstunde erst einmal verschnaufen, als Björn zur Wall Of Death aufrief. Gesagt, getan! Kaum standen die Fans in Position, gab Björn das Kommando und die Massen liefen los. Scheinbar zufrieden, mit einem fetten Grinsen im Gesicht, machten SOILWORK weiter. Mit ?The Pittsburgh Syndrome? vom aktuellen Album ?Sworn To A Great Divide? und ?Nerve? vom Vorgänger ?Stabbing The Drama? wurde den Fans weiterhin richtig eingeheizt. Wer hier nicht völlig nass geschwitzt den Platz verließ, war nicht mit dem Herzen dabei. (ME)
CORVUS CORAX
Die wohl pompöseste Show des Wacken ’08 lieferten eindeutig CORVUS CORAX mit ihrer Version des ?Cantus Buranus 2?. Samt Orchester waren die Spielleute eingetroffen, was auf der Bühne ganz schön was her machte. Schade war nur, dass die eigentlichen Musiker (Teufel & Co.) sich die meiste Zeit hinter dem Orchester versteckten. So konnte sie nur erblicken, wer direkt vor der Bühne stand oder mit der Leinwand vorlieb nahm. Aber nicht nur die mangelnde Präsenz von CORVUS CORAX enttäuschte, auch musikalisch war die “Mittelalter-Oper“ nicht jedermanns Geschmack. Der mittelalterliche Touch ging in der gesamten Show leider unter. Dudelsack & Co. wurden vom Soundmann eher leise gehalten. Wenn man die Augen schloss, erinnerte das ganze doch stark an den “Herr der Ringe“-Soundtrack. Das konnte auch die stimmlich und körperlich voluminöse Solistin des Babelsberger Filmorchesters nicht rausreißen. Für die Musiker war die Aufführung sicherlich eine interessante Erfahrung, aber ob das zum W:O:A passt sei in Frage gestellt. (ME)
JOB FOR A COWBOY
Amerikanischer Death Metal aus Arizona – ist das wirklich was für Cowboys? Immerhin kamen die Jungs ohne Lasso und Hut auf die Bühne, brachten uns dafür aber unglaublicher Weise aus Arizona etwas Regen mit. Davon ließen sich die Metalheads aber nicht beeinflussen. Ganz im Gegenteil: es wurde schon nach dem ersten Song lautstark eine Wall Of Death gefordert. Kein Wunder, dass die Menge schnell in Fahrt geriet. Jon “The Charn” Rice drosch wie eine Maschine auf sein Schlagzeug ein, dass es eine wahre Freude war. Insgesamt durften wir hier einen (auf diesem Wacken leider selten) perfekten Sound genießen. Da konnte man wirklich nicht meckern. Zu einem ausgiebigen Moshpit kam es dann, nachdem Sänger Jonny “The Navy“ Davy die geforderte Wall Of Death bis auf weiteres verschoben hatte. Selber konnte ich dann auch nicht mehr still stehen. (Katrin Dietl, stalker.cd)
AVANTASIA
Mit seinen ersten beiden AVANTASIA-Alben feierte EDGUYs Tobias Sammet Achtungserfolge, sein drittes Werk “The Scarecrow“ wurde ein richtiger Kracher! Folgerichtig wurden einige ausgesuchte europäische Festivals gebucht, so auch das W:O:A. Zugegeben war ich im Vorhinein hinsichtlich der Livetauglichkeit doch eher skeptisch. Aber Tobias, der u. a. von Sascha Paeth (auch Produzent von AVANTASIA), Jorn Lande, Andre Matos und Uli Jon Roth unterstützt wurde, konnte auch hier voll überzeugen. Mehr sogar: Die Songauswahl: umfasste alle drei Alben und ließ keine Wünsche offen. Die Band: spielfreudig und tight. Der Sound: ein Hammer, wenn man von einem kurzen Mikroausfall absieht. Ergebnis: Gerne wieder! (Timo Pässler, stalker.cd)
GORGOROTH
Wow! Ein Bühnenbild wie aus „Black Mess“ mit vier Kreuzen an denen zwei junge Männer und zwei junge Frauen hingen, mit nichts bekleidet als einem Kartoffelsack über dem Kopf. Das Ganze wurde mit zwei Dutzend Schafsköpfen auf Pfählen garniert und verfehlte den Effekt auf das Publikum nicht. Als dann die durch Ausnahmemusiker Nick Barker und Arve Isdal verstärkte Band die Bühne betrat und Gaahl mit seinem leicht psycho-wahnsinnigen Blick ins Publikum starrte, war das Bild perfekt. Musikalisch gab es nichts zu meckern. Mit vielen Pyros, die manchmal den Eindruck vermittelten, als wollten die Jungs die Models an den Kreuzen abfackeln, und einigen zufälligen Effekten wie Gaahls Gesicht in einer Rauchwolke (ich nehme an, dass es sich um eine Spiegelung im Rauch von den Leinwänden handelte, aber gruselig war’s schon!) kann man sagen, dass die ganze Show von GORGOROTH IMMORTAL vom Vorjahr einfach von ihrem Thron schubste. Ein düsteres Highlight, das nur von dem ganzen Getratsche davor und danach leicht getrübt wurde. Während des Konzerts dachte aber ganz sicher niemand an die Band-Soap-Opera. Die Atmosphäre auf und die Stimmung vor der Bühne stimmten und rissen mit. Selbst wer nicht auf norwegischen Black Metal steht und zufällig noch wach war, musste zugeben, dass dieser Auftritt genial gelungen war. Gerne wieder! (Samira Alinto, stalker.cd)
OPETH
Ein absolutes Highlight des Freitagabends waren die die Prog-Götter OPETH. Stilsicher bekleidet mit einem MORBID ANGEL-Shirt begann Frontman Mikael Åkerfeldt den Gig mit “Demon Of The Fall“ und brachte mit diesem Klassiker vom ’98er Album „My Arms, Your Hearse“ die Menge zum toben. Weiter ging es mit “The Baying Of The Hounds” und “A Master’s Apprentice“. Vom “alten” Zeug aufgeheizt gab es mit “Heir Apparent“ als nächstes etwas Neues um die Ohren. Aber auch dieser Song konnte die Menge nicht wirklich abkühlen. Auffällig war mal wieder, dass Mikael Åkerfeldt ein begnadeter Sänger ist: mit kindlicher Leichtigkeit wechselt er in seinen Songs von wilden Death-Metal-Growls zu schönen, klaren Vocals, um dabei noch – quasi nebenher – anspruchsvolle Melodien auf der Gitarre zu spielen. Auch “Wreath“ und das abschließende “The Drapery Falls“ von “Blackwater Park“ fegte live absolut alles weg. Der Sound bei OPETH war absoluter Killer und die technische Inszenierung wieder einmal genial.
Abschließend ist noch zu sagen: Verglichen mit ihrem Auftritt beim Wacken 2006, wussten die Schweden dieses Jahr sehr genau, wie sie die Menge vor der Black Stage bei Laune zu halten hatten. Passend zur eher regnerischen Abendstimmung bewies Mikael wieder größte Entertainerqualitäten mit Komentaren wie: “A lot of wet girls out there…“, „so many Germans come to Sweden during their vacations… because… it looks exactly like Germany, but … we have the boobs.“ oder: “If you don’t recognize this song, you’re a fucking cunt.“ Was soll ich noch groß sagen… OPETH sind und bleiben einfach GENIAL! Dass viele meine Meinung teilen, konnte man auch am Merchandise-Stand erkennen. Eine Stunde nach dem Gig konnte man mir kein OPETH-Shirt mehr verkaufen. AUSVERKAUFT! …Frechheit! (maike p.)
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