Wacken Open Air
Der große Festivalbericht 2007
Konzertbericht
Donnerstag, 02.08.2007
BLITZKRIEG (17:00 – 17:45, Black Stage)
Das diesjährige „Wacken Open Air“ dürfen die alten Hasen von BLITZKRIEG eröffnen und sie tun es vor einer recht ansehlichen Zuschauermenge. Den Mannen um NWOBHM-Legende Brian Ross merkt man an, dass sie nicht jeden Tag vor solchen Massen spielen dürfen, und so legen sie sich ordentlich ins Zeug und knallen der Meute unter anderem „Unholy Trinity“, „Theatre Of The Damned“ und die Bandhymne, das von METALLICA gecoverte „Blitzkrieg“, vor den Latz.
Und was soll man zu dieser unkaputtbaren Truppe sonst noch sagen? Brian Ross ist immer noch einer der geilsten Metal-Sänger, das Songmaterial ist über jeden Zweifel erhaben und somit sind BLITZKRIEG auch ein würdiger Opener fürs W:O:A 2007. Punkt. (Nightstalker)
THE SORROW (17:00 – 17:30, Hellfest Stage)
Derweil wird die „Party Stage“, die dieses Jahr am Donnerstag unter dem Banner „Hellfest Stage“ rockt, anno 2007 von den österreichischen Senkrechtstartern THE SORROW entjungfert. Musikalisch gibt es zwar nur 08/15-Metalcore mit kleinen Emo-Einschüben, aber das riffhungrige Publikum nimmt auch Fast-Food-Metal auf, zumal dieser technisch einwandfrei vorgetragen wird (besonders der sehr junge Schlagzeuger beeindruckt). Weiterer Kritikpunkt: Warum muss man Spielzeit verschwenden, indem man AMON AMARTH covert („Pursuit Of Vikings“), wenn man’s eh nur halb spielt und den publikumsaufputschenden Mitgröhl-Part weglässt?
Fazit: Kann man sich angucken, muss man aber nicht. (Death Angel)
NARZISS (17:50 – 18:20, Hellfest Stage)
NARZISS kommen aus Jena und spielen Metalcore mit deutschen Texten, was die Fan-Gemeinde dieser Musikrichtung spaltet, heute sind aber größtenteils freundlich gesonnene Gemüter anwesend. Es wird gehüpft, gemosht und gegröhlt und der leichte Regen, der jetzt aufkommt, stört kaum jemanden. Technisch einwandfrei vorgetragen und mit einer coolen Setlist ausgestattet geht nach dem genialen Über-Song „Das Tier“ ein toller Auftritt leider viel zu früh zu Ende. (Death Angel)
Foto: Melanie Haack
ROSE TATTOO (18:15 – 19:15, Black Stage)
Weiter geht es auf der „Black Stage“ mit Hard Rock aus „Down Under“ – klar, dass da jeder zunächst AC/DC im Kopf hat. Doch obwohl die Musik von ROSE TATTOO nicht allzu weit vom Schaffen der Brüder Young entfernt ist, hat die Band ihren ganz eigenen Charakter. Ziemlich dreckig klingt der Blues-lastige Rock’n’Roll-Sound der Mannen um Angry Anderson. Und auch nach dem Tod von Gitarrist und Bandgründer Pete Wells, der im letzten Jahr leider den Kampf gegen seine Krebserkrankung verloren hat, geben die fünf Jungs aus der ehemaligen Strälingskolonie weiter Vollgas. So hat man Anfang des Jahres ein neues Album veröffentlicht, von dem auch einige Stücke, wie der Titelsong „Blood Brothers“, ihren Weg ins Bühnenprogramm gefunden haben.
Insgesamt geben sich ROSE TATTOO entspannt und verbreiten viel gute Laune. Zwar sind Angry Andersons Ansagen ausgesprochen abgedroschen und gehen in ihrer Klischeehaftigkeit meist ein wenig am Publikum vorbei, musikalisch brauchen sich die Jungs jedoch nichts vorwerfen zu lassen. Routiniert schüttelt man sich ein schickes Boogie-Riff nach dem anderen aus dem Ärmel und wirkt dabei dennoch zu keiner Sekunde gelangweilt oder unglaubwürdig. Die Publikumsreaktionen sind zunächst verhalten, mit fortschreitender Auftrittsdauer steigt jedoch auch die Feierlaune unter den Fans, so dass am Ende mehr als nur Höflichkeitsapplaus den Abgang der Australier begleitet. (Xeledon)
NEAERA (18:40 – 19:25, Hellfest Stage)
Die fünf Münsteraner von NEAERA ziehen heute mitunter die meisten Fans vor die kleinste der drei Open-Air-Bühnen, was daran liegen mag, dass sie mit ihrer Musik sowohl junge Metalcore-Hüpfer als auch gestandene (Melodic-)Death-Metal-Fans begeistern können. Das merkt man auch heute: Von CHIMAIRA über IN FLAMES bis hin zu CANNIBAL CORPSE tummeln sich Shirts jeglicher Couleur im Publikum und keines davon dürfte von der Band enttäuscht worden sein, denn jene legt heute einen rundum gelungenen Auftritt hin. Beide älteren Alben werden abgedeckt und auch der Titelsong vom brandaktuellen Album „Armamentarium“ wird kredenzt.
Übrigens: Die neue Ausrichtung der Band hin zum etwas traditioneller gehaltenen Death Metal merkt man heuer vor allem Sänger Benny Hilleke an, der viel größere Teile seiner Parts growlt. Allerdings müssen dafür die emotionalen, hohen Schreie weichen, was viele freuen, andere aber enttäuschen dürfte. (Death Angel)
Foto: Melanie Haack
ANIMAL ALPHA (19:45 – 20:30, Hellfest Stage)
ANIMAL ALPHA, die nach NEAERA die „Hellfest Stage“ entern, sind das exakte Gegenereignis zu eben diesen: Seltsam abgefreakte Musik, eine tierisch nervige Sängerin, die zudem desöfteren Probleme mit den höher gelegenen Tönen hat, und eine unauffällige Instrumental-Fraktion lassen zwar die ersten beiden Reihen hüpfen, aber den Rest flüchten. Brauche ich nicht, ebenso wenig der Großteil der restlichen Wacken-Besucher. (Death Angel)
Foto: Samira Alinto / Stalker.cd
SODOM & Guests (19:45 – 21:30, Black Stage)
SODOM hingegen kann man in Wacken immer brauchen. Für Onkel Tom Angelrippchen ist das W:O:A ja mittlerweile sowas wie ein zweites Zuhause geworden. Entweder als Onkel oder SODOM ist er fast jedes Jahr im hohen Norden zu Gast.
Für dieses Jahr hat man sich aber was besonders nettes einfallen lassen: Man holt so ziemlich alles, was an Ex-Mitgliedern noch unter den Lebenden weilt, auf die Bühne und zockt mit den Kerlen dann Songs aus den jeweiligen Schaffensperioden. So teilt sich Tom die Bretter, die die Welt bedeuten, dann mit solch illustren Gestalten wie Frank Blackfire (der von allen Ex-en den besten Eindruck hinterlässt!), Micha Hoffmann, Andy Brings und Drumtier Atomic Steiff. Diese unterschiedlichen Line-Ups performen dann eine Zeitreise durch 25 Jahre SODOM bestehend aus Klassikern der Marke „Blasphemer“, „Christ Passion“, „Magic Dragon“, „Sodomy & Lust“ oder dem unvermeidlichen „Ausgebombt“. Eine feine Idee, die sich wohltuend von den üblichen SODOM-Shows abhebt und vom Mob entsprechend gefeiert wird. Cool. (Nightstalker)
TÝR (20:05 – 20:50, W.E.T. Stage)
Eigentlich will ich mir nun im „W.E.T. Zelt“ einen Eindruck von TÝR verschaffen, über die man in letzter Zeit in der Fachpresse genügend positives lesen konnte, um mein Interesse zu schüren. Doch natýrlich bin ich nicht der einzige unter den mehr als 70000 Metal-Verrückten in Wacken, der auf diesen Gedanken gekommen ist. So platzt das Zelt aus allen Nähten und selbst vor den weitgeöffneten Týren sind Crowdsurfer unterwegs. Hier einen Platz mit Blick auf die Bühne zu ergattern, gerät zu einem Ding der Unmöglichkeit.
Auch der Sound erreicht bei weitem nicht die gesamte potentielle Zuhörerschaft, dafür sorgen Tom Angelripper und seine SODOM-Jungs auf der „Black Stage“. Da ich leider nicht zu den Menschen gehöre, die sich im dichtesten Gedränge und ohne frischen Luftsauerstoff wohl fühlen, bleibt mir also nichts anderes übrig, als zu týrmen. Immerhin kann ich mir von einigen Wagemutigen, die den Gig komplett gesehen haben, bestätigen lassen, dass die Wikinger von den Färöer Inseln eine gute Show abgeliefert und das Zelt ordentlich zum Kochen gebracht haben. Vermutlich wären TÝR auf einer der größeren Bühnen besser aufgehoben gewesen. (Xeledon)
ALL THAT REMAINS (20:50 – 21:35, Hellfest Stage)
Auch die Amis ALL THAT REMAINS freuen sich über ihren ersten Auftritt auf dem W:O:A und könnten theoretisch auch überzeugen, nur leider spielt der Sound nicht mit: Der erste Song kommt viel zu leise aus den Boxen und leider wird’s nicht besser als der Soundmann beschließt, den Lautstärke-Regler hochzuschieben, denn irgendwie klingt das alles ein bisschen matschig. Hinzu kommt, dass der Sänger in der einen oder anderen Passage etwas dünn klingt, so dass trotz der technischen Versiertheit der Musiker und einer coolen, ausgewogenen Setlist nach dem erstklassigen Schlusssong „This Calling“ bei den meisten Fans gemischte Gefühle bleiben. (Death Angel)
LETZTE INSTANZ (21:10 – 21:55, W.E.T. Stage)
Während sich schon der Schweiß der im „W.E.T. Zelt“ zusammengepferchten Masse an der Decke niederschlägt, regt sich plötzlich etwas… Mit einem theatralischen Intro betritt die LETZTE INSTANZ die Bühne, Sänger Holly mit seinem breiten, schelmischen Grinsen im Gesicht. Gestartet wird mit „Du Und Ich“, dem Opener ihres aktuellen Albums „Wir Sind Gold“. Die selbsternannten Folk-Goth-Rocker müssen ihr Publikum nicht lange bitten, der Funke springt von der ersten Note an über. Songs wie „Unerreicht“, „Ohne Dich“ und „Tanz“ werden von dem restlos begeisterten Publikum sehr textsicher wiedergegeben.
Mit dem Song „Mein Todestag“ dürfte die Band nicht nur ihre langjährigen Fans ansprechen, das Lied zählt zwar zu den ältesten, aber auch bekanntesten LETZTE INSTANZ–Werken. Es ist heute, zusammen mit „Das Stimmlein“ und „Rapunzel“, von keiner anständigen Goth-Rock Party wegzudenken. Anschließend erzielen die Dresdner einen richtigen Überraschungseffekt, als sie den zuletzt gespielten Song „Rapunzel“ in den Endsiebziger KISS-Hit „I Was Made For Loving You“ verwandeln. (Katrin Dietl / Stalker.cd)
HATESPHERE (21:55 – 22:40, Hellfest Stage)
Kaum haben Jacob Bredahl und seine HATESPHERE-Mannen die Bühne erklommen, wird klar: Ein Höhepunkt des diesjährigen W:O:A steht gerade auf der „Hellfest Stage“. Der glasklare, wuchtige Sound sorgt dafür, dass Brecher wie „The Sickness Within“ doppelt so drückend wie aus der Konserve auf den Hörer einschallen und die Band spielt einwandfrei, allen voran Frontdäne Bredahl. Dieser ist zwar leicht angetrunken, aber umso sympathischer sind die Ansagen und beim Singen ist der Mann so oder so eine Wucht. Ein gelungener Auftritt, dessen Beschreibung eigentlich nur eines Wortes bedarf: geil! (Death Angel)
Foto: Melanie Haack
SAXON (22:00 – 0:00, Black Stage)
Das Heavy-Metal-Urgestein SAXON, das bereits am Dienstag einen Gig im 20 Kilometer entfernten Horst (bescheuerter Ortsname eigentlich…) spielte, bei dem Besitzer eines Wacken-Tickets freien Eintritt hatten, ist seit Beginn der NWOBHM aus der Metal-Landschaft gar nicht mehr wegzudenken. Gerade auf dem W:O:A zählen die Briten als Veranstalter-Lieblinge längst zu den Stammgästen. Insofern gerät auch ihr heutiger Gig weniger zu einer überraschenden Wundertüte als zu einer sicheren Bank, bei der man im Grunde schon vorher weiß, was man geboten bekommt.
Mit zahlreichen Pyro-Effekten und Video-Einspielungen ergänzen die Briten die ohnehin schon bis zum äußersten ausgereizte Lichtanlage und haben natürlich auch den obligatorischen stählernen Adler unters Bühnendach geschnallt, der im Showverlauf gleich mehrmals zur Landung ansetzt, um Strahlen grellen Lichtes über die Köpfe des Publikums hinwegzuschicken. Bei dieser optischen Opulenz stellt sich natürlich die Frage, ob man es nötig hat, von den musikalischen Inhalten abzulenken. Und diese Frage kann mit einem entschiedenen „Nein!“ beantwortet werden. Natürlich kennt man die vielen alten Hits der Band bereits und hat sie womöglich schon desöfteren live bewundern können, aber gerade deswegen möchte man Songs wie „Denim And Leather“, „Heavy Metal Thunder“, „Witchfinder General“ oder „Crusader“ nicht missen.
Auch das aktuelle „Inner Sanctum“-Album wird mit einigen Stücken gewürdigt, unter denen besonders das atmosphärisch starke „Red Star Falling“ und das deutlich straightere „If I Was You“ direkt ins Schwarze treffen. „Let Me Feel Your Power“ wird spontan dem Wackener Publikum gewidmet, das auch bei den eigentlich völlig überflüssigen Mitsing-Spielchen eifrig mitspielt. Die Frage, ob man als nächstes einen langsamen oder doch lieber einen schnellen Song hören möchte, beginnt nach wiederholtem Gebrauch jedoch mächtig zu nerven.
Absolutes Highlight des Gigs ist hingegen der Steinzeit-Klassiker „747 (Strangers In The Night)“. Diesen gibt Sänger Biff Byford nämlich nicht alleine zum Besten, sondern er hat sich die Unterstützung eines der markantesten Frontmänner der deutschen Metal-Landschaft gesichert: Tobias Sammet. Irgendetwas scheint jedoch mit dem EDGUY-Vorturner heute nicht zu stimmen. Seine Kleidung lässt die gewohnte Extravaganz vermissen und auch vom bei ihm üblichen Hin- und Hergeflitze auf der Bühne ist heute nichts zu sehen. Hält sich das Energiebündel etwa aus Respekt vor den alt(gedient)en SAXON-Haudegen zurück? Oder macht sich hier schon sein Blinddarm bemerkbar, der ihm am Samstagmorgen in einer Notoperation entfernt werden muss? (Xeledon)
Foto: Samira Alinto / Stalker.cd
ELECTRIC EEL SHOCK (22:15 – 22:45, W.E.T. Stage)
Leider geht viel Zeit der durchgeknallten Japaner durch einen ewigen Soundcheck verloren, aber als ELECTRIC EEL SHOCK endlich loslegen, entschädigen sie für das lange Warten. Gewohnt extrem wird mit ihrem Mix aus Rock, Metal und Punk rumgetobt als gäbe es kein Morgen.
Als Bassist Kazuto Maekawa samt Bass am Bühnengerüst hochklettert, wird mir dann doch ganz anders, denn er schwankt übel und ich stehe mit der Kamera direkt darunter. Nackig macht sich der Drummer diesmal nicht ganz – nur das Shirt, was wohl daran liegt, dass es nicht Tomoharu „Gian“ Ito ist, sondern ein Sessiondrummer der ihn vertritt. Akihito Morimoto gibt echt alles und greift zwischendurch immer mal an seinen am Gürtel befestigten Talisman – einen Plüschelefant. Zum Schluss stürzt sich ein Fan im Kostüm mit rotem Schlauchboot in die Menge. Herrlich, aber leider zu kurz! (Samira Alinto / Stalker.cd)
OVERKILL (23:00 – 0:00, Hellfest Stage)
Mit OVERKILL verbindet mich so etwas wie eine Hassliebe. Gehören die ersten vier Scheiben der Buben um Fronter Blitz für mich zu den besten Thrash-Alben überhaupt, so kann ich mit sämtlichem Material was nach 1989 von OVERKILL kam, rein gar nichts mehr anfangen. So gesehen habe ich also Glück, denn mit „Rotten To The Core“, „Elimination“ und einigen anderen Hits aus der „guten alten Zeit“ entfachen die Herren ziemlich gute Stimmung bei mir und dem in nicht geringer Zahl anwesenden Publikum, während bei den „neueren“ Stücken die Reaktionen des Publikums etwas verhaltener sind. Aber sei es drum, OVERKILL zeigen sich spielerisch von ihrer besten Seite und vielleicht kriegen die Jungs es ja auch auf Scheibe irgendwann nochmal hin, wieder völlig zu überzeugen. (Nightstalker)
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