Wacken Open Air
Der große Festivalbericht 2006
Konzertbericht
Berlin war die zweite Station der Wacken Roadshow-Tour 2006 mit solch großen Bands wie ENSIFERUM und ORPHANED LAND, sowie mit NOISE FOREST und SPELLBOUND, die vielleicht etwas weniger bekannt sind. Alles in allem ein schönes Package, auch ohne die Spaßkanonen von KNORKATOR, die am Anfang zwar angekündigt waren, jedoch das Billing schon frühzeitig verließen, weil, wie Sänger Stumpen mir zu berichten wusste, es für die Band „viel zu viel Blues dabei ist“. Was ebenfalls geändert wurde, war die Location. Vorgesehen war der Postbahnhof am Ostbahnhof, wo locker 1500 Leute reinpassen, stattdessen wurde das gemütliche Kato in X-Berg ausgesucht. Im Nachhinein eine weise Entscheidung, denn mit einem Fassungsvermögen von 400 bis 500 Mann war das Kato gerade mal zu drei Viertel voll – na gut für einen Mittwoch Abend war das schon ok.
Los ging es mit SPELLBOUND, die eine Art Deutsch-Thrash mit einigen Bay Area-Elementen spielten. Es wurde zwar souverän durchgezockt, doch die Leute schienen es eher passiv aufzunehmen – es lag sicherlich an den vielen Sitzmöglichkeiten in der Cafébar im angeschlossenen Nebenraum. Die Band überzeugte zwar mit relativ gutem Sound und Spielwut, doch meinereiner freute sich eher auf ENSIFERUM und ORPHANED LAND, sodass man das Geschehen auf und vor der Bühne eher marginal wahrnahm. Ein Mädel, anscheinend ein großer Fan der Band oder des Genres, bangte sich fast als einzige die Seele aus ihrem hübschen Leib. Überhaupt zeigten die Frauen an diesem Abend der männlichen Konzertbevölkerung, was Bangen überhaupt bedeutet. Mindestens zehn holde Weibsbilder, die im Rudel auf das Konzert kamen, dominierten die ersten zwei Reihen vor den Brettern, die die Welt bedeuten.
Danach folgte eine Ansage eines, ich möchte fast sagen, Moderators, der das Auditorium fragte, ob es denn schon wach sei. Auf jeden Fall eine witzige Idee, die Show mit einer Moderation etwas zu begleiten. Der Sprecher bat das Publikum die nächste Band des Abends zu begrüßen und wünschte den Anwesenden viel Spaß. Es kamen also NOISE FOREST auf die Bühne und spielten einen gemeinen Metalcore/Hardcore/Death Metal-Mix. Und wenn ich gemeiner Mix sage, dann meine ich einen „einfachen“ aber auch „fiesen“ Metalcore/..-Mix. Nach drei, vier Songs sagte man zu sich selber „So, jetzt reicht ’s aber langsam“, einfach weil das Gefühl aufkam, dass man immer und immer wieder den gleich Song zu hören kriegte. Sicherlich war das schön groovig und trat Arsch, aber irgendwann hatte man halt genug. Klar bin ich kein Fan des Genres, doch ich glaube, dass es nicht Wenigen genauso ging wie mir – es warteten halt alle entweder auf die Israelis oder die Finnen! Was allerdings erheiternd war, waren die halbnackten Derwische auf der Bühne. Meine Herren, wenn man nicht mit Muskeln gesegnet wurde, sondern miz musikalischem Talent, dann sollte man sich zwar auf der Bühne präsentieren, jedoch nicht mit nacktem Oberkörper! Einer dieser Derwische war der unscheinbare Gitarrist, der auf die Bühne kam und angefangen hat wie ein Löwe ins Mikro zu röhren – ich frage mich ehrlich, wo sich sein Resonanzkörper versteckt. Doch man soll ja Menschen nicht nach ihrem Äußeren einzuschätzen versuchen. Danach wurde noch etwas Publicity für die kommende Platte gemacht und ein Exemplar sofort an die besagte Bangerin (s.o.) verschenkt. Tja Einsatz zahlt sich halt aus.
Dann E-N-D-L-I-C-H besetzten die Israelis von ORPHANED LAND ihre Positionen an den Instrumenten auf der Bühne. Ich habe diese Band noch nie live gesehen und kannte nur sehr wenige Songs von ihnen, doch ich wurde irgendwann durch das Video zu „Norra El Norra (Entering The Ark)“ auf diese Exoten aufmerksam. Diese Mischung aus orientalischen Klängen und mal langsamen, mal schnellen Metal-Passagen beeindruckte mich aber dermaßen, dass ich dem Live-Auftritt der Jungs von ORPHANED LAND geradezu entgegenfieberte. Doch weil die Umbaupause davor so lang dauerte, war ich in einem fast schlafähnlichen Zustand, als die Band loslegte, doch plötzlich wurde ich aus dem Schlaf gerissen – sehr sanft und doch vehement. Die Jungs haben es einfach drauf! Die Spielfreude merkt man der Band einfach an und im Besonderen dem kurzhaarigen Lockenkopf von Gitarristen. Der Typ grinste von einem Ohr zum anderen und zwar den ganzen Gig über. Ein wirklich sympathischer Mensch. Und der Sänger riss die Zuhörerschaft auch an sich, jedoch nicht mit seinem Grinsen, sondern mit seinem ausdrucksstarken Gesang. Und aus seinem Gesicht konnte man jedes Gefühl ablesen. Seine Gesichtsausdruck war sozusagen die visuelle Umsetzung der Musik, die sie spielten. Er legte beim Singen sein ganzes Herz rein, wie es mir schien. In seinem Leinenponcho und mit seinen ausgebreiteten Armen sah er teilweise wie Jesus am Kreuz aus – der kurze Bart und die mittellangen Haare passen auf jeden Fall zu der Jesus-Vorstellung. Vorne, direkt an der Bühne stand ein Mädel mit eine israelischen Flagge und feuerte die Band an. Jedoch nicht nur sie, sondern wie es schien der ganze Saal. Es wurde auf geheißen des Sängers mitgeklatscht und mitgesprungen. Es war eine wunderbare Vorstellung, die alles andere im meinem Kopf einfach verdrängt hatte. Besonders in Erinnerung geblieben ist mir, wie der Sänger die ganze Zeit mit dem Mikroständer gespielt hat – mal hat er ihn angehoben und auf die Leute gezeigt, mal hat er einfach nur das Ding in die Luft gehalten. Solche Ablenkungen konnten aber nicht über die emotionale Tiefe und die gefühlsgeladene Stimmung im Saal hinweg täuschen. Und dann wurde auch mein „Lieblingssong“ „Norra El Norra (Entering The Ark)“ gespielt – und die Menge kochte. Es kam mir so vor, als ob die Leute ORPHANED LAND explizit mit diesem Song verbinden – jedenfalls tue ich das! Ich möchte mich hiermit bei der Band für diese grandiose und tiefgehende Live-Erfahrung bedanken und freue mich schon auf die bald anstehende Mini-Tour mit DARK SUNS, sollte sie denn irgendwann mal kommen.
Und danach waren natürlich die Headliner des Abends und die der Wacken Roadshow 2006 dran. ENSIFERUM war, glaube ich, der meistvertretene Bandname auf den Shirts der Anwesenden. Ich freute mich ehrlich die Finnen mal wieder live zu sehen, doch konnten sich überhaupt ihrer Vorband standhalten? Würde sich nicht im Glanz von ORPHANED LAND einfach verblassen? Gibt es überhaupt eine Steigerung zu den Israelis? Ja, die gab es! Wenn auch nur mit einer sehr knappen Führung. ENSIFERUM rocken einfach das Haus – da kann man halt nichts dagegen sagen. Hungerhaken und Sänger Petri Lindroos, der ebenfalls bei NORTHER seine Stimmenbänder schwingt, kam wie immer mit seinem Kuhhaut-Imitat-Cowboyhut auf dem Kopf auf die Bühne und die Band legte auch schon los. Den Anfang machte nach einem Intro der Song „White Storm“ von der neuen EP „Dragonheads“ bzw. von dem „Demo II (-99)“. Überhaupt wurde die neue EP zu zwei Dritteln durchgezockt, denn auch „Dragonheads“, „Warrior’s Quest“ und das AMORPHIS-Cover „Into Hiding“ wurden zum Besten gegeben. Von der „Iron“ gab es zum Glück nur den Titelsong und die damalige Single „Tale of Revenge“ – die „Iron“, war nicht soo schlecht, aber soo gut war sich dann doch auch wieder nicht!! Und das Schöne war, dass ENSIFERUM ganze fünf Songs von ihrem Debüt gespielt haben. Neben „Windrider“ und „Treacherous God“ wurden auch „Hero In A Dream“ und „Token Of Time” gespielt. Als Zugabe gab es dann den „Battle Song“ – das von mir so gewünschte Lied „Guardians Of Fate“ wurde natürlich nicht gespielt – das wäre echt das Sahnehäubchen an dem Abend geworden. Doch auch so war die Stimmung vor Ort ausgesprochen gut. Es wurde genauso mitgesungen, wie auch die Fäuste in die Luft gereckt wurden – die Leute feierten einfach. Einen Stagediver gab es auch – es war ein besoffener Mann Anfang dreißig. Er war so dermaßen zu, dass er gar nicht mher klar kam. Beim ersten Stagediving-Versuch kletterte er auf die Bühne, kippte rückwärts um und versuchte dabei sich am Mikroständer festzuhalten – dass das selbstverständlich misslang und dass er dem Zweitsänger fast den Mikroständer entriss, sollte hier nicht unerwähnt bleiben. Zudem landete er wenig sanft auf dem Rücken auf dem harten Boden. Es kam in diesem Moment keinem in den Sinn, den Armen Schluckspecht festzuhalten. Während der ganze Saal wie verrückt zu der geilen Musik von ENSIFERUM bangte, startete er einen zweiten Versuche und kam sogar zwei Meter weit, bis die Leute die Lust daran verloren, ihn hochzustemmen – wie ich bereits erwähnte standen überwiegend Frauen vorne. Was mir als ausgesprochen positiv auffiel, war der gute Sound an diesem Abend – ich habe die Finnen schon häufiger live gesehen, doch nie hatten sie wirklich guten Sound – doch das Kato bot anscheinend die perfekten Voraussetzungen. Wenn die Band beim nächsten Mal noch mehr altes Zeug spielen würden – ruhig auch mal die Demos, wäre das wirklich klasse – ansonsten gibt es nix zu meckern. Super Auftritt, super Stimmung, klasse Songauswahl!
Fazit: Rundum ein gelungener Appetizer für das kommende Wacken Open Air – schade nur, dass nur ORPHANED LAND dort vertreten sein werden und nicht auch noch ENSIFERUM!
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