Wacken Open Air
Der große Festivalbericht 2002
Konzertbericht
Samstag, der 03. August 2002
Von der fantastischen Red Aim Show am Vorabend zu einigem Alkoholgenuss verleitet, war ich gerade rechtzeitig zu Amon Amarth wieder auf dem Festivalgelände. Zu meiner Überraschung bemerkte ich, dass nicht nur Redaktionsmitglieder schon zu früher Stunde anwesend waren, sondern auch eine Unmenge an Fans, die es kaum erwarten konnten, die bombastischen Klänge der Masters of War zu hören. Doch zuerst zu
Stormwitch
Und wieder ein völlig unterbewerteter Klassiker! Unterbewertet von einem Veranstalter, der die Kultband Stormwitch auf einen der beschissensten Spielplätze, nämlich Samstag, 10:00 Uhr in der Früh, drückte! Unterbewertet aber auch, was die Fans angeht, die sich nur in recht kläglicher Zahl vor der Bühne einfanden (diesen Satz werde ich noch öfter wiederholen, glaubt mir!). Die Atmosphäre unter den anwesenden Frühaufstehern war dennoch ausgesprochen anregend. Die gute Morgenlaune ließ man sich so auch nicht durch ewiglange, völlig unangebrachte „Stimmungseinlagen“ des Frontmanns Mück vermiesen, der in bester Dickinson-Manier bestimmt 20 Prozent der ohnehin zu knappen Spielzeit von einer halben Stunde mit „faneinbindenden Gesangesübungen“ verplemperte. Diese eher peinliche Selbstbeweihräucherung war absolut unnötig und bestimmt nicht das, wofür sich alle Anwesenden so früh aus den Schlafsäcken geschält hatten. Durch unfreiwillige Slapstick-Einlagen und Stunts machte der Hexensänger diesen negativen Eindruck aber wieder wett (wer da war weiß, wovon ich spreche). Neben ein paar neuen Songs wie „Dance With The Witches“ konnte man Hymnen wie „Walpurgisnight“, „Stronger Than Heaven“ und „Ravenlord“ durchaus genießen. (DanDevil)
Criminal
Samstags morgens um 10:40 sollte es dann mit Criminal, Chiles Thrash-Ikonen, weitergehen. Zu meiner eigenen Überraschung fand sich auch schon ein ansehnlicher Haufen thrash-hungriger Metaljünger zu so früher Stunde vor der Bühne ein. Aber Respekt, wem Respekt gebührt. Schließlich stand mit Bandleader Anton Reisenegger (Ex-Pentagram) ein Begründer des internationalen Death-Metal-Undergrounds auf der Bühne. Gespannt durfte man sein, wie sich Criminal nach ihrem Umzug von Chile nach London und dem damit verbundenem Mitgliederwechsel präsentieren würden. Neu am Start waren Rob Eagelstone am Bass (Ex-Cradle of Filth), Zac O´Neil an den Drums (Ex-Extreme Noise Terror) und Marc Royce an den Klimpertasten. Die Keyboards kamen mir gleich ein wenig spanisch vor, und schon beim Opener „Chaos Theory“ wurde schnell klar, dass sich im Hause Criminal ein Stilwandel vollzogen hat. Nichtsdestotrotz zeigte sich die Band überraschend tight für ihr kurzes Bestehen in dieser Form. Nach dem etwas unthrashigeren Opener gab´s dann aber erstmal richtig eins auf die Glocken, und Criminal schlugen der Menge ein Thrashbrett nach dem anderen um die Ohren mit Songs wie „Cancer“, „Collide“, „Victimized“, „Slavemaster“ oder „El Azote“, dass es nur so knallte. Zu guter Letzt gab´s dann noch ein besonderes Leckerli für all die tapferen Frühaufsteher: Pentagrams „Demoniac Possession“ – absolutes Highlight, meiner Meinung nach, und leider auch schon das Ende des kurzen Auftritts. Nach diesem gelungenen Einstand in Wacken kann man Herrn Reisenegger und Co. nur viel Glück wünschen bei ihrem Bestreben, auch Europas Metalszene zu erobern. (Metal Inc.)
Amon Amarth
Warum in Gottes Namen spielen immer wieder solch hochkarätige Bands zu solch früher Uhrzeit? Naja, dies muss man wohl in Kauf nehmen. Nachdem es gestern schon Vomitory erwischt hatte, mussten heute die Schweden von AMON AMARTH zu unangemessen früher Stunde auf die Bretter. Los ging es stilgerecht mit „Masters Of War“. Aber irgendwie konnte sich dieser Killersong nicht richtig entfalten. Sind eigentlich alle Soundmischer Bass- oder Bass Drum-Fetischisten? Von den herrlichen Gitarrenriffs der Männer aus dem hohen Norden war nämlich nur verstärkt etwas zu vernehmen, wenn sich die Double Bass mal eine Pause gönnte. Ansonsten hatte wohl keine andere der auf dem diesjährigen Wacken aufgetretenen Bands solch einen derben Druck hinter der Schießbude, der alles andere, von Johan Heggs Gesang mal abgesehen, unterdrückte. Auch ein Ortswechsel von der linken Bühnenflanke direkt neben das Mischpult verschaffte da keine wirkliche Besserung, so dass man sich während des Gigs meist die Melodielinien dazudenken musste. Bei Leuten, die mit dem Material der Band vertraut sind, mag das noch geglückt sein. Aber was haben die gemacht, die mit AMON AMARTH noch nie konfrontiert worden sind? Nichtsdestotrotz war es recht voll, und so undifferenziert, wie der Sound war, fielen die Reaktionen gar nicht mal aus. Songs wie „Bleed For Ancient Gods“ oder „Bastards Of A Laying Breed“ haben einfach eine Klasse, die man nicht leugnen kann. Auch ein neuer Track (der Name ist mir leider entfallen) vom bald erscheinenden neuen Album „Versus The World“ wurde dargeboten und erntete warmen Applaus. Mit „Victorious March“ wurde dann nach 45 Minuten ein durchwachsener Gig beendet. Was bleibt, ist die Erinnerung an einen verdammt geilen Gig in der Offenbacher Hafenbahn (R.I.P.) Ende April und die Hoffnung auf einen besseren Sound bei dem in Kürze anstehenden Summer Breeze. (metalgreg)
Bezüglich des schwachen Sounds kann ich dem Kollegen teilweise beipflichten, doch muss ich erwähnen, das Amon Amarth sich mehr als gut geschlagen haben und den Fans genau das Brett geboten haben, wofür Hunderte ihre Knochen etwas zeitiger auf´s strohbedeckte Gelände geschleppt hatten. Ich kann mich nicht erinnern, dass sich zu dieser Uhrzeit in den letzten Jahren jemals eine so ansehnliche Publikumstraube um eine Bühne drängte.
Die Überleitung von „Gedränge“ zu Centre of Gravity fällt mir nun aber gar nicht einfach, da sich beides – zumindest auf W:O:A 2002 – auszuschließen schien. (RR) hat das reichhaltige Platzangebot im WET Tent genutzt und sich die Band etwas genauer angesehen.
Centre of Gravity
Der letzte Festivaltag sollte für uns mit „Centre of Gravity“, die weder mir noch dem Wacken Programmheft geläufig waren, beginnen. Erfreulicherweise war das WET Tent um diese frühe Uhrzeit noch erfrischend kühl, so dass man dem sich durch die Musik automatisch einstellenden Reflex, diesem Ort schleunigst den Rücken zu kehren, widerstand und sich vorsichtig zu den etwa 30 anwesenden Zuschauern gesellte. Die seit 1996 bestehende russische Band in klassischer 6er Formation versuchte sich an der 69. Version des langsam nervtötenden „Beauty & the Beast“ Konzeptes. Der lieblos hingeschmurgelte Gothic Metal, durchsetzt von einigen Death Attacken, sollte sich wohl grob an die frühe ToT anlehnen und konnte weder aus musikalischer noch aus technischer Sicht überzeugen. Sehr amüsant aber dann wieder das unfreiwillig komische – da sehr hölzern, an der Grenze zur Grobmotorik aufgeführte – Stageacting, was schon fast als Parodie auf etablierte Metalacts angesehen werden konnte. Zur Ehrenrettung der weit angereisten Band muß allerdings gesagt werden, dass deren Demo weitaus ansprechender rüberkommt, als die beim W:O:A gezeigte Vorstellung vermuten läßt. (RR)
Kalmah
Eher zufällig kam ich an diesem Mittag Schatten suchend am Wacken-Evolution-Tent vorbei, als das Quintett Kalmah bereits vor Beginn ihres Gigs das Zelt erstaunlich gut füllen konnte. Vor allem die recht positive Kritik meines Kollegen mf_greg bezüglich des zweiten Longplayers THEY WILL RETURN trieb mich an, die Finnen mal unter die Lupe zu nehmen, was ich im nachhinein alles andere als bereuen sollte. Das „Mischverhältnis“ zwischen dem Debütalbum SWAMPLORD und dem aktuellem Output lag bei exakt 1:3 und Songs wie „Hollow Heart“, „Swamphell“ und „They Will Return“ rockten ordentlich, was das Publikum entsprechend zu honorieren wusste. Den Spaß, den die Jungs an diesem Mittag hatten, konnte man ihnen unschwer ansehen, und so war ich nach diesem äußert gelungenen Gig einmal mehr überrascht, warum manche Bands nicht über Vergleiche mit anderen Acts hinauskommen, denn der Name Children of Bodom ist wohl selten so häufig in einem Zusammenhang mit einer anderen Band gefallen wie bei Kalmah. Letztere hingegen haben das Niveau ihrer offensichtlichen musikalischen Vorbilder längst erreicht – zumindest, wenn man die Mehrzahl der bei diesem Gig Anwesenden als Referenz heranzieht. (Azazel)
Nuclear Assault
Die erste Schlacht des Tages für den fast vergessenen Thrash-Metal würden Nuclear Assault schlagen müssen. Ihre Mitstreiter waren eine erschreckend kleine Schar kultorientierter Metaller, die sich mit mir um 15:00 Uhr vor der True-Metal-Stage versammelt hatten. Gleich zu Beginn des Auftritts stößt mir der Sound bitter auf, denn der Gesang ist viel zu laut und hinter den übermächtigen Drums kaum zu orten. Naja, und dann kommt noch die geringe Menge Atmosphäre durch fehlende Abfeierungen der zahlreichen Klassiker seitens der Fans dazu. Somit hatte ich zwar mein Minimalziel ereicht, Nuclear Assault livehaftig erleben zu dürfen, jedoch konnten mich unter diesen Rahmenbedingungen selbst Songs wie „Betrayer“, „New Song“ und „Trail Of Tears“ nicht gänzlich beglücken, was aber nicht an der Leistung der Band selbst lag. (DanDevil)
Hollenthon
Nach kurzer Umbaupause folgte schon der nächste interessante Gig auf der WET Stage in Form von Hollenthon, dem Nebenprojekt von Pungent Stench Frontmann Martin Schirenc. WITH VILEST OF WORMS TO DWELL, das Zweitwerk, welches vergangenes Jahr, knapp zwei Jahre nach dem Debüt DOMUS MUNDI veröffentlicht wurde, sorgte völlig zurecht für einiges Aufsehen, und so verwunderte es mich nicht, dass die WET Stage, oder besser gesagt, das Zelt, in der sich jene befand, zum Bersten gefüllt war, als Hollenthon die Bühne enterte. Bereits der Opener „Fire upon the Blade“ animierte die Massen, Hollenthon, wie auch Pungent Stench am Vorabend, gebührend zu feiern und das Zelt zum Kochen zu bringen. Es folgten mit „Woe to the Defeated“, „Y Draig Goch“ und „To kingdom come“ vier Songs vom letztjährigen Output, sowie „Homage magni nominis umbra“ und „Vestige non omnis moriar“, welche das Debüt repräsentierten. Den Abschluss dieses ausgezeichneten Auftritts, der leider einmal mehr viel zu kurz ausfiel, bildete „Conspirator“, und meine anfängliche Sorge, wie Hollenthon live on Stage mit Chören und Synthesizer aus der Konserve wohl rüberkommen würden, war nach dieser beeindruckenden Show wie weggewischt. Für mich ganz klar einer der Gewinner dieses Wacken-Open-Airs! (Azazel)
Ausgerechnet unser Black Metal Kostverächter Metalgreg hielt am frühen Samstag nachmittag das grimmige Fähnchen hoch und machte sich auf zur Black Stage, wo Abbath mit seinen geschminkten Kumpanen das Publikum beschallte. Mir persönlich erschien es etwas mühsam, dem kompletten Immortal Gig beizuwohnen, da sich der Auftritt – soweit ich das anhand der 3 Songs, die ich sah, sagen kann – nun so gar nicht vom letztjährigen Auftritt unterschied.
Immortal
Kann sich noch irgendeiner an den IMMORTAL-Gig auf dem letztjährigen Summer Breeze erinnern? Die Band wird es mit Sicherheit schon längst verdrängt haben und auch meinereiner gibt sich Mühe, da besagtes Konzert wohl zum schlechtesten gehört, was mir in den letzten Jahren untergekommen ist. Immerhin konnten sich Abbath und Co. bei den diesjährigen No Mercy-Festivals wieder einigermaßen rehabilitieren. Doch wie sollte es heute laufen? Um eines vorwegzunehmen: IMMORTAL sind wohl wirklich keine Festivalband. Natürlich war es nicht so grottig, wie bei oben erwähntem Gig, aber richtig frostige, nordische Kälte wollte auch in Wacken anno 2002 nicht aufkommen, denn der Sound ließ wieder mal einiges zu wünschen übrig. Die Gitarrenklänge wurden teils verweht, teils waren sie einfach zu drucklos. Einzig Horghs fette Double Bass knallte einem bei Highspeedkrachern wie „One By One“ oder „Sons Of Northern Darkness“ derb in die Magengegend. Die stärksten Momente hatten die drei Nordmänner bei schleppenderen Stücken wie „Damned In Black“ oder dem immer wieder gern gehörten Banger „Tyrants“, bei denen die Anzahl der fliegenden Matten ohne Zweifel am höchsten war. Trotzdem möchte ich nicht wissen, wie Abbath und seine Mitstreiter nach dem Gig ausgesehen haben. Die obligatorische Schminke, der Schweiß und die nicht zu verachtende Außentemperatur haben mit Sicherheit noch nie dagewesene Muster zum Vorschein gebracht. Somit ist dieser Auftritt auch eher in die Kategorie „durchwachsen“ einzuordnen, zumal ich als Zugabe „Blashyrkh“ sehnlichst vermisst habe. Noch eine kleine Anekdote am Rande: Abbath hatte ja schon immer den Ruf eines verkappten Rockstars. Diesem wurde er auch in Wacken einmal mehr gerecht, ließ er doch alle vereinbarten Interviewtermine, außer den mit MTV Italien, platzen. (Metalgreg)
Exodus
Von Rock-Hard-Chefredakteur Kühnemund vollmundig angepriesen waren die Erwartungen an die legendären Bay-Area-Thrasher Exodus, sicher nicht nur bei mir, gigantisch. Würde es gelingen, den Verlust von Ex-Frontman Baloff zu überspielen und eine Show abzuliefern, die dem Andenken des genialsten Schreihalses der Thrash-Geschichte gerecht werden würde? Würde der Sound klarer und der Gig somit besser zu genießen sein als beim geschundenen Vorgänger Nuclear Assault? Nun, die gesteigerte Anzahl der bangwilligen Metaller vor der Bühne und die „spezielle“ Ansage der Band hätten dies nahegelegt, jedoch war die Enttäuschung relativ groß, als Exodus dann in einem Sound zu spielen anfingen, der es schwerlich möglich machte, überhaupt zu verstehen, welcher Song gerade zum Besten gegeben wurde. Nach einem kurzen Standortwechsel meinerseits verbesserte sich die akustische Situation zwar ein wenig, aber für eine Band wie Exodus hätte ich mir, wenn schon keine Spielzeit zur Primetime drin war, doch wenigstens einen standesgemäßen Headliner-Soundcheck gewünscht. Naja, wenn das Label nicht genug Kohle abdrückt… ihr kennt die Geschichte. Die Songauswahl konnte eigentlich zufriedenstellen, auch wenn vielfach Klassiker wie „Deliver Us To Evil“ schmerzlich vermißt wurden. Aber sei es drum, man konnte sich doch an Evergreens der Marke „Piranha, „Bonded By Blood“ „And Then There Where None“ ergötzen, die mit einigen neueren Stücken wie „Toxic Waltz“ aufgelockert wurden. Alles in allem ein würdiger, wenn auch nicht gerade legendärer Auftritt der Thrash-Götter.
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