Wacken Open Air
Der große Festivalbericht 2002
Konzertbericht
Tja, nun war es an der Zeit, den Finnen von Children of Bodom einen Besuch abzustatten. Eigentlich wollte ja ein Kollege seine Impressionen des Gigs an dieser Stelle zum Besten geben, doch irgendwie kam ihm da etwas dazwischen. Doch da ich mir den Auftritt aus reiner Neugier für ein paar Songs angesehen habe, versuche ich meinen Eindruck davon weiterzugeben. Zuerst hatte es mich ja ein wenig verwundert, das Children of Bodom einen dermaßen interessanten Platz in der Running Order zugestanden bekommen hat; doch die anströmende Menschenmasse machte mir schnell klar, dass sich die (einst) innovativen Musiker aus dem hohen Norden zu wahren Publikumsmagneten gemausert haben. Die guten Clubgigs der letzten Jahre noch im Hinterkopf machte ich mich daran, einen halbwegs zentralen Platz in der Menge zu bekommen, was ich allerdings schnell bereute, als mir die Songs entgegenschallten. Soweit ich mich erinnern kann, ließen die Jungs ihren Auftritt mit einem Stück ihres zweiten Longplayers beginnen, um hernach einen soliden Querschnitt aus der mittleren bis neueren Schaffenperiode folgen zu lassen. Klänge ihres Debutalbums wurden nicht allzu oft angespielt, zumindest schien es mir so; es war mir zu dem Zeitpunkt aber auch schon fast gleich, was die Finnen da abzogen, da ich von ihrem Posing und vor allem von der enttäuschenden Interpretation ihrer eigenen Stücke enttäuscht war. Hatte ich Children of Bodom sowohl auf CD als auch in Clubgigs als düster räudigen Schweden Metal mit faszinierenden Keyboardmelodien in guter Erinnerung, so erfüllten sich auf dem W:O:A meine Befürchtungen in Form von Heavy Metal lastigen Gesängen und einem piepsigen Keyboardsound. Der Aufritt endete für mich kurz nachdem Alexi, der an diesem Abend alles andere als zurückhaltend und wortarm war, den neuen CoB Song ansagte. Anhand eines Liveeindrucks möchte ich keine voreiligen Schlüsse ziehen, doch war mir die zahnlose Melange aus Power Metal und ausladenden Keys dann doch etwas zuviel. Für mich ganz klar ein enttäuschender Gig der jungen Finnen; doch ich bin mir sicher, dass etliche Fans – vor allem jene, die eher dem neuen Material zugetan sind – sich vorzüglich amüsiert haben. Mein recht früher Abgang von der Black Stage verschaffte mir die Zeit, mich mit ausreichend Getränken zu versorgen, um die nun folgenden Minuten vor der Party Stage ungestört verweilen zu können. Es grenzte ja schon fast an Hohn, dass ausgerechnet die tiefsinnigeste und melancholischste Band des Festivals auf der Party Stage spielen musste, aber im Nachhinein war diese Wahl nicht die schlechteste. Während JBO mit ihrer Spaßfraktion weit entfernt aufspielten, bot sich mir mit My Dying Bride der überragendste Gig dieser drei Tage dar. (RR) versuchte, den Auftritt in Worte zu fassen.
My Dying Bride
Freitag, 01/08/02. Wacken Partystage. 10,788te Reihe. Eine Gruppe vom Zeitplan verwirrter Torfrock Fans, die auf Ihre Heroen warteten, mit leichtem Missmut in der Stimme: „Sach ma, wer spieltn jetzt hier?“ – „My Dying Bride“ – „Hrmpf, Deprimucke. Damit kann man ja überhaupt nix anfangen.“ Damit war der Smalltalk auch schon wieder beendet; worüber ich froh war, um mich weiterhin mit meiner Erwartungshaltung auseinandersetzen zu können. Ein kurzer Blick auf die Leute um mich herum. So viel Publikum hier? Zweifel keimten auf, ob die Intensität dieser Band nicht in der anwesenden Menschenmasse untergehen würde, und ich wünschte mir sehnlichst, der MDB Gig möge in einem intimeren Rahmen, analog dem überragenden Dynamo 95 Ereignis, beispielsweise im Zelt stattfinden. Eine morbide Version des Standard „Wedding March“, zu dem die Doom-Death Götter die Bühne betraten, riß mich aus meinen Überlegungen, um gleich darauf bei ihrem ersten Song „My Hope The Destroyer“ in wonniger Melancholie zu versinken, die wahrlich keinen Raum mehr für etwaige Skepsis duldete. Die schwermütig-fragilen Soundgebilde, die mitreißenden Blastparts wurden in einer geradezu unheimlich eindrücklichen Intensität dargeboten, zu der die stimmungsvolle Beleuchtung auf der Bühne, in der MDB mit ihrem Stageacting wie Boten des Doomsday wirkten, ihr übriges beitrug.
Die Bandbreite der Reaktionen auf die nächsten Songs, „The Raven and the Rose“ sowie „Under your Wings…“ von Seiten der Fans reichte vom meditativen „SlowMo Banging“ bis hin zum ausgewachsenen Moshen, während in den Pausen zwischen den Songs ausdauernd der Hook Riff von „The Cry of Mankind“ angesungen wurde. Als sich MDB nach ihrem Klassiker „Turn loose the Swans“ (währenddessen übrigens der Marshall Amp von Hamish seinen Dienst quittierte) schließlich „The Cry…“ zuwandten, gab es zumindest im vorderen Drittel des Publikums kein Halten mehr. Vor annähernd hohem Stimmungsniveau wurde von MDB „She is the dark“ sowie „A Kiss to remember“ zelebriert, bevor sie sich mit einem fulminanten „The Dreadfull hours“ von den glücklichen Wacken Besuchern verabschiedeten. Viele Leute blieben nach dem grandiosen Ereignis mit einem verzückten Lächeln im Gesicht und Glitzern in den Augen stehen und starrten noch einige Zeit auf die Bühne – darunter auch die Torfrock Anhänger neben mir. Dass der eigentlich geplante Abschlusssong „The Fever Sea“ mangels Zeit nicht mehr gespielt werden konnte, verschwand bei einem Konzert dieser Klasse dann wirklich in der Bedeutungslosigkeit. (RR)
In Extremo
Die dem MDB Gig eigentlich angemessene Reflektionsphase unter Zuhilfenahme einer nicht unwesentlichen Menge an Rotwein mußte in Ermangelung des roten Rebensaftes und aufgrund des anstehenden In Extremo Auftrittes leider drastisch verkürzt ausfallen. Nach einem kurzen Kompensationsbesuch beim Wikingerblutstand befand man sich dann vor der gut gefüllten Black Metal Stage, auf der In Extremo mittlerweile im letzten Drittel ihres Sets angekommen sind. Auf musikalisch ansprechendem Niveau wurden die vorzugsweise neueren Songs, eingerahmt in der bekannten „In Extremo“ Bühnenshow, vorgetragen. Die drei akustischen Musiker mit ihren selbsthergestellten Instrumenten, wie Dudelsack und Schallmeyen, wirbelten in einer mitreißenden Choreographie über die Bühne, die Gitarren versteckten sich bei diesem Auftritt außnahmsweise mal nicht im Hintergrund, der Sänger „Das letzte Einhorn“ beeindruckte durch seine stimmliche Präsenz, und darüberhinaus wurde wohl ein Pyromane für die SpecialFX angeheuert, da hier einiges an Bühnenfeuerwerk abfackelte. An dem, was die Mittelalter Crossover Jungs auf der Bühne ablieferten, gab es nichts auszusetzen – allerdings konnte ich auch kein absolutes Highlight ausmachen. Die Aufführung der Tournee-Hochleistungssportler wirkte einfach zu routiniert; ohne den Charme zu entwickeln, der sich bei den Konzerten in den letzten Jahren immer einstellte. Nun denn, zumindest waren, dem frenetischen Applaus nach zu urteilen, ein Großteil der Zuschauer von diesem Konzert sehr begeistert. (RR)
Red Aim
Als Red Aim die Partystage betraten, war es schon stark nach 2 Uhr morgens, tierisch kalt und, vermutlich aus eben diesen Umständen, nur sehr wenig Publikum vor der Bühne. Die Saartanic Cluttydogs schien das nicht sehr zu bekümmern, zeigten sie doch gleich beim ersten Stück „Sandokan“, welche Richtung ihr W:O:A Auftritt nehmen sollte: Rock bis zum Anschlag. Ihre Songs, von älteren, wüstentrockenen Stonerrock Stücken wie „Beach Polyp“ zu dem W:O:A kompatiblen Maiden Cover „The Trooper“ bis hin zu den neueren, mehr Rock´n´Roll betonten Songs, wurden energiegeladen und treibend in Szene gesetzt. Während des kompletten Gigs absolvierten die 5 Jungs der „Roger´s Electronic Dildo Anal Intruder Machine“ ein Poser Pensum ohne Gleichen: Der etwas beleibte Sänger „Dr. Don Rogers“ beanspruchte für seine Performance die komplette Bühnenbreite, veranlasste bei „Aroma“ das Publikum zum kollektiven Achselschnuppern, verteilte Bananen als Motivationshäppchen und formte die Besucher zu einer „Metal-Polonnaise“; Keyboarder „Ray Kitzler“ stellte jeden Volksfest Alleinunterhalter in den Schatten, war sehr kleidsam mit „Michael Knight“ Perücke und Brille ausgestattet; ja, und von dem Coolnessfaktor der Gitarrenfraktion, namentlich „BB Foxworth“ sowie „El Davide“, würde sich „Oscar-Hammerfall-Dronjak“ wohl gerne eine Scheibe abschneiden. Ohne Zweifel, wer es bei Red Aim vorzog, in oder evt. auch vor seinem Zelt zu liegen, hat das ganz große Partyerlebnis auf dem diesjährigen W:O:A verpasst. (RR)
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