Wacken Open Air 2024
Der große Festivalbericht
Konzertbericht
Nach einer zehnstündigen Anreise mit einem Weird-Moment bei der Ausleihe eines Camper-Vans im äußeren Gürtel der Hamburger Innenstadt, ist der Dienstagabend schon sehr weit fortgeschritten, als wir unser Fahrzeug endlich auf Bauer Uwes Garten steuern können. Die Verleiherin des Mietgefährtes erklärte zuvor nach eigener Aussage geduldig zum mittlerweile fünfzehnten Mal an diesem Tag die Funktionsweise der verschiedenen Wägen und eine gleichzeitig anwesende Gruppe augenscheinlich südamerikanischer Wacken-Fahrer erkundigte sich nach dem Füllstand der Auffangkassette für Exkremente. Seis drum, denn am Mittwoch kann es dann auch mit dem Wichtigsten losgehen: Der Musik.
Doch auch hier vergeht noch einige Zeit, bis sich der junge schottische Einzelkämpfer James McBain auf der Wasteland Stage einfindet. Natürlich ist der 29-Jährige mit seinem Projekt HELLRIPPER nicht allein, sondern hat sich mit Clark Core (Bass), Max Southall (Drums) und Joseph Quinlan (Gitarre) noch ein paar Mitstreiter gesucht, die derzeit etliche Konzert- und Festivalbühnen abklappern. Und so purzeln nach dem ersten Song und dem nachfolgend von vielen Anwesenden mitgegrölten „Hells Rock’n’Roll“ die Steine hinsichtlich der eigenen Erwartungshaltung, denn der häufig chaotisch vorpreschende Black-/Speed Metal des Briten geht keineswegs in spürbarer Routine auf. Auch wenn sich die meisten Gäste gerade offensichtlich an anderen Stellen des Geländes aufhalten, wird der Circle Pit mit fortschreitender Spielzeit immer massiver, während McBain und seine Mannen ungezügelt vorpreschen.
Eigentlich unterwegs für eine Portion Thrash Metal stolpern wir bei der W.E.T.-Stage über Metalcore aus Tel Aviv. WALKWAYS nutzen ihren vorabendlichen Slot trotz der Kürze aus, um sich in bester Qualität zu präsentieren. Direkt werden die Wacken-Besucher hellhörig und bleiben interessiert stehen, sodass sich nach wenigen Minuten eine ordentliche Masse bildet, die zu dem Mix aus Cleangesang und Growls andächtig mitnickt. Nach der Metalcore -Klatsche geht es auf der Headbangers-Stage im Anschluss direkt weiter mit handgemachtem Thrash.
Handmade-Thrash versus AI
Denn, wenn künstliche Intelligenz auch in der Musikbranche Überhand nimmt, wenn man das Gefühl hat, dass man nur ein Programm mit ein paar Tönen und Texten füttern muss, um einen Song zu bauen; wenn zu solchen Zeiten und zur besten Sendezeit gegen 21 Uhr auf der Headbangers-Stage DRONE auf der Bühne stehen und vorgenannte „wenns“ einfach mal mit true Thrash Metal roh und ungekünstelt aushebeln, dann weiß man, dass ehrlich und direkt in die Fresse offensichtlich das Beste ist. Die Setlist von DRONE zieht nämlich ab Sekunde eins ordentlich alle Sitzgurte fest und bringt die Nackenmuskulaturen vor der Bühne amtlich unter Anspannung.
Crowdsurfing und ein sich über die gesamte Show anmutig drehender Circle Pit sind die Kirsche auf der Sahne und die Band kann es fast selbst nicht glauben, stehe man doch hier nicht mit einem frisch erschienenen Album auf der Bühne. Nichts Freshes auf dem Markt, aber dafür haben Fronter Mutz und seine Crew hier die Fäden fest in der Hand und zaubern ein leckeres Thrash Metal- Ballett auf die Bretter. Hier geht’s 45 Minuten lang um gnadenlos, ehrliche Bambule. Mit „Hammered, Fucked and Boozed!“ scheppern sich DRONE in den Feierabend und die letzten Crowdsurfer lassen sich zur untergehenden Sonne über die Hände tragen. Feine Sache! Und zu Zeiten von KI/ AI braucht es am Ende manchmal einfach nur : True Thrash Shit!
Tanz und Gesang zum Abschluss
Nach dem Bühnenwechsel dauert es nicht mehr lange, bis das Intro der deutschen Mittelalter-Rocker IN EXTREMO erklingt, die an diesem ersten offiziellen Festivaltag die Headlinerposition übernehmen. Als insgesamt erfolgreichste Formation dieses Bereiches, agiert die Band um Frontmann Michael Robert Rhein immer noch in jeder Hinsicht energiegeladen und schafft mit ihren markanten Songs eine direkte Verbindung zum prall gefüllten Infield. Neben einigen mitsingbaren Klassikern wie „Vollmond“ oder „Küss Mich“, dem vereinzelte Zuschauer auch Taten folgen lassen, kommt auch der bereits bekannte Titeltrack des kommenden Albums „Wolkenschieber“ zur Präsentation. Kurz nach der Mitte des Sets holen sich IN EXTREMO mit Björn Both (SANTIANO) Verstärkung, um mit „Unser Lied“ einen weiteren brandneuen Track zum Besten zu geben. Im Anschluss folgen noch weitere Erfolgsgaranten wie der Gassenhauer „Sternhagelvoll“ oder der tanzbare „Spielmannsfluch“, bei dem das Publikum noch einmal die letzten Energien mobilisiert.
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