Wacken Open Air
Der große Festivalbericht 2019
Konzertbericht
Samstag, 03.08.2019
SUBWAY TO SALLY
Mit SUBWAY TO SALLY startet der letzte Tag auf der Harder Stage erneut überaus ambitioniert, weist die Band doch mittlerweile eine fast dreißigjährige Bandgeschichte vor. Dementsprechend ist das Infield bereits bei feinster Mittagssonne prall gefüllt. Trotz einiger neuer Stücke vom aktuellen Album „Hey!“ zeigen sich viele Fans äußerst textsicher und noch gut bei Stimme. Sänger Eric Fish dirigiert die Menge gekonnt durch den Auftritt der Potsdamer und bittet zum Ende des Sets darum, dass „der letzte zum Schluss die Lichter ausmacht“. Kenner der Band brechen direkt in Jubel aus, da sie wissen, dass mit „Ausgeträumt“ nun ein weiterer Song folgen wird, andere weniger mit dem Backkatalog der Band vertraute Anwesende schauen sich anfangs verwirrt an. Anschließend stellt die Band nach der gemeinsamen Verbeugung fest, dass noch vier Minuten Spielzeit verbleiben. Ausreichend Zeit also, um traditionell einen möglichst lauten Schrei vom Publikum einzufordern und mit „Grausame Schwester“ eine Zugabe nachzulegen, welche das Infield zu einem Meer aus Händen verwandelt.
BATTLE BEAST
BATTLE BEAST sind nicht die Band der Stunde, aber definitiv in vieler Munde. Fast schon komisch, dass die Finnen so früh eingeplant wurden. Vor und neben der Bühne stehen, sitzen und liegen etliche Menschen. Nach „Unbroken“, dem Opener des aktuellen Albums „No More Hollywood Endings“, schmettert Sängerin Noora Louhimo einen der klebrigsten Ohrwürmer ins Rund („Familiar Hell“). Das Teil ist einfach perfekt zum Mitsingen, verdeutlicht aber auch, dass es bei BATTLE BEAST selten um die Instrumente geht – in dem Bereich liefern die Symphonic-Metaller Standard. Was Louhimo aus ihren Stimmbändern holt, ist hingegen beeindruckend. Wer sich darauf einlässt, dass der Fokus auf Gesang und Hooklines liegt, kann durchaus Spaß haben. Sogar mit Liedern wie „Endless Summer“, die eine noch stärkere Schlager-Ausrichtung als SABATON haben.
Tausende Hände schwingen und klatschen im Takt und … wieso ist da ein Typ mit einer Melone auf dem Kopf? Wie dem auch sei. Es entsteht eine große Party, und die Band ist agil und sichtbar dankbar für die positiven Reaktionen. Irgendwie sind BATTLE BEAST wie „EPICA auf Ballermann“, was vermutlich negativer klingt, als es gemeint ist. Es werden keine Namen genannt, doch aus sicherer Quelle wissen wir, dass auch der Fuß eines Black-Metal-Hörers wippt. Bitte nicht weitersagen. Zum Auftakt von „Bastard Son Of Odin“ zocken sie AMON AMARTH an, bevor die elektronischen Klänge des eigenen Songs einsetzen. Den größten Fauxpas leistet sich Bassist Eero Sipilä, der die Vermutung aufstellt, dass Beck’s das beste Bier sei. Und alle: Buuuh! Liebes Wacken, ihr wollt die Fans doch wieder mehr einbinden … über den Bier-Hauptsponsor könntet ihr nachdenken.
Galerie mit 20 Bildern: Battle Beast - Wacken Open Air 2019KVELERTAK
Einen weiteren Energie-Boost liefern KVELERTAK auf der Louder Stage. Wer die Jungs aus Norwegen und deren energiegeladenen Punk Rock mit zahlreichen Metal-Einflüssen kennt, weiß, dass bei ihnen definitiv Ausnahmezustand angesagt ist. Die Vorfreude ist auch den bereits Anwesenden anzumerken bzw. anzusehen: Zahlreiche Shirts der Band im markanten Eulen-Design und sogar nackte Brüste, deren Zentrum lediglich durch kleine norwegische Flaggen verdeckt wird, sprechen eine deutliche Sprache. Als die Band nach einem etwas lahm daherkommenden Intro endlich losbrettert, gibt es kein Halten mehr: Der Pit rotiert ohne Ende und auch die Band setzt alles auf eine Karte.
Eine ein paar Meter durch die Luft fliegende Gitarre stellt hier keine Seltenheit dar. Sänger Ivar Nikolaisen ist erst letztes Jahr neu zur Band gestoßen, brauch passenderweise aber auch keine Aufwärmphase. Bereits nach den ersten beiden Songs „Åpenbaring“ und „Bruane Brenn“ hält ihn nichts mehr auf der Bühne und es folgt das erste Bad in der Menge. Auch das Mikro fliegt mehr als einmal durch die Gegend, ehe es als Lasso herhält und nur knapp über den Köpfen der ersten Reihen kreist. Unbedingt hervorzuheben ist, dass KVELERTAK nicht nur showtechnisch überzeugen, sondern auch musikalisch derbe abliefern. Dass aber beides gleichzeitig funktioniert, beweist die Saitenfraktion, die ebenfalls mehrfach crowdsurfen ist und dabei sogar teilweise Soli abliefert. Bärenstarker Auftritt!
THE VINTAGE CARAVAN
In wie vielen Genres Island inzwischen bärenstarke Bands offeriert, ist faszinierend. Eine davon sind zweifellos THE VINTAGE CARAVAN. Die Retro-Rocker haben eine ganz eigene Atmosphäre und verströmen live vor allem eines: gute Laune. Diese Eigenschaft zeigt das Trio auch heute auf der W:E:T-Stage. Voll motiviert und mit kurzen Ansagen garniert liefern die Isländer ihre Mischung aus Classic Rock, einigen Metal-Einflüssen und einer gehörigen Spur Psychedlic. Großes Posen ist ebenso wenig ihr Ding wie eine arrogante Haltung. Stattdessen steht ihnen die Freude über den großen Andrang an diesem Vormittag ins Gesicht geschrieben. Lächelnd einen Song wie „On The Run“ zu performen, mag bei einigen Bands vielleicht nicht funktionieren, aber hier und heute wirkt es einfach sympathisch, ehrlich und bodenständig. THE VINTAGE CARAVAN machen sich heute wohl nur Freunde.
OF MICE & MEN
Wenn du für den Bruchteil einer Sekunde den Boden unter den Füßen verlierst, im grellen Sonnenlicht nur noch Musik siehst und dich selbst zurück in deinen besten Jahren – der Pubertät. Wenn dein Nacken bei jedem Breakdown Richtung Knie zieht und ein Feuerwerk aus Endorphinen im Bauch zündet. Wenn es dir ganz egal ist, ob du topless umher springst und dir dabei die Shorts rutschen und wenn du einfach nicht anders kannst als hemmungslos zu tanzen, Luftgitarre zu spielen und mitzusingen, dann bist du auf einem erstklassigen Metal Core Konzert. So oder so ähnlich ergeht es einigen bei der Show von OF MICE AND MEN. Es fliegen Haare, Caps und Fäuste, während die Gruppe um Aaron Pauley die Menge mit emotionalem Metal versorgt, der zeitweise an die Hochphase von Billy Talent und Co. erinnert. Mit viel Gefühl schreit Pauley selbst angestauten Frust, Leid und alles dazwischen hinaus und erreicht damit einige Herzen, die sich im Circle Pit vor der Bühne austoben. Der Rest der Versammelten lässt es etwas ruhiger angehen und doch zieht sich ein einheitliches energisches Kopfnicken bis zu den hintersten Plätzen. Mit dem Song “Earth and Sky“ geben die Kalifornier zudem schon mal einen Vorgeschmack zum kommenden gleichnamigen Album, das im September erscheinen soll. Von Anfang bis Ende schenken OF MICE AND MEN Wacken ein richtig gutes Konzert!
Galerie mit 23 Bildern: Of Mice & Men - Wacken Open Air 2019PROPHETS OF RAGE
Nachdem bereits am Vortag BODY COUNT die Harder Stage zerpflückt haben, nehmen sich am letzten Tag des Wacken 2019 die PROPHETS OF RAGE die Faster Stage vor, um diese ebenfalls mit einigen Hip-Hop-Elementen zu beglücken. Ein Blick auf die weiteren Bands der beteiligten Musiker zeigt die Marschrichtung der US-amerikanischen Crossover-Band bestens auf. Das Fundament der Songs liefert Tom Morello (RAGE AGAINST THE MACHINE), der anscheinend über eine bestens gehütete Quelle an eingängigen Monsterriffs verfügt und nebenbei noch auf seiner Gitarre für Nächstenliebe wirbt (das Instrument trägt die Aufschrift „warm the homeless“). Die Rhythmusfraktion (Schlagzeug und Bass) setzt sich ebenfalls aus Musikern der Crossover-Veteranen zusammen, wohingegen PUBLIC-ENEMY-Rapper Chuck D sowie CYPRESS-HILL-Rapper B-Real die Hip-Hop-Komponente liefern und fertig ist ein mehr als schlagfertiger Hybrid.
Zwar präsentiert die Supergroup live derzeit vornehmlich Songs der Stammbands in neuem Gewand (u.a. „Prophets Of Rage“, „Testify“, „How I Could Just Kill A Man“), was der Stimmung jedoch keinen Abbruch tut. Ganz im Gegenteil sorgen die im Medley dargebotenen CYPRESS-HILL-Hits „Insane In The Brain“ und „Jump Around“ wohl für einen der skurrilsten Momente auf dem Wacken 2019, als sich fast das gesamte Infield in diversen Rap-Gesten übt. Mit den neuen bandeigenen Songs „Unfuck The World“, „Heart Afire“ und „Living On The 110“ wird die abwechslungsreiche Setlist abgerundet, sodass am Ende ein mehr als unterhaltsamer Auftritt über den Acker gefegt ist.
URIAH HEEP
Groovy geht es bei der dreiviertelstündigen Show von URIAH HEEP zu. Die älteren Herrschaften sind gut drauf und schicken alle Beteiligten im Handumdrehen zurück in die 70er Jahre. Um den Zeitunterschied von immerhin fast 50 Jahren nicht zu extrem zu gestalten, gibt es zum Einstieg zunächst “Grazed by Heaven“ von ihrem jüngsten Album ‘Living the Dream‘ aus 2018. Passend dazu prangt ein Banner mit blauem Mond über der Bühne. Etwas später folgen einzigartige Klassiker wie “Gypsy“ und “Lady in Black“. Der gesamte Platz vor der Louder Stage scheint so überfüllt, dass sich in den hinteren Reihen auf Zehenspitzen gestellt und auf fremde Füße getreten wird. Und das nicht ohne Grund; wie von selbst gleiten die knotigen Hände über Hammondorgel und Gitarre und lassen alle Versammelten zu feinstem Psychedelic Rock dahinschmelzen. Einige Zuhörer nutzen die mitunter sehr langen Instrumentalstrecken, um in Erinnerungen zu schwelgen. Den ein oder anderen spielen URIAH HEEP damit sicherlich in einen angenehmen Trancezustand und versprühen nicht zuletzt mit einem Lächeln in ihren Gesichtern Sympathie und Flower Power.
PRIMORDIAL
PRIMORDIAL sind live meistens eine Macht. Die Instrumentalfraktion agiert im Vergleich zum dynamischen Sänger sehr zurückhaltend, aber jederzeit en point, während Alan Averill aka A.A. Nemtheanga den Showmaster mit Corpsepaint gibt – ganz positiv gemeint, denn der Mann gehört zu den besten Frontern im Metal. So viel vorweg: All das trifft auch heute zu, dennoch will der Funke nicht ganz überspringen.
Der Reihe nach: PRIMORDIAL werden vom Moderator des Metal Battle angekündigt, weil Alan die Co-Moderation übernommen hat. Los geht’s mit einem epischen Intro, bevor „Where Greater Men Have Fallen“ den Gig eröffnet. Ja, er animiert das Publikum immer, aber diesmal ruft er schon zu Beginn zu oft „Seid ihr bereit“ und „Seid ihr bei uns“. Mucke! Die Songs der Iren haben so viel Tiefe und Emotionen, dass das Geplänkel drumherum nicht nur deplatziert, sondern generell unnötig ist. Doch natürlich funktioniert es: Beim abschließenden „Empire Falls“ wird fast die Hälfte des Liedes durchgeklatscht.
Alan präsentiert sich nicht nur stimmlich von seiner Schokoladenseite: Sein Stageacting ist voller Energie, fliegender Gesten und auffälliger Mimik. Drei von sechs Nummern stammen vom aktuellen Werk „Exile Amongst The Ruins“ – für Freunde der Band zu viel neues Zeug. Immerhin spielen sie noch „The Coffin Ships“.
Galerie mit 23 Bildern: Primordial - Wacken Open Air 2019SEPTICFLESH
„Are you ready my friends?“ tönt es von der Headbangers Stage, als SEPTICFLESH die Bühne betreten. Und wie, denkt sich die Menge und begrüßt die Griechen, die mit „Portrait Of A Headless Man“ in die Vollen gehen, mit lautem Getöse. Laut können die Symphonic Death Metaller auf jeden Fall auch, wobei der Sound an sich zu Beginn ein wenig zu wünschen übrig lässt. Dies ändert sich glücklicherweise im Anschluss, sodass schon das nachfolgende „Pyramid God“ deutlich wuchtiger daherkommt. Wie gewohnt, beschäftigt sich der Vierer um Bandkopf Spiros Antoniou ausschließlich mit Songs des zweiten Abschnitts ihrer Karriere (bis zum Jahr 2003 als SEPTIC FLESH (mit Leerzeichen!) aktiv). Die orchestralen Parts kommen leider, ebenso wie der Klargesang bei „Anubis“, komplett vom Band, was sicherlich noch weiteres Potential bereithalten würde. Am Crowdsurfen und Mitklatschen hindert dies die zahlreich erschienen Fans aber keineswegs bis hin zur letzten Nummer „Dark Art“.
Galerie mit 20 Bildern: Septicflesh - Wacken Open Air 2019BULLET FOR MY VALENTINE
Matthew Tuck sieht aus wie aus dem Ei gepellt, als er am Nachmittag auf die Bühne tritt. Rein optisch lassen BULLET FOR MY VALENTINE nichts anbrennen bei angenehmen Temperaturen und strahlendem Sonnenschein. Perfekte Voraussetzungen, um sich auf eine Show einzulassen. Auch der Sound lässt wenige Wünsche offen. Und doch schaffen es die Briten nur schleppend, die versammelten Metalheads für ihren Metal Core zu begeistern. Der harte Kern ihrer Fans hüpft in den vorderen Rängen um die Wette, weiter hinten gibt es gelegentlich mal die ein oder andere Wortmeldung und ein paar Handzeichen. Als die Instrumentalpassagen so manchen beinahe abholen, lässt Tuck denjenigen mit Einsatz seiner Vocals direkt wieder stehen. Zu lasch, zu geleiert scheinen sie im Vergleich zum Rest der Musik zu sein. Ein ewiges Auf und Ab zieht sich damit durch das Konzert, das neben dem von POWERWOLF im Anschluss zugegebenermaßen ziemlich alt aussieht. Das Beste behalten sich BULLET FOR MY VALENTINE bis zum Schluss vor; “Your Betrayal“ und “Tears Don’t Fall“ veranlassen die müde Menge doch noch zum Mitsingen.
Galerie mit 19 Bildern: Bullet For My Valentine - Wacken Open Air 2019POWERWOLF
Mit manchen Bands kann man aus Veranstaltersicht nichts falsch machen. POWERWOLF gehören dazu, obwohl die Shows locker in die Kategorie „Haste eine gesehen, kennste alle“ fällt. Attila Dorn gibt sich seiner gespaltenen Bühnenpersönlichkeit hin, vermischt also Sänger und Comedian, und die anderen ziehen ihr eigenes Programm durch. Scripted Power Metal? Egal, wenn POWERWOLF ihren Powerwuff abgeben, hören das auch die Leute in den hintersten Zelten. Tatsächlich ist das Infield schon 20 Minuten vor dem Start knackevoll.
Bei der vielfach dekorierten Bühne fällt auf, dass der Backdrop zwar groß ist, diesmal aber nicht über die Seiten geht – in der jüngeren Vergangenheit haben POWERWOLF dadurch eine noch plastischere Optik erschaffen. Nach dem „Lupus Daemonis“-Intro spielt die Band „Fire And Forgive“ und passend dazu erigieren etliche Feuersäulen. Atilla hantiert mit einem Flammenwerfer und haut im Anschluss die ersten Worte in seiner gefühlt eigenen Sprache raus: „Herzlichen Glückwunsch für den Wacken“. Später lässt er das Publikum „Amen And Attack“ anstimmen – die heilige Heavy-Metal-Messe läuft auf Hochtouren. Oben auf ist auch eine Dame, die auf einem Einhorn über die Menge surft, kurz absackt, es wieder hoch schafft, um dann ganz knapp vorm Ziel abzusaufen.
„Wir brauchen das Licht eurer Telefone“, sagt Attila und wir fragen uns: Wann ist das Feuerzeug aus der Mode gekommen? Das kollektive Leuchten sieht aber ganz schick aus, auch wenn es für solche Spielereien noch zu hell ist. Keyboarder Falk Maria Schlegel nimmt seinen Zweit-Job als Anheizer wieder sehr ernst und ist viel in Bewegung. Auch die anderen Bandmitglieder wechseln häufig ihre Positionen, posieren auf Podesten und am Bühnenrand. Mit „Stossgebet“ und „Where The Wild Wolves Have Gone“ hauen POWERWOLF ein Doppel vom letzten Studioalbum „The Sacrament Of Sin“ raus, bevor das Finale aus Setlist-Hauptvertretern beginnt. Bei „Resurrection By Erection“ steigt das Engagement auf der Party-Messlatte feuchtfröhlich weiter und „Werewolves Of Armenia“ und „We Drink Your Blood“ beschließen den Auftritt der feierwütigen Wölfe.
Galerie mit 23 Bildern: Powerwolf - Wacken Open Air 2019PARKWAY DRIVE
PARKWAY DRIVE haben schon im Vorfeld redaktionsinterne Diskussionen befeuert. Genauer haben die Redakteure Von Schaewen und Wischkowski einen kleinen Disput über die Headlinerwürdigkeit der Band, der sich bis zur Mitte des Sets ziehen soll. Grund dafür, abseits des dramatischen Fackelmarches durch die Menge, beginnen die Australier ihr Set lediglich souverän, aber noch nicht überwältigend. Doch zunächst einmal herrscht Verwirrung. Da steht doch nicht die komplette Band bei „Wishing Wells“ auf der Bühne. Das Mysterium löst sich direkt nach „Prey“. Bassist Jia O’Connor hatte einen Unfall und ist nur im Rollstuhl dabei. Nach einer emotionalen Ansprache, wie knapp es war, dass der Wacken-Auftritt hätte beinahe abgesagt werden müssen, wird er von seiner Mutter auf die Bühne gerollt. Der erste emotionale Höhepunkt des Abends wird erreicht als Frontmann Winston McCall ankündigt, dass O’Connors Mutter noch nie in ihrem Leben Crowdsurfing erlebt hat und dies heute ändern möchte. Gesagt, getan. Beim Bandklassiker „Carrion“ begibt sich die Dame auf einen Ausflug aus in die Lüfte gestreckten Händen. Heil zurück kommt sie auch.
Das Eis ist gebrochen und auch Kollege Von Schaewen beginnt anzuerkennen, dass das heute eine besondere Show ist, die PARKWAY DRIVE in Form eines gewaltigen Pits bei „Vice Grip“ weiter anstacheln. „Karma“ führt schließlich ein weiteres Mal in die Metalcore-Vergangenheit der Band, bevor es ruhiger wird. „Cemetry Bloom“ mag auf Platte nur als Zwischenstück mit Spoken Vocals und einem sphärischen Chor dienen, live ist es ein Gänsehaut-Garantie, bevor bei „The Void“ Funken von der Harder Stage regnen. Dass es nicht nur für die Fans ein besonderer Auftritt ist, zeigt McCalls Ansprache vor „Dedicated“, in der er sichtlich gerührt vom wohl besten PARKWAY DRIVE-Auftritt der Geschichte spricht. Ein Dankeschön an die Fans – auch wenn die Australier vor zehn Jahren in engen Clubs auf einer ganz anderen Ebene schon denkwürdiges abgeliefert haben.
Emotionen und Gänsehautmomente bleiben heute aber die schlagkräftigsten Argumente, abseits von Feuer natürlich. Für „Writings On The Wall“ und „Shadow Boxing“ ist ein Streichquartett auf der Bühne, dass den Songs noch mehr Dramatik einhaucht als sie ohnehin schon besitzen. „Wild Eyes“ zündet dagegen den nächsten gewaltigen Moshpit und nach „Chronos“ heißt es erst einmal durchpusten – der Hauptteil des Gigs ist vorbei und es ertönen laute „PARKWAY DRIVE“-Sprechchöre. Kollege Von Schaewen ist mittlerweile auch überzeugt und erklärt, dass die Jungs eine ganz andere Hausnummer sind als die Special-Show von SABATON zwei Abende zuvor.
Recht hat er, und es soll noch gewaltiger kommen. Bei „Crushed“ steht gefühlt das gesamte Infield in Flammen. Die Bühne brennt, der Bühnenrand brennt und aus den FOHs steigen gewaltige Feuersäulen auf – plötzlich wird die Nacht zum Tag und die wohl spektakulärste Pyro-Shows des Wacken Open Airs 2019 bahnt sich ihren Weg. Doch PARKWAY DRIVE haben immer noch nicht genug und feuern noch „Bottom Feeder“ ab, sodass schlussendlich alle erschöpft und zufrieden in die kühle Nacht ziehen lässt.
Galerie mit 15 Bildern: Parkway Drive - Wacken Open Air 2019CREMATORY
CREMATORY gehen gut und gerne als Dauergast auf dem Wacken durch: Ganze sechs Mal haben die Gothic Metaller schon in der Vergangenheit im hohen Norden aufgespielt. Die letzten beiden Shows aus den Jahren 2008 und 2014 wurden gar als DVD veröffentlicht. So verwundert es nicht, dass der Hattrick vollendet und auch der diesjährige Gig professionell für die Nachwelt festgehalten wird. Die Rahmenbedingungen hierfür stimmen schon mal: Allein die History Stage offenbart einen Hauch von Nostalgie, der zur altgedienten Band passt. Zudem ist das Zelt, in dem die Bühne steht, wenige Minuten nach Einlass pickepackevoll, sodass ein Einlassstopp ausgesprochen wird. Begrüßt von CREMATORY-Sprechchören muss das Publikum den Opener „Kommt Näher“ somit auch mitnichten wortwörtlich nehmen.
Süffisante Kommentare von Sänger Felix über vergangene Tage und die bespielten Bühnen („In 15 Jahren kommen wir wieder und spielen dann bestimmt im Geräteschuppen“) sowie die allgemeine Bandsituation („Kommt schon, so scheiße sind wir doch gar nicht, oder?!“) bleiben natürlich auch nicht aus und gestalten die Spielzeit von etwas mehr als einer Stunde durchaus kurzweilig. Anteil daran hat ebenfalls die Setlist aus neuem Material („Revenge Is Mine“, „Ghosts Of The Past“, „Wrong Side“), Stücken von der Jahrtausendwende (das frenetisch gefeierte „The Fallen“), deutschsprachigen Songs („Tick Tack“, „Höllenbrand“), beatlastigen Nummern („Shadowmaker“), zwei Cover-Versionen (u.a. „Black Celebration“) und der unumstößlichen Zugabe „Tears Of Time“. Nachdem vor Kurzem Gitarrist Tosse ausgeschieden ist, haben die Mannheimer mit Connie Andreszka ein neues Mitglied an Bord, dem insbesondere für den starken Klargesang ein Sonderlob ausgesprochen werden muss (allen voran beim ruhigen WHITE-LION-Cover „When The Children Cry“).
EISBRECHER
Alexander “Alexx“ Wesselsky aka “Der Checker“ scharrt in der letzten Nacht des Wacken Open Air einige Kreaturen der Nacht um sich. Fand man ihn in der Vergangenheit oftmals im Fernsehen unter alten Karossen, so schippert er an diesem Abend in alter Kapitänskluft vor einer spärlichen Maschinenkulisse selig durch ein Meer aus abgedroschenen, längst bekannten Evergreens seiner EISBRECHER Historie. Neben “Verrückt“ und “Antikörper“ liefert er mit jedem weiteren Song im Set ein aggressives Gesangsstakkato, das beim Publikum mit relativ verhaltener Resonanz angenommen wird. Seine Fans an sich binden zu wollen scheint Wesselsky allerdings nur mit mäßigem Engagement, denn nach den ersten Titeln verweist er begeistert auf die Show von SAXON auf der Nachbarbühne. In eineinhalb Stunden bieten EISBRECHER ein buntes Repertoire mit zwei Zugaben. Darunter natürlich auch das Megaherz Cover “Miststück“, zu dem die Menge nochmal zu gesanglicher Höchstform aufläuft und “Volle Kraft Voraus“, was bestens zum Bühnenbild passt. Bei einem müde heruntergespielten Set mit wenig Publikumsinteraktion wäre “Der Checker“ unter den Schraubern im Reality TV jedoch vielleicht besser aufgehoben.
Galerie mit 17 Bildern: Eisbrecher - Wacken Open Air 2019SAXON
SAXON und das Wacken Open Air – eine sehr gesunde Beziehung. W:O:A-Chef Thomas Jensen war viele Jahre lang Manager der Band, die zahlreiche Auftritt beim Wacken hingelegt hat. Auch SAXON haben einen guten Grund, sich und ihre Geschichte zu feiern, denn der 40. Band-Geburtstag steht an. Logisch, dass die Briten bei der Jubiläumsausgabe 2019 nicht fehlen dürfen. Sänger Biff Byford hat übrigens seinen Sohn mitgebracht, der mit seiner Band NAKED SIX auf der History-Stage auftritt.
Vor dem Start wird es nostalgisch: in Form alter Bilder, Zeitungsausschnitte und Flyer, die auf den Leinwänden gezeigt werden. Als der Vorhang fällt, geht’s sofort los und die NWOBHM-Pioniere (natürlich bis auf den Drummer) stehen eng in einer Reihe am Bühnenrand. Über ihnen hängt wie so oft der bewegliche Bühnenadler „Biffs Budgie“ und dazu dröhnt „Motorcycle Man“ vom 1980er-Album „Wheels Of Steel“ aus den Boxen. Statt eines Backdrops werden Bewegtbilder projiziert, und SAXON hüpfen in der Diskografie munter hin und her: mit „Battering Ram“ nach 2015, zurück zu „Wheels Of Steel“, dann bleiben sie mit „Strong Arm Of The Law“ im Jahr 1980, um wenig später zu „Thunderbolt“ (2018) zu reisen … es fällt auf, dass die Truppe viele Titeltracks spielt und Song-Highlights wie „Backs To The Wall“ vom ersten Demo (1978) präsentiert.
Fronter Biff bewegt sich und hüpft, als wäre die Band erst gestern gegründet worden. Wirft man einen Blick ins gut gefüllte Rund, sieht man eher ältere Semester, was die Besonderheit des Auftritts nur untermalt: Wer dabei ist, erlebt ein großes Stück Heavy-Metal-Geschichte. Die Oldschool-Vibes werden vor allem dann sehr präsent, wenn die Gitarren in Form von ausgefeilten, langen Soli abgehen dürfen. Dass auch jüngere Besucher SAXON sehen und feiern wollen, beweist ein wunderbares Bild: Ein älterer Mann sitzt breit grinsend auf den Schultern eines Kumpels, während neben ihm jungsche Crowdsurfer vorbeisegeln. Insgesamt werden 16 Songs im regulären Set, darunter etliche Lieder aus den Anfangsjahren, und drei weitere in der Zugabe gespielt, die mit „Princess Of The Night“ endet.
Galerie mit 23 Bildern: Saxon - Wacken Open Air 2019DEATHSTARS
Wer denkt, dass nach den Headlinern tote Hose herrscht, der irrt: Den DEATHSTARS wird die Ehre zuteil, die Headbangers Stage als letzte Band im Jahr 2019 zu rocken. Auch wenn sicherlich noch mehr Personen in das Bullhead-City-Circus-Zelt gepasst hätten, geben alle Anwesenden die letzten Tropfen verbliebene Energie. Alles andere ist auch nur schwer möglich bei dem mit Synthies angereichertem Industrial Metal, der live nochmal eine Spur brachialer tönt; mitverantwortlich dafür ist Cat Casino, der seit Kurzem wieder die zweiten Gitarre bedient. Auch wenn sich die Jungs seit einigen Jahren mehr als rar gemacht haben, wurde in Sachen Stageacting rein gar nichts verlernt: Sänger Whiplasher überzeugt nicht nur mit seiner tiefen Stimme, sondern schreitet auch unentwegt über die Bühne, fällt mehrmals auf die Knie und nimmt gar die Lautsprecher vor der Bühne für sich ein, um von dort aus auf skurrile Weise den anderen Bandmitgliedern zuzuschauen. Die ein oder andere laszive Geste gehört ebenfalls zum guten Ton und passt zum leicht unnahbaren Auftreten. Um mit voller Kraft zurückschlagen zu können, wurde in Schlagzeuger Marcus Johansson (u.a. REACH) vorerst eine Übergangslösung gefunden, der diese Aufgabe vollkommen souverän meistert. So gerät der Auftritt zum einem wahren Triumphzug aus Hits, Hits und nochmal Hits (von „Night Electric Night“ über „Death Dies Hard“, „Tongues“, „Semi-Automatic“, „Mark Of The Gun“ und „Cyanide“ bis hin zum finalen „Blitzkrieg“). Welcome back!
RAGE
Der eine oder andere hartgesottene Fan kocht vielleicht vor Wut, dass RAGE erst gegen zwei Uhr nachts spielen. Und das am letzten Festivaltag. Trotz der Uhrzeit haben sich etliche Menschen zum kollektiven Headbangen zusammengefunden – immerhin steht hier eine echte Institution auf der Bühne, die zudem ein ganz besonderes Set mitgebracht hat. Peter „Peavy“ Wagner und seine Truppe spielen bei ausgewählten Shows das komplette Album „XIII“ durch – in Deutschland lediglich beim Wacken Open Air. Das 1998er-Werk wurde mit dem Lingua Mortis Orchestra aufgenommen, und auch heute werden RAGE von dem Orchester unterstützt. Feine Sache. Dass sie am Ende noch „Higher Than The Sky“ zocken, steht außer Frage. So endet das diesjährige Wacken-Festival mit einem fetten Ohrwurm.
Galerie mit 20 Bildern: Rage - Wacken Open Air 2019Die Abstecher auf die Wackinger Stage und und Wasteland Stage
CRITICAL MESS
Was ist denn hier bitte los!? So voll war es vor der Wasteland Stage an diesem Wochenende wohl selten. Aber CRITICAL MESS, die Band um ex-CRIPPER-Frontfrau Britta „Elchkuh“ Görtz, zieht heute einen ganzen Schwung Publikum vor die Bühne. Nicht nur das, sondern die Menge geht steil. Der Pit tobt und das Haar kreist wie verrückt. Die nach wie vor etwas gedrosselte Lautstärke (vermutlich hängt es mal wieder vom Standort vor der Bühne ab) nimmt dem Death Metal der Hannoveraner aber wenig an Ausdrucksstärke. Nicht nur vor, sondern auch auf der Bühne geht es mächtig ab. Ein lohnender Ausflug.
DAMNATION DEFACED
Das gilt auch für den nächsten Death Metal-Act. DAMNATION DEFACED rücken mit ihrem aktuellen Album „The Devourer“ an, haben im Vergleich aber etwas weniger Zuschauer vor der Wasteland Stage. Nichtsdestotrotz ist es gerade der Progressive- und Sci-Fi-Touch, der dem Material der Niedersachen Würze gibt. Käme im Dunkeln sicher eindrucksvoller, aber auch so hat das anwesende Publikum seinen Spaß. Öfter mal an der Wasteland Stage vorbeizuschauen lohnt sich für Underground-Entdecker also definitiv.
SAOR
Im Wackinger Village spielen einige Bands auf, die ansonsten nicht allzu häufig hierzulande unterwegs sind. SAOR aus Großbritannien zählen sicherlich zu dieser Kategorie und sind vom großen Zuspruch ab Anbeginn des Auftritts sichtlich ergriffen. Im Fokus stehen Songs des Debüts „Roots“ (ursprünglich noch unter dem Namen Àrsaidh herausgebracht) und der aktuellen Veröffentlichung „Forgotten Paths“. Nicht nur Bandkopf Andy Marshall lässt sich vollkommen von seinen Kompositionen treiben, auch die anderen Musiker gehen sichtlich in den Stücken auf, was sich auch phasenweise aufs Publikum überträgt. Auf die gesamte Spielzeit gesehen, fehlt dem Auftritt aber leider ein wenig die Spannung, zumal soundtechnisch, trotz live gespielter Geige, auch noch mehr drin gewesen wäre (Gesang und Gitarren kommen bisweilen nicht richtig durch, Bass dafür umso prägnanter). Der Abschiedsapplaus spricht allerdings Bände und so können SAOR ihren ersten Besuch auf dem Wacken in jedem Falle als Erfolg verbuchen.
Impressionen:
Galerie mit 17 Bildern: Impressionen - Wacken Open Air 2019Interessante Alben finden
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22.12.24 | Subway to Sally - Eisheilige Nächte 2024Subway To Sally, The O'Reillys And The Paddyhats und HarpyieAlter Schlachthof, Dresden |
26.12.24 | Subway to Sally - Eisheilige Nächte 2024Subway To Sally, The O'Reillys And The Paddyhats und HarpyieMillenium Event Center, Braunschweig |
27.12.24 | Subway to Sally - Eisheilige Nächte 2024Subway To Sally, The O'Reillys And The Paddyhats und HarpyiePosthalle, Würzburg |
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