Wacken 2017
Ein Wochenende voller Schlamm, Bier und Bands
Konzertbericht
Samstag, der 5. August 2017
Glücklicherweise hat es am Freitag relativ wenig geregnet, sodass der Matsch ein bisschen trocknen konnte und man nicht zwei Zentimeter in ihm versank, sobald man den Fuß mehr als zwei Minuten nicht bewegte. Mein Tag begann um 14:30 Uhr im Infield, welches für diese Uhrzeit schon gut gefüllt war. Wenn man einen Blick auf die Running Order wirft, wird das aber umso verständlicher, denn es ist nun Showtime für die CAVALERA-Brüder, welche im Herbst mit einer speziellen „Roots“-Show durch Europa touren werden und diese in Wacken schon mal zum Besten gaben. Die Brasilianer spielen die Songs mit der gleichen Durchschlagskraft, wie sie die schon 1996 besaßen. Und so verfällt das Publikum auch schon direkt in die südamerikanische Feierlaune, als Max Cavalera die Saiten anschlägt. Dieser hat während des Sets auch mehr zu bieten, als das übliche Headbanging und Gestikulieren. Neben einigen Klamottenwechseln (Mein Favorit war das „7 Churches on vinyl or fuck off.“-Shirt) gab es auch zusätzliche musikalische Einlagen. So zockte er u.a. mit Bruder Igor ein Drum-Duett, bei der er auf eine Stand-Tom einschlug. Allerdings waren diese Passagen ziemlich langatmig. Dies ist aber der einzige Wermutstropfen einer sonst gelungenen Werbung für die Tour im Herbst.
Bereits zum sechsten Mal gastierten die Thüringer in Wacken. Und auch wieder sind HEAVEN SHALL BURN mit einem auffälligen Bühnenbild da. Das diesjährige zeigt ein Lager für Atommüll. Für den Müll war dieser Auftritt aber absolut nicht. Das Metalcore-Quintett trat äußerst motiviert auf und das Publikum feierte, wie sonst kaum an diesem Wochenende in Form von Crowdsurfing, Circle Pits und Wall Of Deaths. Sänger Marcus Bischoff bat zwar darum, letztere zu unterlassen, doch sonst forderte er von der Crowd „positives Chaos“. Das ging so weit, dass letztlich sogar ein mobiler Bierverkäufer gecrowdsurft ist. 75 Minuten lang lieferte die Band ein starkes Set ab und konnten für ein wildes Treiben im Pit sorgen, wie nur Wenige.
Die saarländischen Sakral-Metaller von POWERWOLF konnten zwar keine Circle Pits hervorrufen, sorgten aber auch für viel Bewegung vor der Bühne. Ihre eingängigen, melodischen Songs wie ‚Blessed And Possesed‘ und ‚Amen And Attack‘ waren für das feierwütige Publikum genau das Richtige, was sich nicht nur an der regen Sangesbeteiligung äußerte, sondern auch an der hohen Anzahl der Crowdsurfer. Für die Musiker musste es unter der Maske sehr heiß gewesen sein bei den sommerlichen Temperaturen und der Pyrotechnik. Allerdings hat man gemerkt, dass sie aufgrund ihrer Erfahrung gut damit umgehen konnten. Den einzigen Abzug gibt es für die Ansagen: So meinte Attila etwa vor ‚Resurrection By Errection‘, dass aufgrund des Morgen-Ständers ja laufend eine „Latten-Laola“ um die Erde gehen müsste.
19 Uhr ist definitiv eine unwürdige, frühe Zeit für den Vater aller Schocker. Dazu sollte er in lediglich 75 Minuten bei Tageslicht seine Horrorschau abziehen. Unglücklich, doch so sollte es letztlich sein. Er startete mit ‚Brutal Planet‘ und ließ dann sogleich ältere Songs der Marke ‚No More Mr. Nice Guy‘ folgen. Das Alter nagt schon merkbar an COOPER, doch im Rahmen dessen, liefert er eine Performance auf höchstmöglichem Niveau ab. Genau wie seine Backing-Band, welche die Songs frisch hält. Mit Shredderin Nita Strauss, dem melodiösen Tommy Henrickson oder dem wirbelnden Drummer Glen Sobel hat er sich eine gute Begleit-Band zusammengestellt. Diese können während der Umziehpausen Coopers mit Soli den Wackingern ihr Talent unter Beweis stellen. An der Show hat sich kaum etwas geändert. Die Setlist hat mit ‚Paranoiac Personality‘ nur einen Song der neuen Scheibe „Paranormal“ zu bieten und auch die Spezial-Effekte blieben weitesgehend gleich. So erschien bei ‚Feeding My Frankenstein‘ eine überdimensionale COOPER-Puppe auf der Bühne, zog das übliche Spiel der Erniedrigung mit der Krankenschwester ab und wurde hingerichtet. Danach heizte er mit Hits wie ‚I’m Eightteen‘ die Menge noch weiter auf, ehe mit ‚School’s Out‘ sein Evergreen kam. Und weil es so schön war, spielte er zum Abschluss noch den MOTÖRHEAD-Evergreen ‚Ace Of Spades‘. Damit war er übrigens nicht der Erste an diesem Tag, sondern auch die Cavalera-Brüder haben auf diese Weise Lemmy gehuldigt.
Der „Jomsviking“-Zyklus von AMON AMARTH neigte sich dem Ende zu. Und dieser ist nicht vollständig, ohne den obligatorischen Wacken-Auftritt, bei dem sich die Schweden in diesem Jahr als sehr eingespielt präsentierten. Dazu gab es Showelemente wie einen Schwertkampf und einen riesigen Drachen. Aber es werden wohl eher Songs wie ‚Father Of The Wolf‘ oder ‚Deceiver Of The Gods‘ die Wackinger dazu ermutigt haben, fortlaufend die Pommesgabel gen Himmel zu recken und den starken Wellengang der Crowd auf sich zu nehmen. Wer sich übrigens darüber wundert, wo denn DORO bislang geblieben ist, muss sich keine Sorgen machen. Denn sie intonierte zusammen mit Johan Hegg ‚A Dream That Cannot Be‘. In den gut 75 Minuten haben die Schweden gezeigt, dass sie in der Lage sind, ein breites Publikum zu unterhalten und das teilweise sogar besser können als so mancher Headliner. Dieser Auftritt war ein Beweis dafür, dass sie beim nächsten Besuch diese Rolle locker ausfüllen könnten.
Während AVANTASIA (genau wie 2014) auf der Hauptbühne ein zweistündiges Set zockten, das im Fernsehen übertragen wurde, fand der erste Wacken-Auftritt von TANKARD seit 16 Jahren auf der Zeltbühne statt. Das Quartett konnte mit ihrem feuchtfröhlichen Thrash Metal das bierselige Publikum schnell auf ihre Seite ziehen. Kein Wunder, denn die Frankfurter zogen mit sympathisch planlosem Stageacting (Gerre hatte etwa nichts besseres zu tun, als die Bühne auf und ab zu laufen) und Hits wie ‚Chemical Invasion‘ die vollen Register. Als einziges Manko kann man hier die hektische Lightshow nennen, aber wer achtet schon auf das Licht, wenn man damit beschäftigt ist, volle Möhre zu headbangen? Eben.
Kurz nach Mitternacht wechselten die Feierwilligen noch ins Infield, wo gerade KREATOR aufspielten. Diese haben auf dem gewohnt hohem Niveau gespielt, wie man es von den Essenern kennt. Und wenn dazu ein brutales Set ohne Verschnaufpause kommt, dann sollte der „totalen Zerstörung“ nichts mehr im Weg stehen. Der Fokus lag hier auf den letzten Alben: „Gods Of Violence“ und „Phantom Antichrist“ waren die einzigen Alben, die mit mehr als einem Song bedacht wurden. Vom neusten Werk wurden sogar gleich fünf Stücke gespielt. Und diese kamen auch gut beim Publikum an, die dem Quartett ihre Zuneigung mit mehreren fetten Moshpits zeigten. Mit Gassenhauern wie ‚Violent Revolution‘ und ‚Pleasure To Kill‘ wurde nicht nur der Thrasher rundum versorgt. Ein würdiger Schlusspunkt für das Festival.
An diesem Wochenende waren fast alle Headliner enttäuschend. An dieser Stelle muss noch dringend nachjustiert werden. Dafür konnten aber viele Bands aus der zweiten Reihe tolle Auftritte abliefern, die durch ein enthusiastisches Publikum zu unvergesslichen Momenten wurden. Dieses war allerdings auch oft genug ziemlich träge. Die groß angekündigten Veränderungen des Untergrunds fruchteten auch nicht so wirklich. Diese Ausgabe wurde eingangs zwar als besonders bezeichnet, aber letztlich war es nur der ganz normale Wahnsinn. Und dieser macht Wacken ja letztlich so besonders.
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