Volbeat
Servant Of The Road World Tour 2022
Konzertbericht
Was wäre ein Sommer in Berlin ohne ein anständiges Rock-Konzert in der altehrwürdigen Parkbühne Wuhlheide im Herzen von Treptow-Köpenick. Hierhin locken an diesem Abend VOLBEAT. Das Konzert findet im Rahmen der Tour zu ihrem vor wenigen Monaten veröffentlichten Album „Servant Of The Mind“ statt. Dass es sich bei einer VOLBEAT-Show mittlerweile nicht mehr um ein Metalkonzert sondern eher um eines reines Rockspektakel handelt, wird schon bei dem Publikum offenbar, dass sich schon frühzeitig die Steh- und Sitzplätze bis zum Rand ausfüllt. Den gemeinen langhaarigen Kuttenträger sieht man nur um der alten Zeiten willens nochmal hier und da vorbeilaufen. Vielmehr handelt es sich bei der Fangemeinde, die sich VOLBEAT erspielt haben, um mittelalte Mainstream-Rocker, die man auch bei Großkonzerten von RAMMSTEIN, BÖHSE ONKELZ und Co. antrifft.
MERCYFUL FATE? Sind die neu?
Das muss natürlich nicht automatisch schlecht sein. Auch sie haben ein Recht, auf Konzerte zu gehen und dort durchzudrehen. Die Nachteile, die diese Art von Fans mit sich bringen, werden aber für den Opener spürbar. VOLBEAT haben es sich nicht lumpen lassen und als Vorheizer die erst vor kurzem wieder vereinte Kultband MERCYFAL FATE mit dem legendären King Diamond am Falsettgesang gebucht. Die haben schon auf dem Mystic Festival in Gdansk bewiesen, dass sie eigentlich locker als Hauptband selbst große Bühnen klein aussehen lassen können. Zumindest, wenn sie im richtigen Rahmen auftreten.
Wie auch in Gdansk liefern King Diamond und Co. eine überzeugende Metalshow ab und würden wahrscheinlich richtig abräumen, wenn das Publikum wüsste, wer dort auf der Bühne steht. Viele können anscheinend wenig bis gar nichts mit dem dargebotenen Musikstil und vor allem mit dem (eigentlich schon kultigen) Falsettgesang des Kings anfangen. Nur aus den ersten Reihen gibt es noch den ein oder anderen Jubel.
Sicherlich ist es nicht im Sinne von VOLBEAT, MERCYFUL FATE hier zu verheizen. Im Gegenteil. Michael Poulsen betont immer wieder, wie groß ihn MERCYFUL FATE in seiner musikalischen Entwicklung beeinflusst haben. Den einzig wirklich großen Applaus erzielen MERCYFUL FATE nur, weil VOLBEAT plötzlich die Bühne stürmen, um King Diamond, der heute 66 (sic!) Jahre alt wird, zum Geburtstag zu gratulieren. Als Poulsen das Publikum animiert, mit ihnen „Happy Birthday“ zu singen, stimmt das zwar munter mit ein (weil, hey, da sind VOLBEAT). An der Stelle, wo eigentlich der Name des zu Gratulierenden gesungen wird, tritt verhaltenes Gemurmel ein (Wer ist das da unten eigentlich?). Das hat der King an seinem Geburtstag nicht verdient.
Enter VOLBEAT
Aber gut, die 17.000 Anwesenden haben den teils sehr langen Weg nicht für ein Metalkonzert auf sich genommen. Sie wollen VOLBEAT sehen. Als VOLBEAT zum zweiten Mal an diesem Abend auf die Bühne treten, gibt es für die Fans kein Halten mehr. Eigentlich hätten sie komplett auf eine Vorband verzichten können. Mit den Boogie-lastigen „The Devil’s Bleeding Crown“ und „Pelvis on Fire“ bringen sie die Wuhlheide ohne Anlauf zum Kochen. Mit „Temple Of Ekur“ von ihrem neuen Album wagen sie ein erstes kleines Experiment. Schließlich besinnen sie sich damit auf ihre Metal-Wurzeln und präsentieren sich weniger eingängig. Das Metalherz schlägt höher, doch der Moment währt nicht lange. Die Fans wollen schließlich Rock’n’Roll statt Headbanging.
Galerie mit 30 Bildern: Volbeat - Servant Of The Road Tour 2022Boogie Wogie statt Headbanging
Mit „Lola Montez“ und dem Johnny-Cash-Cover „Ring Of Fire“ gibt es mehr 50er-Jahre-Blues-Rock. Doch VOLBEAT vergessen ihre Fans der alten Stunde nicht. Und so liefern sie ihren Klassiker „Sad Man’s Tongue“ und das Medley „Warriors Call/I Only Wanna Be With You“ ohne Unterbrechung. Der Rest des Sets besteht jedoch vor allem aus Songs der jüngeren Alben, die eine deutlich stärkere Auslegung auf eingängigen Rock aufweisen. Den Fans scheint das nur Recht zu sein. Angesichts des (trotz deftiger Bierpreise – 6€ der halbe Liter) hohen Alkoholpegels einiger ZuschauerInnen ist das vielleicht besser so. Natürlich darf die Hit-Single „Fallen“ nicht fehlen, die Poulsen seinem Vater widmet.
Eine Zugabe für die Ewigkeit
Richtige Stimmung kommt noch einmal im Zugabenteil auf. „For Evigt“ ist nicht nur eine tolle Rock-Ballade, sie eignet sich auch perfekt als Stadionhymne. Da kommt selbst der geneigte Metalfan in Gänsehautstimmung, wenn 17.000 Menschen den Refrain anstimmen. Als letztes Highlight des Abends darf „Still Counting“ natürlich nicht fehlen. Bevor der Song startet, erblickt Poulsen einen Jungen auf den Schultern seines Vaters nahe der Bühne. Kurzerhand lädt er ihn mit auf die Bühne ein. Er blickt sich im Publikum um und fragt, ob noch weitere Kinder Bock hätten, auf die Bühne zu kommen. Das lassen sich die Kids nicht zweimal sagen und plötzlich ist Poulsen umringt von 15 Jungs und Mädels, die mit ihm zu „Still Counting“ abgehen.
Als wäre es abgesprochen, stürmt einer der Jungs am Ende des Songs zu Poulsens Mikrofon und ruft der Masse „Danke, Berlin!“ zu. Am Ende hinterlassen VOLBEAT unter tosendem Applaus zahlreiche, überglückliche Fans. Dennoch bleibt als Fan der frühen Jahre ein bitterer Beigeschmack, den man schon während der aktuellen Album-Veröffentlichungen kosten konnte: Quo vadis, VOLBEAT? Trotz der leichten Rückbesinnung zu ihren Wurzeln auf „Servant Of The Mind“ haben sie ihren Platz bei den Mainstream-Rock-Fans anscheinend gefunden. So richtig abrücken möchten sie – trotz MERCYFUL FATE als Vorband – weiterhin nicht. Und eine weitere Frage drängt sich auf. Warum nutzen sie nicht die Chance der Stunde und spielen „Room 24“? Schließlich sitzt der Duett-Partner King Diamond im Backstage-Bereich.
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