Unantastbar
Lautes Leben, laute Tour
Konzertbericht
Freitagabend in Bremen. Es bildet sich eine lange Schlange vorm Aladin-Tivoli-Komplex, denn die Südtiroler Punk-Rock-Band UNANTASTBAR lädt zum feuchtfröhlichen Feiern ein. Viele Tickets können an der Abendkasse nicht mehr verfügbar sein, die Masse an Menschen, die sich in die Location drängen ist beachtlich. In der Warteschlange erfahren wir, dass auch Besucher und Besucherinnen anwesend sind, die heute Abend ihr Ticket für ein eigentlich 2021 geplantes Konzert in Hamburg einlösen. Die Corona-Auswirkungen nehmen also immer noch kein Ende.
Der Blick in den Innenraum bestätigt die Vermutung, das Aladin platzt aus allen Nähten und die bewegliche Trennwand zum benachbarten Tivoli wurde geöffnet. Dort befinden sich die Merchstände der beiden Bands und auch die Soundanlage wurde angestellt, sodass die etwas abseits stehenden Fans auch in den vollen Musikgenuss kommen. Nur mit der Sicht klappt es von der Seite eher suboptimal, ein Problem das bei ausverkauften Konzerten in dieser Location durchaus bekannt ist.
Wir organisieren uns noch schnell ein mit 25€ fair bepreistes Tourshirt und kämpfen uns dann ein bisschen weiter nach vorne, damit wir eine gute Sicht auf Bühne und Band haben. Zu diesem Zeitpunkt steht der Anheizer des heutigen Abends, WILLKUER, auch bereits auf ebendieser und zockt seinen ersten Song.
WILLKUER sind mehr Kollegen als Support
Bis UNANTASTBAR kürzlich zu Napalm Records wechselten teilten sie sich mit WILLKUER nicht nur das Genre, sondern auch das Label. Demzufolge passen die beiden Bands musikalisch gut zusammen und es gibt zum Aufwärmen geradlinigen, punkigen Deutschrock auf die Ohren, der beim Publikum wenig verwunderlich gut ankommt. Die Songs haben Titel wie „Für immer ist ne Lange Zeit“ oder „Alles schon gehört“ und lassen sich dank ihrer simplen Wiederholungs-Refrains schnell mitsingen. Es sind aber offenbar auch einige Fans der Band im Publikum, denn es dauert keine zwei Songs bis die Mitsingspielchen und Animationen fruchten, als stünde gerade bereits der Mainact auf der Bühne.
Gute 45 Minuten sind WILLKUER vergönnt, welche kurzweilig vergehen. Mit „Keiner von euch“ wird nochmal kräftig nach rechts und Extremismus im Allgemeinen ausgeteilt, was Zuspruch findet, dann verschwindet die Band aus Hülben in Baden-Württemberg von der Bühne und macht Platz für den Headliner.
UNANTASTBAR feiern ausgiebig ihr neues Album
„Wir leben laut“ ist kurz vor Silvester 2022 erschienen und kommt zwar nicht an die Glanzphase der Band von 2014 bis 2018 heran, ist aber dennoch ein gutes Deutsch-/Punk-Rock-Album geworden, das mit dem Titelsong oder „Die Hand, die ich mir reichte“ ein paar tüchtige Ohrwürmer liefert. Letzterer eröffnet nicht nur das Album, sondern auch das heutige Konzert und der Pit tobt direkt. Die heutige Setlist umfasst 27 Songs der Südtiroler Band, wobei die Alben vor 2013 leider ausgeklammert werden. Auch „Fluch und Segen“ von 2014 findet keine Beachtung, was angesichts großer UNANTASTBAR-Hits wie „Aus dem Nebel“ oder der Tattoo-Hymne „Für immer mein“ (immerhin ist Sänger Joggl bis unters Dach volltätowiert) ein wenig unverständlich ist.
Zehn Stücke von „Wir leben laut“ finden sich im Set wieder, darunter natürlich alle Singles, die dementsprechend gut ankommen. Selbst ein auf Platte eher schwächerer Song wie „Hey Ho“ entwickelt live nochmal eine ganz andere Dynamik. Passend an vorletzter Stelle platziert ist „Ich will euch wiedersehen“, was mit der vorigen Abschlussansage natürlich gut passt.
Der zweite Schwerpunkt der diesjährigen Tour liegt auf dem großartigen „Hand auf’s Herz“-Album von 2016, das mit ganzen sieben Songs vertreten ist. Als UNANTASTBAR Ende 2016 im Aladin gastierten, nahmen sie im Rahmen dieser Tour ihre erste Live-Blu-Ray dort auf, sodass in vielen heute anwesenden Fans mit Sicherheit Erinnerungen an den damaligen Abend geweckt wurden. Songs wie „Ihr könnt mich alle mal“, die Hitsingle „Gerader Weg“ oder das Duett „Für immer“, für welches mangels Original-Sängerin Kerry Bomb von THE HEADLINES heute WILLKUER-Sänger Moritz Hermle auf die Bühne kommt, zünden auch noch sieben Jahre nach ihrer Erstveröffentlichung.
Wie immer an den Großvater von Sänger Joggl gewidmet ist das grandiose „Du fehlst“, welches einer der besten Gedenksongs an verstorbene Familienmitglieder darstellt und auch beim Schreiber dieser Zeilen immer ein Gänsehautgarant und Erinnerungsmoment an seine verstorbene Großmutter ist. Hoffentlich hält sich das Lied noch lange im Set. Natürlich dürfen auch die anderen beiden „Leben lieben leiden“-Singles „Nur noch diese Lieder“ und „Unsere Waffen“ nicht fehlen.
Nach gut zwei Stunden geht das Set von UNANTASTBAR dann zu Ende, es ist schon ein bisschen eine Tradition geworden, dass die Band ihre Konzerte mit „Fackel im Sturm“ ruhig beendet. Unter tobendem Applaus verlässt die Gruppe mit dem Versprechen die Bühne, dass sie gleich noch auf ein paar Bierchen an den Merchstand kommen. Wir sind leider sehr müde vom langen Freitag, aber ebenso gespannt darauf, was 2024 bereithält, wenn UNANTASTBAR ihr zwanzigstes Jubiläum feiern. Hoffentlich steht wieder ein Gig im Aladin auf dem Programm, der heutige war jedenfalls ein voller Erfolg.
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