The Prodigy
Eineinhalb Stunden Eskapismus
Konzertbericht
An diesem herbstlichen Dienstagabend finden wir einen sehr guten Grund trotz des Nieselregens noch einmal vor die Tür zu gehen. Die Briten von THE PRODIGY geben sich in der Max-Schmeling-Halle die Ehre und beginnen mit einem großartigen Konzert den Deutschlandteil ihrer Tour zum neuen Album „No Tourists“.
Galerie mit 23 Bildern: The Prodigy - No Tourists Tour 2018 in BerlinTHE PRODIGY entfachen ein Lauffeuer
Die Max-Schmeling-Halle ist bis unters Dach mit begierigen Fans gefüllt und die Stimmung ist schon vor dem Auftritt von THE PRODIGY so gut, dass selbst die schizophrene Umbaupausen-Playlist – die DOLLY PARTON und QUEENS OF THE STONE AGE vereint – sie nicht trüben kann. Ein riesiges Tuch mit einem Kühlergrill verhüllt die Bühne und bildet mit den seitlichen Bildschirmen, auf denen Scheinwerfer prangen, die Optik des Busses vom „No Tourists“ Album Cover.
Das namensgebende Stück „No Tourists“ wird nur kurz angedeutet, richtig durchgestartet wird mit „Breathe“. Danach kriegen wir mit „Resonate“ eine Kostprobe vom neuen Album und werden mit „Nasty“ weiter aufgestachelt, bis schließlich bei „O“ die gesamte Halle tanzt und mitbrüllt. Selten war ein Publikum so schnell und so weitreichend auf den Beinen, wie an diesem Abend. Die Setlist ist eine sehr gute Zusammenstellung aus den Hits von 28 Jahren Bandgeschichte und den live-tauglichsten Tracks von „No Tourists“. Wie zu erwarten, stecken „Voodoo People“, „Firestarter“ und „Smack My Bitch Up“ neue und alte Fans vollends in Brand.
Noch immer aggressiv und rebellisch
Abwechselnd beschwörend und animierend und dann wieder aggressiv die Lyrics spuckend, suchen Maxim Reality und Keith Flint in gewohnter Manier die Bühne heim. Der warme Empfang des Publikums wird von den Performern dankbar aufgenommen, die selber erst mal warm laufen müssen. Die Ansagen sind zahlreich und funktionieren, wirken aber nach einer Weile fast gebetsmühlenartig, wie Mantras.
Die Musik ist immer noch aggressiv, so hungrig und rebellisch wie früher. Auch wenn gerade auf „No Tourists“ die Präsenz der Vocalists weniger zu spüren ist, sieht man heute auf der Bühne das Feuer und die Leidenschaft auch in ihren Augen und man vergisst, dass alle bereits um die 50 sind. Laut eigener Aussage würden die Drei aufhören, bevor ihr Alter sie dazu zwingen würde. Es ist dafür noch lange nicht Zeit, doch der Auftritt erinnert einen hier und da daran, dass THE PRODIGY das nicht für immer machen werden.
Hässlich, grell und in die Fresse
Die Fans drehen durch: Crowd Surfing, Wall of Death, Schreien, Kreischen, das volle Programm. Die kompromisslosen Beats und die sehr gut eingesetzten Bildschirme hämmern in die Köpfe und peitschen die Fans auf, völlig aus sich rauszugehen. Viele machen Ausnahmen, tanzen als wären sie 20 Jahre jünger und als wenn sie niemand sehen könnte. Es ist ein von Wut und Ekstase getriebenes Lebensgefühl, in das sich viele gerade hineinstürzen. Passend, denn es geht auf „No Tourists“ um Eskapismus und darum von ausgetretenen Pfaden abzuweichen. Licht- und Klanggewitter wechseln sich dann auch immer wieder mit Pausen ab, die genau so lang sind, dass wir gerade so wieder zu Atem kommen. In der Zugabe geben alle noch einmal Alles und wir taumeln voller Energie und mit ausgetanzten Beinen nach Hause.
Text: Tobias Mühlau
Fotos: Andrea Friedrich
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’ne Zeitlang waren die ja auch in der Metalszene mal voll angesagt. Ich wüßte allerdings nicht, was an diesem akustischen Durchfall für Metaller auch nur ansatzweise interessant sein sollte.