Sun Worship, Yellow Eyes
European Tour 2022
Konzertbericht
Das Jahr 2020 hätte für die Berliner Band SUN WORSHIP eigentlich den Durchbruch bereiten können. Ihr im Oktober 2019 veröffentlichtes Album „Emanations of Desolations“ stieß in der (nicht nur deutschen) Black-Metal-Szene auf sehr großen Zuspruch. Eine anschließende Tour durch Europa hätte den Berlinern damals sicherlich zu noch mehr Mundpropaganda verholfen. Gleiches galt auch für YELLOW EYES aus New York, die dann auch mit ihrem damaligen Album „Rare Field Ceiling“ in der europäischen Szene hätten Fuß fassen können. Doch leider hat die pandemische Lage beiden Bands einen deftigen Strich durch die Rechnung gemacht.
Ganze zwei Jahre und einige Tourverschiebungen später gehen beide Bands die Sache nun endgültig an und machen sich bereit, Europas Clubs zu erobern. Wobei Europatournee dann vielleicht doch etwas zu weit ausgeholt ist. Schließlich spielen sie neben ausgewählten Shows in den Niederlanden, Frankreich und der Schweiz hauptsächlich in Deutschland. Zum Auftakt der gemeinsamen Tour geht es in die Kantine neben dem legendären Technoclub Berghain in SUN WORSHIPs Heimatstadt Berlin.
SUN WORSHIP erklären dem Technolärm den Krieg
Wenn nicht gerade am Wochenende rund um die Uhr Technoliebhaber aus der ganzen Welt zu Tausenden in das kolossal anmutende Berghain einkehren und dessen Bässe noch fast bis zur Warschauer Straße zu hören sind, könnte es auf dem Gelände so schön ruhig sein. Könnte, hätten es sich SUN WORSHIP nicht zur Aufgabe gemacht, alle Welt zu zeigen, wie man Lautstärke vernünftig zelebrieren kann. Die beiden Musiker – die man fast gar nicht als Mitglieder einer Black-Metal-Band identifizieren möchte – schlurfen ohne Eile aus dem Publikum auf die Bühne. Man möchte kurz denken, bei den beiden handele es sich um Techniker oder Roadies. Selbst als beide ihre Positionen einnehmen, ahnen manche noch nicht, was da gleich auf sie zukommt.
Ohne Intro, ohne langen Soundcheck geht es kompromisslos los. Wie Wände aus Stahlbeton drückt die gigantische Soundlandschaft von SUN WORSHIP auf die Ohren. Auch die PA-Anlage scheint am Anfang noch nicht ganz ihrer Aufgabe gewachsen zu sein, da vor allem die Gitarre noch zu verzerrt klingt. Erst knappe 10 Minuten später – bei Song Nr. 2 – sind die technischen Probleme überwunden. Trotz der für den kleinen Club mit seinen niedrigen Wänden ohrenbetäubenden Lautstärke lassen sich doch die feinen Melodiebögen ausmachen, die auch schon die Alben groß machen. Man möchte auch fast 20 Minuten im Set glauben, dass diese gigantische, musikalische Wucht von nur zwei Menschen ohne Einsatz von Computer, Backtracking oder Effekten erzeugt wird.
Am Anfang ihres Sets merkt man Lars Ennsen (Gitarre; ULTHA, UNRU) und Bastian Hagedorn (Schlagzeug; RICHTWERK) noch an, dass sie zwei Jahre ohne Touren und Live-Auftritten in den Knochen stecken haben. Nach einem zwanzigminütigen Warm-Up stehen die beiden wie eine schwarzmetallische Symbiose auf der Bühne und mit jedem weiteren Song, den SUN WORSHIP hier in Berlin offerieren spielen sie sich in einen wahren Rausch. Auch das Publikum wird mit jeder verstreichenden Minute wie von einem infernalischen Malstrom erfasst. Als nach (leider nur) 45 Minuten wie mit einem harten Cut ihr Auftritt zu Ende geht und sich die Stille um einem herum erbricht, muss jeder im Saal erst einmal kurz wieder in das hier und jetzt finden. Rufe um eine Zugabe verhallen leider im Äther. Sicherlich hätten auch auch SUN WORSHIP noch weitermachen können, aber der Zeitplan sieht das wohl nicht vor. Nicht nur bei der Band selbst – auch in der gut gefüllten Kantine blickt man in sehr zufriedene Gesichter. Das der Merchstand von SUN WORSHIP anschließend von einer kleinen, schwarzen Traube belagert wird sagt eigentlich genau eines: Gute Arbeit!
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