Summer Breeze Open Air
Der große Festivalbericht 2023
Konzertbericht
Freitag, 18.08.2023
Wie, schon Freitag? Wenn’s geil ist, vergeht die Zeit gefühlt umso schneller – und das trifft aufs SUMMER BREEZE alljährlich zu. Also fix mit WARMEN melodisch in den Tag gleiten und von NASTY verhauen lassen. Wunderbar, so kann es gern weitergehen! Tut es auch: beispielsweise mit SKÁLMÖLD, BEYOND THE BLACK, DYING FETUS, POWERWOLF, ELUVEITIE, ABBATH und LONG DISTANCE CALLING.
Galerie mit 49 Bildern: Summer Breeze Open Air 2023 - Impressionen vom FreitagMit SKÁLMÖLD spazieren wir auch auf dem Festivalgelände herum und suchen Menschen mit entsprechenden Bandshirts, interviewen sie und trinken ein Bier mit ihnen. Die smarte Aktion gestaltet sich zwar schwierig, weil die meisten Fans nach der Autogrammstunde erst mal zum Zelt gegangen sind, wie es scheint, aber unsere Geduld wird mit einigen coolen Treffen und Gesprächen belohnt.
Galerie mit 85 Bildern: Summer Breeze Open Air 2023 – Autogrammstunden Freitag bis 18.05 UhrWas machen wir sonst so? Wir genießen: neben fantastischer Livemucke zum Beispiel die Abkühlung aus den Secu-Schläuchen (klingt falsch, ist aber so) und 80s-Hits wie „Celebration“ von KOOL & THE GANG, die zwischendurch aus der Konserve schallen. Erlebnisse fürs spätere SBOA-Gedankenalbum aufsaugen! In dem Sinne: Rein in den feuchtfröhlichen Freitag.
Galerie mit 72 Bildern: Summer Breeze Open Air 2023 – Autogrammstunden Freitag ab 18.10 UhrWARMEN
(T-Stage, 11:30–12:15)
Um halb zwölf kommen nur die Harten in den Garten. Und so ist vor der T-Stage noch reichlich Platz, als WARMEN um den ehemaligen CHILDREN-OF-BODOM-Keyboarder Janne Wirman die Bühne zur Release-Show für ihr neues Album „Here For None“ betreten. Fans von Wirmans ehemaliger Band kommen voll auf ihre Kosten. Einerseits wegen der Musik, denn zu hören gibt es quietschfidelen Melo-Death, bei dem die Keyboards natürlich eine prominente Rolle einnehmen.
Andererseits wegen der Songs, denn mit „Sixpounder“ und „Everytime I Die“ kommen sogar zwei Tracks von Wirmans alter Band zum Zuge. „Somebody’s Watching Me“ beschließt den ersten Gig der Band seit 2017, der einen Auftakt nach Maß darstellt.
(Philipp)
Galerie mit 21 Bildern: Warmen - Summer Breeze Open Air 2023NASTY
(Main Stage, 12:00–12:40)
Die Hauptbühne eröffnen die Belgier von NASTY, die mit ihrem Aufs-Maul-Hardcore sogar früher als die Kolleg:innen vom Metal-Yoga zum Frühsport laden. Sie geben einen Querschnitt durch ihre Diskografie, bleiben aber exklusive Vorabtracks vom bald erscheinenden „Heartbreak Criminal“ schuldig. Das ist verschmerzbar, da auch die bereits erschienenen Songs slappen. Der Ansagenanteil ist recht hoch, besonders dafür, dass Sänger Matthias Tarnath vor allem den Zusammenhalt in der „alternativen Musik“ thematisiert. Durch seine detaillierten Schilderungen vermittelt er aber eine Glaubwürdigkeit, die anderen Bands in dieser Hinsicht fehlt. Nichtsdestotrotz zeigen die Belgier mit diesem Auftritt, dass nicht nur die Hardcore-Metal-Familie das kommende Album auf dem Schirm haben sollte.
(Philipp)
Galerie mit 21 Bildern: Nasty - Summer Breeze Open Air 2023SKÁLMÖLD
(Main Stage, 12:55–13:35)
Auf der Main Stage wird es kurzzeitig winterlich. Jedenfalls haben die isländischen Viking-/Folk-Metaller SKÁLMÖLD links und rechts der Bühne ein paar Schneeschaumkanonen in Betrieb genommen, die bei der Mittagshitze zwar keine echte Abkühlung bieten, die Songs aber immerhin stilecht in Szene setzen sollen. Allerdings braucht es auch keinen Eiswind, um beim einleitenden Riff des Openers „Gleipnir“ Gänsehaut zu bekommen. Oder wahlweise Hitzewallungen, denn beim Mitgrölen und Abfeiern sind die Zuschauer schnell auf Betriebstemperatur.
Ansonsten tun die sechs Musiker von der nordeuropäischen Insel das, was sie immer tun: mit ihrer Musik betören und ihrer Spielfreude mitreißen. Die Band spielt sogar zwei neue Stücke vom an diesem Tag veröffentlichten neuen Album „Ydalir“ – die von der Menge genauso wohlwollend aufgenommen werden wie die restlichen Songs. Aber natürlich ist alles auf das große Finale ausgerichtet, das Band und Fans mit dem Song „Kvaðning“ zelebrieren: inklusive Double-Lead-Gitarren, eines im Stehen spielenden Drummers und eines dicken Grinsens in den Backen.
(Eckart)
Galerie mit 23 Bildern: Skálmöld - Summer Breeze Open Air 2023IMMINENCE
(Main Stage, 13:50–14:35)
IMMINENCE – in der Metalcore-Szene ebenfalls eine Band, die wie aus dem Nichts erschien und die man sich merken sollte. Fronter Eddie merkt indessen bei der Show am frühen Nachmittag, dass es eventuell nicht die beste Idee war, mit langärmeligem Hemd auf die Bühne zu gehen. Angenehme 35 Grad Celsius bringen den Mann und auch den Rest der Band innerhalb von Sekunden ins Schwitzen. IMMINENCE schwächeln aber nicht, sondern geben trotzdem Gas. Die sympathische und entspannte Art, die die Band vermittelt, ist ansteckend. Die Truppe hat Bock und das zieht trotz Hitze auch beim Publikum. Den Pit gibt es nach wenigen Minuten, gegen die Wärme hilft halt „Oberkörper frei und durch“. Mit Songs wie „Erase“ kocht es auf der Bühne und davor. Der knackige Modern Metal, gepaart mit sanfteren Parts und regelmäßigen Violineneinsätzen des Fronters, hat Überzeugungs- und Durchschlagskraft. Am Ende sind alle Shirts und Hemden durchgeschwitzt und das Ganze hat immens Spaß gemacht.
(Jeanette)
Galerie mit 20 Bildern: Imminence - Summer Breeze Open Air 2023ORBIT CULTURE
(T-Stage, 14:20–15:05)
Eine schwedische Band, die ihre Release-Party ausgerechnet in der mittelfränkischen Provinz feiert? Klingt absurd, ist aber SBOA. Und damit ist dann schon alles geklärt. Die brütende Himmelshütte ist voll – zumindest gemessen an der Uhrzeit. ORBIT CULTURE stellen ihr in diesen Stunden erschienenes Album „Descent“ vor, entsprechend unterfüttert ist die Setlist mit frisch gepökeltem Soundmaterial. Dennoch starten die Vier vorsichtshalber mit dem bereits drei Jahre erfolgreich erprobten „North Star Of Nija“. Doch möge der Soundmensch bitte die Regler schubsen! Bassist Fredrik Lennartsson bewegt zwar den Mund, doch die Mische verweigert noch ihren Dienst. Den ersten Crowdsurfern ist das glücklicherweise wumpe und unserer Stimmung auch.
Nach „The Shadowing“ verkündet Sänger Niklas Karlsson (Seeb, bist du‘s? [Anm.d.Red.: Sänger von Orden Ogan] freudig die Veröffentlichung des neuen Videos zum Titeltrack „Descent“. Dankbarerweise sind ORBIT CULTURE nicht so spielfaul wie GUTALAX am Vortag, die ihren neuen Clip über die Screens rauschen ließen und ihre wertvolle Spielzeit eierschaukelnd hinter der Bühne verbrachten. Hier gibts zum Glück live auf die Zwölf mit einem Brecher, der instant etliche leuchtend rote Nacken entblößt. Es folgt „A Sailor’s Tale“, welcher im Kontrast die große Bandbreite der Melodic-Groove-Deather offenbart, und eine gehörige Power-Metal-Note hinzufügt. Natürlich weicht der Circlepit der Thematik angemessen einem Ruder Pit (gibt‘s dafür schon einen Fachbegriff?). Im Finale sliden wir endgültig durch das neue Werk. „Alienated“, „From The Inside“ und „Vultures Of North“ beschließen das Set. Und auch Niklas beschließt: „Es wird langsam Zeit, dass wir mit euch ein Bier trinken“. Und das meinen sie ernst, denn später begeben sie sich zum Feiern zu Fans auf den Zeltplatz. Skål!
(Saskia Z.)
Galerie mit 8 Bildern: Orbit Culture - Summer Breeze Open Air 2023LIONHEART
(Main Stage, 15:00–15:45)
Gefühlt ist es nicht lange her, dass LIONHEART auf der T-Stage eine gewaltige Party entflammt haben. Ein Blick auf das Datum ihres letzten Abstechers zum SUMMER BREEZE Open Air zeigt allerding, es war bereits 2019. Vielleicht liegt es an den Pandemie-Jahren, dass es einem wie gestern vorkommt. Wahrscheinlicher ist, dass sich der Hardcore-Tross nachhaltig ins Gedächtnis gespielt hat. Denn heute stehen sie bei strahlendem Sonnenschein auf der Main Stage. Dass bereits von IMMINENCE aufgewärmte Publikum nutzt die Chance per körperlicher Aktivität weiterhin Giftstoffe aus dem Körper auszuschwitzen. Stillstehen ist nicht, denn das Quintett bringt das Infield zum Kochen.
Kompromisslos wird der Pit befeuert. Ein Blick vor die Bühne zeigt: Die Staubwolken sind dicht, Körper bewegen sich, hüpfen auf und ab oder prallen wuchtig gegeneinander. Der Groove, den LIONHEART in ihren Songs an den Tag legen, greift um sich und Songs wie „Hail Mary“ oder die Bandhymne „LHHC“ werden frenetisch gefeiert. Strahlende, verschwitzte Gesichter auf wie vor der Bühne zeigen – LIONHEART können auch Main Stage.
(Jan)
Galerie mit 11 Bildern: Lionheart - Summer Breeze Open Air 2023DRAIN
(Wera Tool Rebel Stage, 16:35–17:05)
Platzsturm auf dem SUMMER BREEZE. Was klingt wie eine Schlagzeile nach dem ersten Bundesligaspieltag, spielt sich am Freitagnachmittag auf dem diesjährigen SUMMER BREEZE Open Air ab. Auf der Wera Tool Rebel Stage sind die Kalifornier von DRAIN zu Gast und bringen das Publikum wortwörtlich zum Ausrasten. Als einige Besucher das Umfeld der recht mittig gelegenen Stage passieren, staunen diese nicht schlecht, als sie eine mit Fans prall gefüllte Bühne begutachten. Frontmann Sammy Ciaramitaro hat die Menge mit dem letzten Song nach oben beordert, was sich zum absoluten Chaos entwickelt.
Zuvor wird der sympathisch aufgedrehte Fronter vor allem durch seine ständigen Forderungen nach Wall Of Death, Circlepits oder Crowdsurfing auffällig, die ihm jeweils prompt erfüllt werden. Musikalisch bietet das Quartett einen flockigen Mix aus Hardcore, Thrash Metal und einer Prise Punk, der gut ins Ohr und vor allem ins Tanzbein geht. Klar, nichts zum „Aus-den-Socken-Springen“, doch die notwendige Portion Wahnsinn, damit DRAIN dann eben doch im Sinn bleiben, liefert schließlich Ciaramitaro selbst. Das nächste Mal vielleicht der richtige Drill Instructor zum wachwerden.
(Patrick)
Galerie mit 14 Bildern: Drain - Summer Breeze Open Air 2023WHILE SHE SLEEPS
(Main Stage, 17:40-18:40)
Die „Sleeps Society“ lädt zur Versammlung, wie der über der Videoleinwand hängende Wimpel verrät. Dieser Einladung sind viele gefolgt, sodass schon zu Beginn des Auftritts die guten Plätze belegt sind. Menno. Dennoch ist es nicht so, dass die gute Stimmung, die die Briten verbreiten, in den vorderen Reihen hängenbleibt. Es ist beeindruckend, wie weit nach hinten sich die Schar headbangender und hüpfender Metalheads zieht.
Natürlich liegt das daran, dass WHILE SHE SLEEPS ein unglaubliches Brett abliefern. Ihr melodisch wie eingängiger Metalcore ist sehr anschlussfähig. So können WHILE SHE SLEEPS es sich im Gegensatz zu anderen Bands leisten, den Großteil ihres Sets mit dem jüngsten Album zu bestreiten. Auch ihre weiteren Platten berücksichtigt das Quartett, lediglich das Debüt bleibt außen vor. So gerät dieser Auftritt zu einer Demonstration ihres beeindruckenden Status, den die Band in der Szene inzwischen eingenommen hat.
(Philipp)
Galerie mit 27 Bildern: While She Sleeps - Summer Breeze Open Air 2023ENDSEEKER
(Wera Tool Rebel Stage, 18:00–18:30)
Das Ende ist an diesem frühen Freitagabend leider viel zu schnell gefunden. Kaum haben sich ENDSEEKER so richtig eingegroovt, müssen sie nach „Possessed By The Flame“ von ihrem starken Erstling „Flesh Hammer Prophecy“ schon wieder von der Bühne. Nur 30 Minuten Spielzeit bleiben den „Hamburger Schweden“, die, 2014 gegründet und mit der großen Welle von deutschen Elchtod-Bands nachgespült wurden. Was die Jungs allerdings zentral von vielen mehr oder weniger erfolgreichen Genrekollegen abhebt, ist die Fähigkeit, herausragende Songs mit feinen Melodien und catchy Hooks zu schreiben.
Die Gitarren sägen von der ersten Minute an wie auf der „Like An Everflowing Stream“ und auch Frontmann Lenny ist gut aufgelegt, wenngleich er bereits nach dem Auftaktsong erstmals das Mikrophon tauschen muss. Danach ist es fast egal, welche Tracks ENDSEEKER aus dem Hut zaubern, denn fast jeder seiner Art geht bis durch die Knochen hindurch und lässt die Mähnen vor der Stage wehen. Vielleicht hätte den Nordlichtern noch das BOLT THROWER-Cover „Powder Burns“ gut zu Gesicht gestanden, doch ehrlicherweise hat das Quintett auch selbst genügend herausragendes Songmaterial.
(Patrick)
Galerie mit 25 Bildern: Endseeker - Summer Breeze Open Air 2023SOEN
(T-Stage, 18:35–19:35)
Nach einem weiteren Tag in der brutzelnden Sonne ist der Schatten vor der T-Stage wie Balsam auf der Haut. Genau wie der Sound von SOEN Balsam für die Ohren ist. Einzig, dass zum Zeitpunkt des Auftritts noch keine Dunkelheit herrscht, ist ein kleiner Wermutstropfen, denn bei Dunkelheit wäre das atmosphärische Set vermutlich nochmal so gut rübergekommen. Doch auch so ist es eine wahre Freude, denn die fünf Musiker sind in Höchstform. Joel Ekelöf, grundsätzlich einer der stärksten der aktuell aktiven Sänger, überzeugt einmal mehr mit seiner gesanglichen Qualität. Egal ob kraftvoll in Stücken wie “Martyrs“ oder “Antagonist“, mit denen SOEN das Publikum ausrasten lassen, oder gefühlvoll beim Rausschmeißer “Lotus“ – jeder Ton sitzt. Zusätzlich sorgt die Info für Begeisterung, dass am ersten September ihr neues Album “Memorial“ erscheinen und es dazu im Herbst eine neue Tour geben wird. Besser geht es kaum. Leider endet das Set für unseren Geschmack viel zu früh, wir könnten gern nochmal von vorne anfangen.
(Sonja)
Galerie mit 19 Bildern: Soen - Summer Breeze Open Air 2023BEYOND THE BLACK
(Main Stage, 19:10–20:30)
Willkommen zur bunten Modeschau! Wobei: Streichen wir das „bunt“, im Grunde bleibt es bei rot und schwarz, was ja auch nicht die schlechteste Farbkombination ist. Den Symphonic-Metal-Soundtrack für die regelmäßigen Kostümwechsel ihrer Sängerin liefern die Musikanten von BEYOND THE BLACK. Dass diese in visueller Hinsicht nur schmückendes Beiwerk für die stimmgewordene One-Woman-Show sind, tut dem Unterhaltungswert keinen Abbruch. So posiert Jennifer Haben gleich zu Beginn ausgiebig mit zwei überdimensionierten Neonröhren, die wohl futuristische Waffen symbolisieren sollen und in einer dunklen Konzerthalle sicherlich einen tollen Effekt erzeugen könnten. Tatsächlich erweckt die Frontfrau im Umgang mit den phallischen Objekten jedoch nicht den Eindruck, als könne sie damit jemand anderem als sich selbst ernsthaften Schaden zufügen. Wesentlich eleganter wirkt da ihr Umgang mit den etwas kleineren, aber nicht minder phallischen Drumsticks, mit deren Hilfe sie sich auf zwei an japanische Taiko erinnernden Trommeln ein Duell mit dem etatmäßigen BEYOND THE BLACK-Schlagzeuger Kai Tschierschky liefert.
Die Show ist von Anfang bis Ende perfekt durchchoreographiert und effektreich in Szene gesetzt. Dass dabei ein wenig die spontane Unberechenbarkeit, die meist das Salz in der Suppe einer guten Rock- oder Metal-Show darstellt, auf der Strecke bleibt, kann man verschmerzen. Die Qualitäten von BEYOND THE BLACK liegen eben anderswo. In fiesen Ohrwürmern zum Beispiel, von denen ausnahmslos jedes ihrer Stücke befallen ist. Sie nisten sich dann hartnäckig in den Gehörgängen ein und lassen sich erst spät am Abend wieder mit einer ordentlichen Dosis POWERWOLF vertreiben – so man denn darin das kleinere Übel erkennen mag. Beim Publikum kommt die Show jedenfalls hervorragend an und motiviert nicht nur etliche Crowdsurfer, sondern initiiert auch einen veritablen Circlepit. Offensichtlich haben BEYOND THE BLACK trotz mangelnder Spontanität also heute alles richtig gemacht.
(Floh)
Galerie mit 26 Bildern: Beyond The Black - Summer Breeze Open Air 2023DYING FETUS
(T-Stage, 20:30–21:30)
Kein Backdrop, kein Problem. Wo DYING FETUS draufsteht, ist brutaler Death Metal mit technisch anspruchsvollem Fingerspitzengefühl drin. Immer. Auch live. Die Amerikaner sind eine sichere Bank, wenn es um amtliche Abrissauftritte geht. Da macht ihr Gig beim SUMMER BREEZE glücklicherweise keine Ausnahme. Lustig ist nur, dass davor Symphonic Metal lief und parallel POWERWOLF auf der Main Stage stehen. Dieses Festival lebt von musikalischen Gegensätzen.
John Gallagher und Sean Beasley präsentieren sich samt ihren unterschiedlich intonierten Growls wie immer als punktgenau eingespieltes Saitenduo, während uns Trey Williams aus möglicherweise kräutervernebelten Augen (die großen Leinwände munkeln) sein präzises Drumming um die Ohren haut. Es ist eine Wohltat, musikalisch dermaßen angenehm verkloppt zu werden.
Große Überraschungen gibt es nicht, denn die Setlist besteht überwiegend aus Evergreens, die DYING FETUS am häufigsten spielen: „Your Treachery Will Die With You“, „One Shot, One Kill“ (Opener), „Grotesque Impalement“, „From Womb To Waste“, „Praise The Lord (Opium Of The Masses)“, „In The Trenches“, „Subjected To A Beating“ und „Wrong One To Fuck With“. Hinzu kommen das rarere Stück „We Are Your Enemy” vom 1998er-Zweitwerk „Killing On Adrenaline“ und zwei Lieder vom kommenden Album „Make Them Beg For Death“: „Unbridled Fury“ und „Compulsion For Cruelty“.
Beim ausgedehnten Zwischenspiel fragen wir uns: Wie kann ein Baby schreien, wenn es ein DYING FETUS ist? Böser Humor zu böser Musik.
Kollege Patrick attestiert den Amis eine „Bewegung wie ein Blumentopf“. Stimmt schon. Macht aber nichts, denn die Nummern pressen jeden Halswirbel aus unseren Nacken – außerdem rennen, springen und bangen (einer sogar mit seinem langen Bart) die Anwesenden genug für alle Beteiligten. Das entlockt sogar Gallagher brachial-romantische Ansagen wie „We love you all“ und „And you guys are the wrong ones to fuck with”. Am Ende heißt es obligatorisch: „Stay fucking brutal!”
(André)
Galerie mit 18 Bildern: Dying Fetus - Summer Breeze Open Air 2023POWERWOLF
(Main Stage, 21:15–22:45)
POWERWOLF sind ungefähr so weit von Understatement entfernt wie Helene Fischer vom Heavy Metal. Das bezeugt einmal mehr die opulente Bühnenshow, die die fünf Saarländer – pardon – Transsylvanier beim diesjährigen SUMMER BREEZE auffahren. Nicht nur, dass die Bühne optisch durch Deko-Elemente aufgewertet wird, die Drumkit und Keyboards passend zum Auftreten der Band durch graue “Stein“- Elemente und gotische Bögen verbergen. Auch im Hintergrund ist auf einer großen LED-Leinwand allerhand los. So durchschreiten zu Beginn des Sets eine Riege Mönche mit Fackeln, gefolgt von der Band, ein “Burgtor“ mit Fallgitter, das effektvoll zu diesem Zweck hochgezogen wird. Passend zum jeweiligen Song wird das Bild auf der LED-Wand auch mehrfach gewechselt. Dazu gibt es nach dem ersten Song ein kleines Feuerwerk, zu späteren Liedern dann Konfettikanonen, Papierschlangen, teilweise meterhohe Pyrotechnik auf und über der Bühne, Kunstschnee, sogar eine Schar als Nonnen verkleidete Statistinnen mit goldenen Gesichtsmasken, die den stimmungsvollen Hintergrund zu einem eindrucksvollen Auftritt bilden.
Beeindruckend ist aber nicht nur der Bühnenzauber, sondern das, was POWERWOLF als Band abliefern. Das Infield ist zum Bersten voll, sogar ganz hinten beim Flammlachs-Stand stehen noch Menschen, die gebannt nach vorne auf die großen Monitore blicken. Das Publikum feiert, die Sprechchöre sind ohrenbetäubend, den Gesang des Publikums dürfte man bis zum Zeltplatz hören. Als zu “Amen And Attack“ für Keyboarder Falk eigens eine dem Bühnenbild perfekt angepasste “Orgel“ angerollt wird, sind die Zuschauer schon so gut eingegroovt, dass das “Eins, zwei, Amen and Attack“ wie geschmiert aus biergeölten Kehlen erklingt. Die Band gibt das ganze Set über alles, und das Publikum gibt es mit gleicher Münze zurück. Die Energie im Infield ist fast greifbar. Mit einem Feuerwerk zum letzten Song “Werwolves Of Armenia“ endet standesgemäß ein Auftritt, der es in sich hatte.
(Sonja)
Galerie mit 30 Bildern: Powerwolf - Summer Breeze Open Air 2023SIGNS OF THE SWARM
(Wera Tool Rebel Stage, 21:35–22:20)
Von der T-Stage zur Wera Tool Rebel Stage. Von DYING FETUS zu SIGNS OF THE SWARM. Entweder ein guter Slot für die Deathcore spielenden Amerikaner, weil jetzt viele in musikalischer Todeslaune sind. Oder ein undankbarer, weil DYING FETUS gerade die Welt zerkloppt haben und die meisten Leute todesmüde sind. Letztlich völlig egal, denn SIGNS OF THE SWARM blicken auf ein prall gefülltes Rund.
Neben den noch fitten Oldschool-Deathern versammeln sich reichlich Modern-Metal-Maniacs zum Gig. „Was ist denn hier los, was passiert denn hier?“, fragt einer im Vorbeigehen. Vorn wartet indes ein Mann, der ein Warnhütchen auf dem Kopf hat, das wiederum eine Sonnenbrille trägt. Was man hier nicht alles sieht.
„This is American Deathcore“, verkündet Fronter David Simonich, der permanent die Luft verprügelt, während das Instrument von Bassist Michael Cassese beim Headbangen fast den Boden berührt und sich Gitarrist Carl Schulz als eifriger Aufrecht-Banger erweist. Der Deathcore von SIGNS OF THE SWARM stampft mehr, als dass er frickelt – im Grunde ist der Auftritt gefühlt ein einziger Breakdown.
Der Masse gefällt es prächtig. Sie folgen der „Jump“-Bitte, rennen im Kreis und befeuchten die Nacht mit Schweißtropfen. Ob Simonich den verlangten „größten Circlepit“ bekommt, ist angesichts der allgemeinen Stage-Kapazität zu bezweifeln. Doch Fakt ist: SIGNS OF THE SWARM feiern mit ihren Konzertgästen eine Megaparty, zu der auch ein rosafarbener Luftballon eingeladen ist.
(André)
Galerie mit 18 Bildern: Signs Of The Swarm - Summer Breeze Open Air 2023ELUVEITIE
(Main Stage, 23:25–00:35)
Metalcore, Folk Metal und Melodic Death Metal zusammen sind eine eigenwillige Mischung, die insbesondere die Schweizer von ELUVEITIE seit über 20 Jahren in stets ansprechender Qualität aufs Feld führen. Das Infield ist am Freitagabend auch nach dem exzentrischen Feuerwerksreigen bei POWERWOLF noch immer gefühlt bis auf den letzten Platz gefüllt, sodass die Truppe um die beiden Sänger Chrigel Glanzmann und Fabienne Erni auf ein durchaus ansehnliches Besucherfeld blicken dürfen. Auch wenn die Bühne darüber hinaus mit etlichen genrefremden Instrumenten und deren Bedienern gespickt ist, übernimmt die Federführung hier gewohnt Bandchef Chrigel, der sich um die Ansagen und das Anleiten der passenden Stimmung kümmert.
Das Set setzt sich aus einer mehr oder weniger bunten Mischung der bisherigen Schaffenszeit von ELUVEITIE zusammen, auch wenn Tracks aus dem aktuellen Album „Ategnatos“ den Hauptanteil stellen. Immer wieder spornt Chrigel die Fans zum Mitsingen oder kollektiven Springen an, dem die noch immer agile Menge unmittelbar nachkommt. Nach einer gleichsam routinierten wie energetischen Show, heben sich die Schweizer ihren Rausschmeißer-Hit „Inis Mona“ bis zum Schluss auf. Dabei feuert nochmals gefühlt ganz Dinkelsbühl aus allen Rohren, bevor die letzten Klänge von Flöten und Drehleier verstummen.
(Patrick)
Galerie mit 25 Bildern: Eluveitie - Summer Breeze Open Air 2023GAEREA
(Wera Tool Rebel Stage, 23:30–00:15)
Obwohl gleich noch ABBATH spielen, findet die düsterste Show des SUMMER-BREEZE-Freitags bereits vorher auf der Wera Tool Stage statt. GAEREA aus Portugal, die sich selbst auch gerne die „Vortex Society“ nennen, sind gekommen, um uns alle mit in den Abgrund zu ziehen. Das ist allerdings keine Drohung, sondern ein Versprechen, denn dieser Band folgt man gern überall hin. Dementsprechend zahlreich hat sich das Publikum versammelt. Begleitet von einem Intro kommen die Bandmitglieder einzeln auf die Bühne und lassen anschließend den Opener „Mantle“ auf das SUMMER BREEZE los. Wie der Großteil des Sets stammt der Track vom aktuellen Album „Mirage„, dem bisherigen Höhepunkt an Härte und Geschwindigkeit für GAEREA. Dementsprechend prügelnd gestaltet sich der Auftritt, doch die Stücke enthalten auch ausgedehnte ruhige Parts mit reichlich Atmosphäre. Meist bauen diese sich zu einem Ausbruch hin auf, der kurz den Atem stocken lässt.
Die Band fegt derweil über die Bühne, während Fronter Guilherme Henriques mit seiner sehr speziellen Performance alle Blicke auf sich zieht. Sie ist das visuelle Herzstück eines jeden GAEREA-Auftritts und man kann sich nicht gegen ein Gefühl gleichzeitiger Befremdung und Faszination wehren. Ein Kommentar auf Instagram findet die passenden Worte: „Der Mann ist ein wiedergeborener Dämon, der sich mit teuflischer Eleganz bewegt, wie tanzender Rauch. Der aus der Tiefe menschlicher Qual herausruft, um uns alle dazu zu verführen, uns ihm anzuschließen.“ Mit der dazu passenden, auf den Punkt abgelieferten musikalischen Untermalung sind GAEREA eines der Highlights auf dem SUMMER BREEZE.
(Angela)
Galerie mit 26 Bildern: Gaerea - Summer Breeze Open Air 2023ABBATH
(T-Stage, 00:20-01:20)
Es stimmt schon, dass bei ABBATH traditionell Nebelschleier über die Bühne wabern, aber hui, das sind teilweise Sichtweiten unter fünf Metern. Aber was muss, das muss! Schließlich ist der natürliche Lebensraum des kauzigen Norwegers eine Winterlandschaft. Also konzentrieren wir uns auf die Musik und hoffen darauf, dass die großen Monitoren der Sidedrops bessere Einblicke auf das Bühnengeschehen liefern.
Siehe da: Nach anfänglichen Soundproblemen kommt die Menge zu schmissigen Songs der Marke „To War!“ und „Dream Cull“ langsam in Fahrt – das scheint den Frontmann mit der ikonischen Black-Metal-Bemalung zu inspirieren. Jedenfalls zeigt er nach einer Weile all seine Entertainerqualitäten – seien es zackig-schnell gesprochene Ansagen („Summer Breeze, all right?“), Zungenspielereien in bester Gene-Simmons-Tradition oder die klassische Geste mit der Hand hinterm Ohr. Als Gitarrist Ole André Farstad ein Solo spielt, hockt sich der Hüne zudem an den Bühnenrand und klatscht dem Publikum anfeuernd zu. Da weiß man als Zuschauer gar nicht, ob man jetzt grinsen oder grölen soll.
Jubel brandet auf, als ABBATH den nächsten Song mit „This one is old, but not too old“ ankündigt: In diesem Fall ist es „One By One“ seiner ehemaligen Band IMMORTAL – und wenn es nach Kollege André gegangen wäre, hätten es ruhig noch weitere alte Schätzchen sein können. Dafür kramt der dunkelhaarige Frontmann gaaaanz tief in der schwarzmetallischen Requisitenkiste und liefert mit einer Feuerspuckeinlage Black-Metal-Entertainment der alten Schule. Musik, Unterhaltung und das Pfeifen des Winterwindes – kein Grund also, bei diesem Auftritt etwas zu vermissen.
(Eckart)
Galerie mit 14 Bildern: Abbath - Summer Breeze Open Air 2023LONG DISTANCE CALLING
(Main Stage, 01:00–02:00)
Eine auf das Wesentliche reduzierte Rock-Show – nicht mehr und nicht weniger bieten LONG DISTANCE CALLING ihrer kleinen, aber feinen Zuschauerschar zum Abschluss des Festival-Freitags auf der Main Stage. Klar, zwischendurch wird doch noch ein paar Mal das restliche Gas verfeuert, welches BEYOND THE BLACK, POWERWOLF und ELUVEITIE übriggelassen haben. Ansonsten bleibt es bei einer ruhig ausgeleuchteten Bühne, auf der die vier Musiker ohne jeden Schnickschnack die Beherrschung ihrer Instrumente eindrucksvoll unter Beweis stellen. Anders als bei den meisten reinen Instrumentalbands, vermisst man bei LONG DISTANCE CALLING den Gesang zu keiner Sekunde, würde dieser doch das ausgewogene Gesamtklangbild nicht bereichern, sondern nur stören.
Freilich zieht die Band mit ihrer unprätentiösen Art und ihren instrumentalen Atmosphäre-Brechern keine großen Massen vor die Bühne – umso wichtiger aber, dass das Summer Breeze auch solchen Liebhaberbands ihren verdienten Platz bietet. Das anwesende Publikum lässt sich jedenfalls in den metaphorischen Flokati-Teppich fallen, den LONG DISTANCE CALLING mit ihren sphärischen Soundscapes weben, und versinkt bis zu den Ohren in dem meist extraweichen, mitunter aber auch ganz schön kratzigen, akustischen Langhaarflausch. Solchermaßen wohlgebettet kann man den Festivaltag dann auch ausklingen und sich von den meditativen Instrumentalklängen langsam, aber sicher in den Schlaf wiegen lassen.
(Floh)
Galerie mit 12 Bildern: Long Distance Calling - Summer Breeze Open Air 2023Interessante Alben finden
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