Summer Breeze Open Air
Der große Festivalbericht 2023
Konzertbericht
Mittwoch, 16.08.2023
14:30 Uhr: Infieldöffnung! Ein alljährliches Ritual, auf das mit vorfreudigem Grölen, „Lasst uns rein!“-Rufen und einem langgezogenen „Summer Breeeeeezeeee!“ hingefiebert wird. Dann öffnen sich die metallenen Schleusen für einen Massenstart, bei dem der Schnellste gewinnt. Nur was eigentlich? Die meisten rennen ohne Umschweife zum Merchstand, andere verlieren kurzfristig den Überblick. Spätestens bei der offiziellen Eröffnung mit der BLASMUSIK ILLENSCHWANG versammeln sich alle wieder vor der T-Stage, um – jetzt bereits akklimatisiert und eingekleidet im feinsten Summer-Breeze-Zwirn – ausgelassen zu feiern oder einen fröhlichen Moshpit zu initiieren. Und wer mag, findet hier beste Voraussetzungen, um als Crowdsurfer erste Versuche wider die Schwerkraft zu starten.
Galerie mit 19 Bildern: Summer Breeze Open Air 2023 - Impressionen vom MittwochAuf der Main Stage fordert Maurizio Iacono indes zum Security-Stresstest auf, als er mit KATYKLYSM die Hütte abreißt. Kein Problem für die Grabenschlampen – die Secus haben das Geschehen vor der Bühne jederzeit im Griff und stets gute Laune, wenn sie die Crowdsurfer aus der Menge in Empfang nehmen. EPICA wiederum betören bei schönstem Sonnenschein die Menge, dass auch hartgesottene Black-Metaller ganz weich werden. Bei MEGADETH zeigt sich das Wetter kurz ungnädig und will ein Gewitter vorbeischicken – das aber letztlich durch eine Salve „Sweating Bullets“ vertrieben wird. SEPULTURA lassen auf der T-Stage wie gewohnt nichts anbrennen, während IN EXTREMO sogar alte Fans überraschen – und das positiv. Da lässt sich der Abschluss ihres Auftritts mit einem von zwei Hydraulikbühnen hinter der Main Stage gezündeten Feuerwerk umso ausgelassener feiern.
Galerie mit 73 Bildern: Summer Breeze Open Air 2023 – Autogrammstunden Mittwoch 16:00 bis 22:00 UhrWas fehlt noch? Altmeister U.D.O. zeigt auf der Main Stage noch einmal, wo der Teutonen-Metal-Hammer hängt, während NANOWAR OF STEEL auf der T-Stage ein „Dislike To False Metal“ abgeben – während sie sich um ihr eigenes Geschwätz nicht scheren: Da wird schon mal zu den schnulzigen Tönen von „Careless Whisper“ eine „Wall Of Love“ eingefordert, bei der sich die Anwesenden doch bitte umarmen und küssen sollen (allerdings eher in kollektivem Gelächter enden), später sogar ein IKEA-Tisch fachgerecht zusammengeschraubt, der schließlich auf Crowdsurfing-Reisen geht. Wer es heftiger mag, kann sich zu den Sounds von CAPRA noch ein paar ‚Trümmerschellen am Backen‘ abholen. Danach ist aber für alle Schluss – höchste Zeit also für den Matratzenhorchdienst!
BLASMUSIK ILLENSCHWANG
(T-Stage, 15:00–16:00)
Die Pforten zum Infield sind längst offen und die meisten haben sich schon mit dem offiziellen Merch und Kaltgetränken eingedeckt – was fehlt noch? Genau, eine zünftige Begrüßung! Die übernimmt auf dem SUMMER BREEZE Open Air traditionell die vielköpfige Kapelle BLASMUSIK ILLENSCHWANG. Da wird auf der Bühne um die Wette geblasen, da werden die schönsten Lieder gesungen („Grüß Gott, ihr Freunde aus nah und fern, es ist so schön bei euch. Wir hab’n euch gern.“), während die Meute steil geht. Schunkeln, Winken und Rudern gehören zum Standardrepertoire des Publikums, genauso wie ein Moshpit und massenhaftes Crowdsurfing. Man merkt schon: Da sind auf und vor der Bühne echte Profis am Werk. Selbst als die Fans schließlich „Ausziehen!“ skandieren, lassen sich die in blütenweiße Hemden und weinrote Westen gekleideten Musikanten nicht irritieren. Wie heißt es in den dargebrachten Volksliedern doch so schön: „Seid fröhlich und vergnügt, weil das die Stimmung hebt.“ Wohl bekomm’s.
(Eckart)
Galerie mit 24 Bildern: Blasmusik Illenschwang - Summer Breeze Open Air 2023TRAITOR
(Wera Tool Rebel Stage, 16:05–16:45)
Auch wenn die 200 Kilometer zwischen Balingen und Sinbronn kein Pappenstiel sind, eröffnet mit TRAITOR eine „relativ lokale“ Band die Wera Tool Rebel Stage. Dennoch füllen nicht nur Freunde und Familie der Jungs den Platz vor der kleinen Bühne zwischen den beiden großen. In der letzten Dekade hat sich das Quartett einen guten Ruf erspielt. Als sie mit dem Titeltrack ihres jüngsten Albums „Exiled To The Surface“ beginnen, entstehen schnell die ersten Moshpits. Ins Auge sticht auch Sänger und Drummer Andi Mozer, der mit seiner Sonnenbrille und Shorts eher wie ein Beach Boy aussieht. Surfin‘ Thrash. Die Teutonic-Thrasher bereiten einen runden Auftakt oder ganz in Anlehnung an ihren Rausschmeißer: Das war „Total Thrash“.
(Philipp)
Galerie mit 15 Bildern: Traitor - Summer Breeze Open Air 2023GATECREEPER
(T-Stage, 16:50–17:35)
Die Amis von GATECREEPER sind spätestens nach dem Release von „Deserted“ aus dem Old School-Death-Metal-Sektor nicht mehr wegzudenken. Live sind sie eine verlässliche Bank und zerlegen auch an diesem Nachmittag alles. Die knackige Mischung aus schwedenlastigem 90er-Death mit brettharter OBITUARY-Schlagseite und moderner POWER TRIP-Attitüde macht auch an diesem Tag sofort Laune. Chase H. Mason und seine Jungs konzentrieren sich aufs Wesentliche und zelebrieren Death Metal ausgiebig. Auch wenn es auf der Bühne eher souverän als spektakulär zur Sache geht, ballern Hits wie „Sweltering Madness“ oder „From The Ashes“ die letzten Zweifel weg. GATECREEPER demonstrieren eindrucksvoll, worauf es ankommt, und das wird auch von den Anwesenden vor der Bühne kräftig abgefeiert.
(Oliver S.)
Galerie mit 10 Bildern: Gatecreeper - Summer Breeze Open Air 2023KATAKLYSM
(Main Stage, 17:40-18:40)
Besucher:innen von KATAKYLSM-Konzerten wissen genau, was auf sie zukommt: No bullshit, just KATAKLYSM. Erwartungsgemäß haben die Kanadier auch keine Mühe, mit ihrer Death-Metal-Walze den Acker umzupflügen. Anstatt sich auf das kürzlich erschienene „Goliath“, von dem es nur „Bringer Of Vengeance“ ins Set schafft, stehen „Of Ghosts And Gods“ sowie „Serenity In Fire“ in Fokus. Da ist der Fleiß, mit dem das Publikum „zu Werke mosht“, crowdsurft und headbangt, nur eine logische Konsequenz. Eindrucksvoll zeigt sich das beim „Body-Exodus“ gen Bühne zu ‚As I Slither‘. Die Grabenschlampen hatten alle Hände voll zu tun. So gelingt es den Kanadiern, das Publikum auch bei sinkenden Temperaturen warm zu halten.
(Philipp)
Galerie mit 23 Bildern: Kataklysm - Summer Breeze Open Air 2023EPICA
(Main Stage, 19:10–20:30)
Kurz nach sieben legen die Niederländer:innen EPICA auf der Main Stage los und machen ihrem Namen bereits mit dem Intro alle Ehre. Das Infield ist gut gefüllt, auch wenn die Menge noch lose steht und es beim Crowdsurfen später etwas holprig läuft. Passend zu ihrem bombastischen Symphonic Metal haben EPICA einiges an Bühnenbild aufgefahren. Am auffälligsten sind die beiden riesigen Schlangen aus Stahl, die mit Vorliebe Feuer und Rauch spucken. Ein sehr cooles Gimmick ist das Keyboard von Coen Janssen. Dieses läuft auf Schienen einmal quer über die Bühne und dreht sich außerdem um sich selbst. Janssen macht hiervon ausgiebig Gebrauch und sorgt so für genauso viel Dynamik wie der Rest der Band. Außerdem geht er mit seiner Keytar noch eine Runde surfen. Ein Besucher kommentiert dies mit „einfach der geilste Keyboarder!“
Die Interaktion zwischen den Bandmitgliedern sorgt zusätzlich für gute Laune. Dass sie Profis sind und sich definitiv nicht zu ernst nehmen, bringt ihnen reichlich Sympathiepunkte ein. Doch nicht nur EPICA legen sich ins Zeug, auch die Zuschauer:innen leisten ihren Beitrag. Fronterin Simone Simons beurteilt diesen mit „Ihr seid einfach nur geil!“ Mit „Consign To Oblivion“ findet das EPICA-Set schließlich ein gefeiertes Ende. Bei der Verabschiedung wird es noch einmal richtig emotional.
(Angela)
Galerie mit 44 Bildern: Epica - Summer Breeze Open Air 2023AD INFINITUM
(Wera Tool Rebel Stage, 20:50–21:30)
AD INFINITUM feiern am Mittwochabend auf der Wera Tool Rebel Stage ihren ersten Auftritt überhaupt auf dem SUMMER BREEZE Open Air. Die multinationale Band, die dieses Frühjahr bereits ihr drittes Studioalbum veröffentlicht hat, nutzt den Auftritt, um nachdrücklich klarzumachen, dass sie inzwischen zu den festen Genregrößen zählt. Das allein bezeugt die Menge der anwesenden Zuschauer, die sich bereits vor Beginn des Auftritts vor der Bühne drängt. Trotz leichter Sounddefizite auf der Wera Tool Rebel Stage im ersten Drittel des Sets sind AD INFINITUM von Anfang an in ihrem Element und reißen das Publikum mit.
Bereits im ersten Song sichten wir den Anfang eines Stroms Crowdsurfer, der bis zum Schluss nicht abreißen wird. Die frisch verheiratete Melissa Bonny ist der strahlende Mittelpunkt auf der Bühne und wickelt die tobende Meute spielerisch um den Finger. AD INFINITUM liefern gegen Ende des Sets zudem eine astreine Version von “Seth“, bei der eigentlich, wie im Video, nur noch die “Miezen“ von Feuerschwanz fehlen, um die Optik perfekt zu machen. So ist es auch kein Wunder, dass die veranschlagten vierzig Minuten schneller vorbei sind als uns lieb ist. Selten hat das SUMMER BREEZE ein gelungeneres Debüt gesehen!
(Sonja)
Galerie mit 27 Bildern: Ad Infinitum - Summer Breeze Open Air 2023MEGADETH
(Main Stage, 21:15–22:45)
Der erste Headliner-Slot auf dem SUMMER BREEZE 2023 geht an die amerikanischen Metal-Legenden MEGADETH, und die lassen sich nicht lumpen und beginnen ihr Set mit einem Kracher: „Hangar 18“ ist als Battle-Tech-Thrasher und Songklassiker jedenfalls ein Garant für gute Laune. So weit, so gut. Was auffällt: Bandleader Dave Mustaine verzichtet zwischen den Songs auf Ansagen. Okay, dann eben: „Let the music do the talking“. So einfach ist das allerdings auch nicht. Denn irgendwie presst der rotgelockte Frontmann seinen hasserfüllten Gesang etwas schlapp über die Lippen. Und wo Mega-Dave sonst ein Solo nach dem anderen abfeuert, übernimmt sein kongenialer Sidekick Kiko Loureiro heute viele seiner Flitzefinger-Attacken.
Warum auch nicht? Immerhin sind die drei Mit-Musiker mit mega-viel Elan dabei: Drummer Dirk Verbeuren gibt hinter der Schießbude den präzisen Antreiber, Bassist James LoMenzo tigert in seinem ärmellosen „Make America Punk Again“-Shirt ruhelos über die Bühne und Kiko Loureiro… Was der brasilianische Wunder-Virtuose nicht nur bei seinen Soloparts abliefert, hinterlässt zahlreiche offene Münder.
Und ja, songtechnisch ist heute eigentlich auch alles drin: „Angry Again“, „Sweating Bullets“ und „Wake Up Dead“ auf der einen Seite, „À Tout le Monde“, die „Symphony Of Destruction“ und „Peace Sells“ auf der anderen. Nach „Mechanix“ und einer längeren Pause, bei der die Bühne lediglich in blaues und lila Licht getaucht ist, kommt der Frontmann allein wieder auf die Bühne und bedankt sich unter Jubel bei der Menge: Dass er da mehrfach „I love you!“ ruft, kann man auch ohne Ton sehen. Zum Abschluss gibt es noch den wohl größten Hit der Amerikaner: „Holy Wars… The Punishment Due“, der zeigt, dass Band und Publikum Bock haben, bei ersteren aber heute einfach nicht hundert Prozent drin sind.
(Eckart)
Galerie mit 23 Bildern: Megadeth - Summer Breeze Open Air 2023CAGE FIGHT
(Ficken Party Stage, 21:30–22:10)
Am Mittwoch gegen frühen Abend ist es Zeit für einen amtlichen CAGE FIGHT. Die Band aus London entert die Party Stage mit den Worten „This is CAGE FIGHT!“ und brettert direkt los. Fronterin Rachel Aspe headbangt mit ihren tiefblauen Haaren und grunzt rotzig ins Mikrofon. Der spezielle Sound, den CAGE FIGHT selbst als „Hardcore-Thrash-Crossover“ bezeichnen, kommt definitiv auf der kleinen Stage an. Die knallharte Hardcore- Klatsche verfehlt nicht ihr Ziel und bringt einige Köpfe zum Bangen.
Es gibt zwischendurch mit „SUMMER BREEZE loves you“ formschöne Liebesbekundungen an die Band und die Party-Stage-Crowd fordert mit „One More Song“ noch mehr von CAGE FIGHT. Diese liefern natürlich. Die Violent-Dancer-Fraktion ist glücklich und vollzieht anmutige Lufttritte. Am Ende bringt das sogar einen kleinen, feinen Circlepit zum Durchdrehen.
(Jeanette)
SOILWORK
(T-Stage, 21:35–22:35)
SOILWORK sind mit mittlerweile zwölf Alben auf dem Buckel zweifelsfrei eine der routiniertesten Bands im Melodic-Death-Sektor. Das zeigen die Schweden um Frontmann Björn „Speed“ Strid auch am Mittwochabend des diesjährigen SUMMER BREEZE Open Air. Vom ersten Ton an passen Sound und Gesamtkonzept des Sextetts bis ins letzte Detail, wobei sich die sauberen Leads des Gitarrenduos Sylvain Coudret und Simon Johansson bereits beim Opener „Övergivenheten“ sehr gut herauskristallisieren. Auf dem gleichnamigen, aktuellen Album befindet sich auch ein Großteil der an diesem Abend dargebotenen Tracks, wobei Klassiker wie „Stabbing The Drama“ und „The Chainheart Machine“ punktuell eingestreut werden.
Das Ganze wirkt unterm Strich derart professionell, dass der Hauch des Live-Charmes ein wenig verloren geht, insbesondere wenn man sich zuvor die pure Energie der jungen BLEED FROM WITHIN gegeben hat. Apropos, die beschriebene Routine wird bei „Death Diviner“ vom Frontmann der Schotten unterbrochen, der zu ebendiesem Song auf die Bühne kommt und ein weniger einstudiertes Duett mit Strid zum Besten gibt. Nach einem halben Song winkt Scott Kennedy dann nochmal in die Menge und verschwindet wieder hinter der Bühne. Dieser kleine Überraschungsmoment bringt SOILWORK allerdings nicht aus dem Konzept, sodass sie mit „Nerve“ und „Stålfågel“ ihre Show tight und schnörkellos beenden.
(Patrick)
Galerie mit 28 Bildern: Soilwork - Summer Breeze Open Air 2023MOOR
(Ficken Party Stage, 22:40–23:20)
Allererste Show überhaupt! Das ist schon etwas Besonderes, nicht nur für die fünf Hamburger, die im letzten Jahr ihren Bassisten Christian Smukal an einer schwerwiegenden Krebserkrankung verloren hatten. An dieser Stelle steigert sich an diesem späten Mittwochabend so ziemlich alles. Nachdem sich die anfänglichen Rauchschwaden auf der Bühne gelichtet haben, beginnen MOOR mit „Tears From Acrid Smoke“ vor bemerkenswert wenigen Zuschauern. Klar, der atmosphärisch moderne Sludge-/Doom Metal ist kein standardkonformes Fast Food, sondern schmerzhaft, roh und mit dem gewissen Charme des Ungeschliffenen.
Im Laufe der Show findet die Band immer mehr zu sich selbst und lockt darüber hinaus auch signifikant mehr Interessenten vor die Party Stage. Welch‘ Ironie – MOOR ausgerechnet auf der Ficken Party Stage. Aber sei‘s drum, die Norddeutschen spielen in nicht albumchronologischer Reihenfolge ihren bisher einzigen Langspieler „Heavy Heart“ komplett und beenden passenderweise mit dem vielleicht stärksten Titel der Platte „Breath Like Nails“. Dass die instrumentale und gesangstechnische Abstimmung noch nicht immer perfekt passt und Frontmann Ercüment Kasalar zwischenzeitlich dem „Summerfield Open Air“ dankt, sind charmante Stolpersteine, die MOOR real und intensiv werden lassen.
(Patrick)
Galerie mit 10 Bildern: Moor - Summer Breeze Open Air 2023VORGA
(Wera Tool Rebel Stage, 22:40–23:20)
Ernsthaft, schon wieder Masken und Kapuzen? Was wollt ihr verstecken? VORGA so: Mowl und zuhören! In der multinationalen Band spielen Menschen aus Bulgarien, Deutschland und Großbritannien. Sowohl musikalisch als auch ästhetisch ist hier alles stark angeschwärzt. Trotzdem geht uns bei VORGA nicht nur ein Licht auf, denn das nutzen sie als Stilmittel: Пешо Спейса, Gitarrist und Sänger, steht hinter einem großen, in Rot beleuchteten Pentagramm und aus einigen Gesichtern scheint UV-Corpsepaint von der Bühne. Weitere Leuchten bringen noch mehr Lichtimpulse. Irgendwie cool!
Weil es vor allem auf die Musik ankommt, hören wir jetzt noch genauer hin. Tatsächlich überzeugen VORGA auch an den Instrumenten und am Mikro. Auf ihrer Website steht, dass sie mit ihren Stücken Hoffnungslosigkeit und Ehrfurcht einfangen wollen. Da prallt das Lichtkonzept erst einmal gegen. Doch mit dem transzendent vertonten Black Metal harmoniert die dystopische Grundstimmung sehr gut. Nur das animierende „Are you with us?“ passt nicht wirklich.
Nachdem das mittlere Tempo in den ersten Liedern dominiert, treten VORGA auch aufs Gaspedal. So ergänzen sie dem positiven Eindruck auch genug Abwechslung für ein gesamtes Set – als Song-Pate steht hier das vielseitige „Fool‘s Paradise“ von „Striving Toward Oblivion“. Das zündet, denn nachher sollen sich einige lobend über den Auftritt äußern. Da stimmen wir gern zu.
(André)
Galerie mit 20 Bildern: Vorga - Summer Breeze Open Air 2023IN EXTREMO
(Main Stage, 23:25–00:35)
Die Jüngsten sind IN EXTREMO längst nicht mehr. Insofern ergibt es wohl Sinn, dass Frontmann Michael Rhein die rund zehnminütige Verspätung seiner Band augenzwinkernd mit „technischen Problemen, weil noch jemand Wasser lassen musste“ erklärt. Doch vom Moment an, als die Musiker zur Melodie des alten MITHOTYN-Gassenhauers „Tills Dagen Gryr“ die Bühne betreten und mit „Troja“ in ihr Set einsteigen, gibt es im Publikum kein Halten.
Freilich sind IN EXTREMO ohnehin ein Garant für starke Bühnenaction und unterhaltsame Shows, heute scheinen sie jedoch regelrecht einem Jungbrunnen entstiegen. Der sonst gewohnt räudige Straßenköter-Charme einer trinkfesten Spielmannstruppe tritt in den Hintergrund, zugunsten einer ungemein tight aufspielenden Rockband mit absolut perfektem Timing. Auch Fronter Michael ist extrem gut bei Stimme, trifft jeden Ton und wirkt mit seinem kraftvollen Heldenbariton gleich um mehrere Jahre verjüngt.
Mit der neuen Single „Weckt Die Toten“ geben IN EXTREMO einen Vorgeschmack auf das neue Album, an dem sie gerade arbeiten. Und der kann sich hören lassen, finden auch die Fans, die das Stück in gleicher Weise abfeiern wie die übrige Best-Of-Songauswahl. Von Toten, die sich leider nicht mehr wecken lassen, handelt hingegen das Anti-Kriegslied „Lieb Vaterland, Magst Ruhig Sein“, dessen politische Aktualität Rhein in seiner knappen Ansage betont und damit einen gedanklichen Bogen zum russischen Überfall auf die Ukraine schlägt, ohne diesen direkt beim Namen zu nennen.
Letztlich stehen aber doch Party-Hymnen und Trinklieder im Zentrum des Schaffens von IN EXTREMO. Folgerichtig wird bei „Sternhagelvoll“ im gesamten Infield unermüdlich mitgegrölt und geschunkelt. Der unvermeidliche „Spielmannsfluch“ fällt heute hingegen aus, vermutlich aufgrund des verspäteten Starts und der daraus resultierenden Spielzeitkürzung. In Sachen Feuereffekte und Pyros geht die Band hingegen keine Kompromisse ein und feuert zum Abschluss ihres Gigs noch einmal aus allen Rohren, inklusive einer beeindruckenden Batterie an Feuerwerksraketen, die in spektakulärer Weise minutenlang gen Nachthimmel geschickt werden.
(Floh)
Galerie mit 19 Bildern: In Extremo - Summer Breeze Open Air 2023SEPULTURA
(T-Stage, 23:25–00:25)
Es ist spät geworden auf dem SUMMER BREEZE, als SEPULTURA ihr Set auf der T-Stage beginnen. Es ist dieses Jahr bereits ihr zweiter Auftritt im SUMMER BREEZE-Kontext, denn im April waren sie bei der ersten Ausgabe in Brasilien vertreten. Von Ermüdungserscheinungen kann trotz später Stunde weder bei der Band noch beim Publikum die Rede sein. So sorgt der direkte und druckvolle Einstieg für ordentlich Bewegung in der Menge. Mit „Territory“ geht es im Anschluss zurück ins Jahr 1994. Mit einem „Servus“ begrüßt Fronter Derrick Green das Publikum auf bayerischem Boden und erhält auf sein „Dankeschön!“ ein nachdrückliches „Bitteschön!“ zurück. Obwohl der Auftritt im Zeichen der „Quadra„-Tour steht, verspricht die Band Stücke aus der ganzen Bandgeschichte.
Mit „Means To An End“ wird es zunächst aktuell und rasant. Die Grabenschlampen sind schon bald gut beschäftigt. Zu dieser Uhrzeit ziehen sie oft auch nicht mehr ganz so nüchterne Gestalten aus der Menge, was zu teils amüsanten Anblicken im Graben führt. Das Malteser-Team muss zum Glück nicht eingeschaltet werden und kann stattdessen den Auftritt genießen, was es auch sichtlich tut. Mit arrhythmischen Passagen und tanzbarem Groove bieten SEPULTURA Abwechslung und pushen das Publikum sukzessive hoch, bis sie schließlich mit dem Rausschmeißer „Roots Bloody Roots“ ihr bestes Pferd im Stall raushauen. Stillstehen ist spätestens jetzt vollkommen unmöglich und auch des Drangs, der Band den Refrain entgegenzubrüllen, kann sich niemand mehr erwehren.
(Angela)
Galerie mit 24 Bildern: Sepultura - Summer Breeze Open Air 2023U.D.O.
(Main Stage, 01:00–02:00)
Es gehört bestimmt nicht zu den dankbarsten Aufgaben, den Tag auf der Main Stage nach MEGADETH und IN EXTREMO zu beschließen. U.D.O. meistern die Aufgabe allerdings mehr als souverän. Das Bühnensetting wirkt angenehm reduziert und auch sonst überzeugt das Oldschool-Flair. Nebelschwaden hüllen die Bühne ein und der klassische Heavy Metal vom inzwischen 71-jährigen Udo Dirkschneider und seinen Kollegen lockt noch mal Jung und Alt aufs Infield. Alles sitzt und auch die kleine Verzögerung zu Beginn fällt kaum noch auf, als sich U.D.O. durch ihr unter anderem mit „Animal House“, „Holy Invaders“ und „One Heart One Soul“ gespicktes Set spielen. Ein schöner Abschluss eines starken ersten Tages auf der Hauptbühne.
(Jan)
Galerie mit 25 Bildern: U.D.O. - Summer Breeze Open Air 2023NANOWAR OF STEEL
(T-Stage, 01:15–02:15)
Wer düsteren Metal mit bierernster Show, vorgetragen von trven Musikern mit langer Matte und konzentrierten Mienen wünscht, der findet das nicht bei NANOWAR OF STEEL. Hier ist der Unsinn Programm und hat Methode. Das fängt schon bei den Kostümen der Truppe an, die von rosa Tutu über Kostümierung à la orientalischer Prinz bis hin zu Superhelden-Spandex wie aus „X-Men – First Class“ und Pumuckl-Perücke wirklich nichts auslässt. Entsprechend bunt ist auch das Programm. Die Band hat die Lizenz für Flachwitze und die wird weidlich ausgenutzt. Wenn auch nicht immer in vernünftigen Grenzen. Ob man wirklich Witze über Varg Vikernes, Burzum und brennende Kirchen machen muss, steht auf einem anderen Blatt. Beim zu dieser späten Stunde gut angeheiterten und zahlreich vertretenen Publikum zünden jedoch alle, selbst dieser, prächtig.
Der Mob macht bereitwillig alles mit, was ihm die munteren Italiener auftragen – von “Flugstunden auf Italienisch“, um im Song “Il Cacciatore Della Notte“ das Wort “Barbagianni“ (= Schleiereule) brüllend, ordentlichen Flügelschlag darzustellen bis hin zu einer “Wall Of Love“ mit Knutschen und Kuscheln. Besonders viel Anklang findet der mannsgroße aufblasbare Orca, der in die Menge geworfen wird. Mindestens eine Crowdsurferin hat den Weg bis zum Bühnengraben erfolgreich auf dessen Rücken reitend zurückgelegt, ohne in der Menge baden zu gehen. Auch der “Norwegian Reggaeton“ wird eifrig getanzt und gefeiert. Zu den Klängen der Titelmelodie von Raumschiff Enterprise erklären NANOWAR OF STEEL, ihre Mission sei “to find the joke that no one has ever before“. Nun sind heute in dieser Hinsicht nicht nur Volltreffer dabei. Nichtsdestotrotz ist der Auftritt an sich herrlich amüsant und unterhaltsam. Wer mal wieder Training für die Lachmuskeln braucht, ist bei NANOWAR OF STEEL bestens bedient.
(Sonja)
Galerie mit 25 Bildern: Nanowar of Steel - Summer Breeze Open Air 2023Interessante Alben finden
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