Suicide Commando
Mindstripping Tour 2000 ( Hannover )
Konzertbericht
Industrial Festival lautete der Titel der Veranstaltung in der 60er Jahre Halle auf dem Gelände des Faust. Dies überhaupt zu finden war für Ortsunkundige, trotz Anfahrtsbeschreibung, allerdings kein leichtes. Etliche gestoppte Passanten, Radfahrer und Tankstellenwächter mussten Rede und Antwort stehen, um den Weg zu weisen und so kreisten wir nach und nach, durch das Gewirr von Einbahnstrassen, das Faust ein. Gegen halb zehn lag es dann an Frames a second diesem Abend zu einzuleiten, die den vergleichsweise ruhigsten Part ablieferten. Die schleppenden Soundcollagen schienen dem Großteil der gut gefüllten Halle zu harmlos zu sein und dienten eher als Hintergrundbeschallung für persönliche Gespräche. Am Ende des Halbstündigen Sets zogen Frames a second das Tempo allerdings ein wenig an und überraschten mit kräftigen, tanzbaren Beats, die eine gute Einstimmung auf den nächsten Knöpfchendreher bildeten. Nach einer viertel Stunde Umverkabelung stand Eric van Wonterghem, Monolith in Personalunion, auf der Bühne, dessen extrem rhythmischen Krach ich vom letzten Album „Tribal Globe“, wie es der Name des Albums schon andeutet, viel triballastiger in Erinnerung hatte. Das Augenmerk lag heute eher auf der technoideren Seite und die straffen Beats brachten somit erste Bewegungen in die Zuschauerreihen. Nach einer halben Stunde war die Zeit für Monolith auch schon abgelaufen und Eric van Wonterghem verschwand fast fluchtartig wieder in den „sicheren“ Backstagebereich – ob er in seiner gebeugten Haltung, die Augen stets auf die Knöpfe gerichtet, denn nicht bemerkt hatte, dass er beim Publikum gut ankam ? Nach kurzer Pause war die Bühne für den Auftritt von Dive freigegeben, bei dem sich der Pfeiler mitten vor der Bühne zum ersten Mal wirklich negativ bemerkbar machte, da die anderen Projekte im Gegensatz zu Dive eher statisch agierten und man sich seines guten Blickwinkels über den gesamten Verlauf des Sets versichert sein konnte. „True Lies ( one )“ bildete den Einstieg in die vierzigminütige Show, in der mir der umherzuckende Dirk Ivens so erschien, als versuchte er eine Riesen-Python in Form eines Mikrofonkabels zu bändigen. Die Sprünge auf der musikalischen Zeitskala von Dive ließen sich anhand des zunehmenden oder abschwellenden Noise Anteils bestens mitverfolgen und auch das Megaphon ( ein lieblich anzusehendes blau-weißes ) wurde hervorgekramt, mit dem Herr Ivens den Mikroständer regelrecht beschwörte. „Bloodmoney“, „Machinegun Baby“ oder „Sidewalk Sinner“ peitschten regelrecht durch die Reihen und zwangen die Massen zur Bewegung. Mit „Rocket USA“ gab es noch eine Zugabe bevor Herr Ivens reihum alle Gerätschaften abschaltete.Eine gute halbe Stunde Pause verging, bis der Headliner Suicide Commando das Zepter der Bühne übernahm. In der Pose des Gekreuzigten verharrte Johan van Roy, währenddessen das Eingangssample „Welcome to slavery“ verklang, um mit „Jesus wept“ den ersten Kracher des neuen Albums „Mindstrip“ loszulassen. Der bereitgestellte Dia Projektor kam bei Suicide Commando das erste Mal richtig zum Einsatz und warf Bilder zerschundener Körper, von Skeletten und anderen düster, morbiden Bildern zur visuellen Unterstützung der EBM Kracher an die Wand. Während der nächsten Stunde gab es hauptsächlich neue Stücke wie „Comatose Delusion“, „Body Count Proceed“ oder „Mind stripper“ zu hören, aber auch ein Klassiker wie „Desire“ durfte nicht fehlen. Johan van Roy mimte dazu den Psychopaten, unter dessen Schädeldecke sich Wahnvorstellungen winden und aufstauen. Das Zentrum der Qualen in seinen Händen liegend, die Augen verdrehend, schien die einzige Linderung darin zu bestehen den Wahn hinauszuschreien oder letztendlich mit verzweifelten Schlägen auszutreiben. Bei „Hellraiser“, einem der letzten Stücke dieses Abends, entlud sich dann die aufgestaute Energie des Publikums in einem wilden Getobe Beat betäubter Körper. Zwei Zugaben konnten dem Trio abgerungen werden, aber die lautstarken wechselseitigen Rufe „See you…“ vom linken Bühnenrand und „…in hell“, der entgegengesetzten Seite, nach weiterer Beschallung, blieben unerhört.
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