Stoned From The Underground 2022
Der große Festivalbericht
Konzertbericht
Stoned From The Underground:
Samstag, 16. Juli
Auch am letzten Tag gibt es noch einige kurzfristige Änderungen. Diese betreffen einerseits die Running Order, die ein stückweit durcheinander gewürfelt wird, andererseits fallen CONFUSION MASTER aus und werden durch die CANNABINEROS ersetzt.
Zum Auftakt servieren im Zelt die Nürnberger VTS-M (VERSUS THE STILLBORN-MINDED) einen bedrohlich und finster grollenden Mix aus Sludge und Doom, der musikalisch irgendwo zwischen YOB und CATHEDRAL angesiedelt ist. Die meisten ihrer vereinzelt episch langen Songs leben von ab- und aufschwellender Dynamik und Intensität, wobei sich diese sachte und sphärisch aufbauen, um schließlich in mächtigen Gitarrenwänden und markanten Growls zu eruptieren. Ein gut austarierter Wechsel aus Anspannung und Entspannung, Melodie und Brutalität, der zündet und für die frühe Mittagszeit schon außergewöhnlich viele Schaulustige ins Zelt und in seinen Bann zieht.
Die folgenden CANNABINEROS sind ein Duo aus Berlin, das gestern noch keine Ahnung davon hatte, dass sie heute auf dem SFTU spielen würden, als Nachnominierung für die ausgefallenen CONFUSION MASTER aber kurzentschlossen gerne zur Verfügung steht. CANNABINEROS bestehen aus Gitarrist Igor Suvorov und dem agilen, durchgängig headbangenden Drummer Säsh Dustown, der auch den Gesangspart übernimmt. Geboten wird roher Heavy-Rock mit einem hohen Adrenalinpegel, zu dem die Headbanger vor Ort ihre Nackenmuskulatur auf die Probe stellen können.
Nun folgt der Wechsel zur Open-Air-Stage, wo nach dem Gig von VTS-M zum zweiten Mal an diesem immer noch frühen Tag die Sludge- und Doomfraktion beglückt wurde: EREMIT aus Osnabrück liefern, hinter einem mittig vor der Bühne platzierten Riesenschwert, einen intensiven Auftritt, der deutlich vielschichtiger war als der ihrer Nürnberger Vorgänger aus dem gleichen Genre. Hier treffen schleppend langsame, repetitive Funeral-Doom-Parts auf galoppierenden nordischen Black Metal und psychdelische Einsprengsel mit Trompetentupfern. Ein emotionaler Ritt zwischen Wut, Tristesse, Düsternis und Agonie, der durchweg fesselnd ist.
Ihre Nachfolger von THE GREAT ESCAPE stammen wie MY SLEEPING KARMA aus Aschaffenburg. Kein Zufall, denn die Bands sind personell eng verwoben, Bassist Matthias Vandeven und Drummer Steffen Weigand sind in beiden Kapellen aktiv. Komplettiert wird die Band von Uwe Lückert, der den Gitarrenpart und die Vocals übernimmt. Musikalisch geht es bei THE GREAT ESCAPE aber in eine andere Richtung, denn bei ihnen regiert treibender, melodischer Stoner-Rock mit reichlichem Einsatz von Wah-Wah-Gitarren, wobei hier und da BLACK-SABBATH-Momente und ein dezenter Schuss Metal aufblitzen. Die letzte ihrer drei Veröffentlichungen „Nothing Happens Without A Dream“ kam vor 17 Jahren raus, insofern lässt der Gig alte Zeiten aufleben.
Für das nächste Konzert wechseln einige Anwesende ihr Outfit und legen die „Turbojugend“-Kutte an: SCUMBAG MILLIONAIRE aus Göteborg schicken sich an, mittels trashiger, punkiger Streetrock-Granaten im Stil der HELLACOPTERS oder TURBONEGRO, sowie reichlich verkörperter Street Credibility und Rock ’n‘ Roll-Attitüde am heutigen Tag den Part der Partystarter zu übernehmen. Beginnend mit „Gotta Move“ und „Fast Action“ fetzt der Vierer Powerchord um Powerchord in die Menge, in der sogleich zahlreiche Crowdsurfer ihre Bahnen ziehen. Inmitten eigener Klassiker der Marke „Full Speed Go“ oder „Go! Go! Go!“ wurde mit „Shoot You in the Back“ noch eine packende Reminiszenz an MOTÖRHEAD eingewoben. Mit „No Speed“ findet das schweißtreibende Spektakel schließlich einen würdigen Abschluss.
Ursprünglich waren nun SLOMOSA angekündigt, die ihren Slot aber mit S.U.G.A.R. aus Berlin tauschen, die wiederum eigentlich das Festival beschließen sollten. Das ehrwürdige Maximum Rocknroll Fanzine beschrieb deren Stil einst als „slick, greasy Rock ’n‘ Roll Punk“, und das trifft den Nagel auf den Kopf: Was Sänger und Gitarrist Flo Krämer, Bassist Padde Problème und Drummer Thee Mighty Miff abliefern, ist ein räudiger Bastard aus rotzigem Oldschool-Punk mit drei, häufig nur zwei Akkorden, samt einer Kante Schweinerock, der an die australischen COSMIC PSYCHOS erinnert. Stimmungstechnisch knüpft das Konzert annähernd an das ihrer deutlich bekannteren Vorgänger an, was wahrlich keine einfache Aufgabe war und als großes Kompliment gewertet werden darf.
Die nächste Berliner Band erklimmt die Bühne: Dieses Mal in Gestalt der rein instrumentalen Desert Rocker von ROTOR, die ihre Alben vom Debüt „1“ bis hin zum aktuellen Werk „6“ allesamt schlicht durchnummerieren. Ebenso ungewöhnlich sind ihre Songtitel wie etwa „Rabensol“, „Bösewicht“, „Kahlschlag“ oder „Volllast“, die sie im Laufe der knapp einstündigen Spielzeit servieren. Im Kern erinnert ihr Sound an KYUSS ohne Gesang, jedoch deutlich vertrackter durch den häufigen Wechsel der Songstrukturen, von Rhythmus und Dynamik. Streckenweise wirkte das ein wenig zu kühl, verkopft und theoretisch, aber bevor es anfängt monoton zu werden, wird im nächsten Moment wieder auf leidenschaftliche, mitreißende Passagen abgehoben, in denen eine mächtig groovender Soundwall aufgetürmt und minutenlang beackert wird. Unterm Strich ein spannendes Konzert sehr guter Musiker, die abseits der genretypischen Pfade ein erfrischend eigenständiges Werk geschaffen haben.
Die Heavy-Psychedelic-Rocker von KING BUFFALO aus Rochester, New York, waren äußerst ambitioniert und produktiv während des Corona-Stillstands: Mit „The Burden of Restlessness“ und dem später folgenden, in einer Höhle eingespielten Komplementär „Acheron“ wurden in dieser Zeit bereits zwei komplette, recht unterschiedliche Alben veröffentlicht, und ein drittes namens „Regenerator“ wird kommenden September nachgelegt. Stücke der beiden erstgenannten, darunter „Cerberus“, „Silverfish“ oder „Hebetation“, bilden den Schwerpunkt ihrer mit älteren Songs erweiterten Setlist. Das Trio um Mastermind Sean McVay bietet eine atmosphärisch sehr dichte Performance mit starken Songs, die musikalisch teils in trippigen Spacerock ausufern, dann wieder zu heftig repetitiv groovendem Retro-Rock zurückkehren – eine emotionale Achterbahnfahrt zwischen sphärisch beschwingt und düster-bedrückend, getragen von einem immens fetten Soundgerüst. Als Referenzen dürfen dabei Bands wie die frühen PINK FLOYD (zu Zeiten von „Be Careful With That Axe, Eugene“ oder „Interstellar Overdrive“) oder TOOL herhalten. Ein intensiver Auftritt, der die Anwesenden in seinen Bann zieht und in entrückte Hemisphären katapultiert.
Mit den schwedischen GRAVEYARD, die bisweilen als LED ZEPPELIN der Neuzeit gehandelt werden, steht der letzte Headliner-Gig des Festivals an. Und damit eine weitere musikalische Zeitreise mittels Bluesrock und Psychedelic in die Spätsechziger, allerdings in modernem Soundgewand. Diese startet das Quartett um Sänger und Gitarrist Joakim Nilsson mit der ausgekoppelten Single „Goliath“ vom „Lights Out“-Album, und auch sie schaffen es in der Folge mit fortschreitender Spieldauer, die Tausenden vor der Bühne mit ihrem warm groovenden Retro-Rock völlig in ihren Bann zu ziehen. Was viele gefreut haben dürfte: Gleich fünf Songs gab es vom Album „Hisingen Blues“ auf die Ohren, das viele auch elf Jahre nach dessen Erscheinen für ihr bestes Werk halten, darunter unter anderem den Titeltrack, „No Good, Mr. Holden“ oder „The Siren“. Vom aktuellen Album „Peace“, das vor vier Jahren erschien, weiß vor allem „Walk On“ mitzureißen. Aber unabhängig von einzelnen Titeln: Es gibt nicht viele Bands auf dem Planeten, die den musikalischen Spagat zwischen Sixties und Moderne so authentisch inszenieren wie die Göteborger, und da sie dies auch live großartig umzusetzen wissen, entwickelt sich ihr Auftritt zu einem der Highlights des Festivals – ein würdiger Headliner!
Ein letztes Ausrufezeichen zum definitiven Abschluss hat das diesjährige SFTU aber noch in petto, denn auf der kleinen Zeltbühne läuten die zuvor bereits erwähnten SLOMOSA das Finale Furioso ein. Die norwegischen Desertrocker hatten ganz offensichtlich mächtig Bock auf das Konzert, und die Crowd ebenso, nochmal alle restlichen Energien zu bündeln und richtig abzufeiern. Ein eingängiger Hit jagte den nächsten, darunter „In My Mind’s Desert“, „Kevin“, „Horses“ oder „There Is Nothing New Under the Sun“. Ein lautstarkes „Happy Birthday“ schmetterte das Publikum zwischendrin für das Geburtstagskind Marie Moe am Bass, und mit der Zugabe „On And Beyond“ endet ein charismatischer Gig und das Festival.
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