Stoned From The Underground 2022
Der große Festivalbericht
Konzertbericht
Stoned From The Underground:
Freitag, 15. Juli
Nach einer für viele nur kurzen Nacht beginnt der zweite Tag auf dem SFTU mit der schlechten Nachricht: Der für heute angekündigten Headliner COLOUR HAZE muss den Auftritt leider krankheitsbedingt canceln. Da so kurzfristig kein adäquater Ersatz gefunden werden konnte, wird den anderen Bands, um die entstehende Lücke im Zeitablauf zu füllen, eine längere Spielzeit eingeräumt.
Die Rolle des Openers auf der Zeltbühne kommt um die Mittagszeit dem Dortmunder Trio SCORCHED OAK zu, die gekonnt staubtrockenen Stoner-Rock mit einer deutlichen Kante Heavy-Blues und eingestreuten Doom-Passagen verschmelzen. Zweistimmiger Gesang trifft auf weitläufige Instrumentalparts. Der Schwerpunkt ihrer Setlist liegt auf dem vor zwei Jahren erschienenen Album „Withering Earth“. War das Zelt anfangs noch überschaubar gefüllt, tummeln sich zum Schlussakkord bereits gut 150 Leute.
Der Truppe aus dem Ruhrpott folgen die Regensburger KOLOSSUS DÄÄCHT, die mit ihrem Album „Lipstick Love“ ein spannendes Debüt herausgebracht haben – gespickt mit kurzen, knackigen Songs, die selten länger als zwei bis drei Minuten dauern, sich dafür aber umso länger in der Ohrmuschel festsetzen. Denn ihr scheppernder, schrammeliger Garage-Rock im Stil der 60s/70s fetzt nicht nur ordentlich, sondern liefert obendrein auch noch reihenweise catchy Refrains mit. Das Ganze klingt live sogar noch eine Schippe rauer und packender, ohne dass die Songs diese gewisse Lässigkeit verloren, die sie auf Platte auszeichnet.
In eine völlig andere musikalische Kerbe schlagen anschließend die Berliner KRACH BUMM als erste Band am Freitag auf der großen Hauptbühne. Sie selbst definieren ihren Sound als „a space shuttle crashing into the pyramids of giza“ und haben Songtitel wie „Uschi Uf’m Moped“, „Risiko Grün“ oder „Mohnkapsel“ im Repertoire. Das klingt nach einer gewissen freakigen Freigeistigkeit, und auch musikalisch lässt sich der Sound des Trios in keine der üblichen Schubladen packen. „Gottes Griff in’s Klo“ versetzt einen zurück in die Ära des Krautrocks, bei anderen Nummer überwiegt relativ straighter Progressive-Rock, um alsbald wieder in sehr experimentelle Gefilde mit einem gewissen Jam-Charakter abzugleiten. Alles sehr retro und analog, alles sehr gekonnt gespielt.
Ihre Nachfolger von PYRIOR sind ebenfalls in Berlin beheimatet, und auch sie nehmen das Publikum mit auf eine Zeitreise in die Vergangenheit – allerdings etwas weniger verschroben und krautig wie ihre Vorgänger, dafür aber zielgerichteter und eingängiger. Mit dominanten Bassläufen, groovenden Drums und Gitarren, die zwischen markanten Heavy-Riffs und psychedelischen Linien wechseln, kreieren sie eine überwiegend instrumentale Wall of Sound, die irgendwo zwischen Stoner, Spacerock und proggigem Oldschool-Hardrock firmiert.
Nach diesen vielschichtigen Klanglandschaften gehen DAILY THOMPSON deutlich direkter zu Werke und schalten mit ihren eingängigen, äußerst fett groovenden Songs in den Partymodus. Schon mit dem Opener „She’s So Cold“ gewinnen sie die Anwesenden für sich, was auch so bis zum abschließenden „Nimbus“ vom aktuellen Album „God of Spinoza“ bleibt – vor allem Bassistin Mercedes „Mephi“ Lalakakis verkörpert dabei die pure Spielfreude und rockt mit einem seligen Dauergrinsen im Gesicht angesichts der feiernden Meute.
Auf die Ohren gibt es spacige Fuzz-Gitarren, eine Prise Noise, knarzigen Indie-Rock im Stil der WHITE STRIPES und häufig wechselndem Gesang von Lalakakis und Gitarrist Danny Zaremba. In Erinnerung bleibt ein Gig, der wohl ausnahmslos jedem quer durch alle musikalischen Vorlieben einfach verdammt viel Spaß gemacht hat.
Wer zuvor schon einmal VALIENT THORR live erleben durfte, weiß, dass mit deren Gig noch ein paar Liter Benzin in die lodernde Stimmung gegossen werden dürfte, und genau so kommt es auch. Der Fünfer aus Greenville in North Carolina darf ohne Übertreibung als ein unvergleichliches Phänomen gesehen werden. Sie sehen nicht nur aus wie eine Horde bärtiger Weirdos, haben eine krude Alien-Legende gestrickt (man kommt offiziell vom Planeten Venus), gehen auf der Bühne ab als gäbe es keinen Morgen mehr oder streuen in ihren Lyrics und Ansagen reichlich Politik- und Sozialkritik fernab des Stammtischniveaus – sie liefern auch noch packenden High Voltage Southern Rock mit einer Prise Metal ab, der wie THIN LIZZY nach einer Koksorgie klingt. Ein Auftritt mit Songs aus über zwanzig Jahren Bandhistorie, der mit den Adjektiven authentisch, mitreißend, speziell und inspirierend nur unzureichend beschrieben ist.
Bei ihren Nachfolgern kommen nun wieder die Fans des Stoner Rocks auf ihre Kosten, denn mit SASQUATCH aus Los Angeles geben sich Granden der Szene die Ehre. Schon mit dem ersten Stück „Just Couldn’t Stand The Weather“ wurde ein Ausrufezeichen gesetzt, denn was das Trio abliefert hat einfach Qualität. Seien es die mächtigen Riffs, die Keith Gibbs seiner Gitarre entlockt, seine prägnante Stimme, die ebenso aggressiv wie melodisch klingen kann, das druckvolle, präzise Schlagzeugspiel von Rick Ferrante oder die Basslinien, die Jason Casanova beisteuert – es formt sich alles zusammen wie aus einem Guss. Wenn hier und da noch eine Prise Metal hinzugefügt wird, klingt das in den besten Momenten wie eine Dampfwalze, die alles platt drückt. Die Highlights ihres Sets sind der psychedelisch angehauchte Klassiker „Pull Me Under“ und „Chemical Lady“, aber auch zwei ganz neue Stücke („Live Snakes“ und „It Lies Beyond The Bay“) vom erst kürzlich veröffentlichten Album „Fever Fantasy“ fügen sich nahtlos ein und werden gefeiert.
Durch den Ausfall von COLOUR HAZE ging der Part des Headliners auf MY SLEEPING KARMA über, die live immer ein sicher gesetztes Ausrufezeichen sind und auf einen riesigen Fundus großartiger Songs zurückgreifen können. Die Aschaffenburger mäandern seit 2006 in den Untiefen des rein instrumentalen Psychedelic Post Rock und haben diesem als Trademark eine mystische, fernöstliche Komponente hinzugefügt, die sich unter anderem in den repetitiven, nahezu meditativen Grooves, eingefügten Soundboard-Schnipseln und auch den Song-/Albumtiteln widerspiegelt. In tiefblaues, dunkles Licht gehüllt und vor einer Leinwand mit wechselnden Visuals beginnt die intensive musikalische Reise mit „Brahama“. Weiter geht es querbeet durch die bisherigen sechs Alben, und wie üblich schafft es das Quartett, sich selbst und das Publikum peu a peu in einen hypnotischen Rausch zu spielen. Ein siebtes Album („Atma“) wird Ende Juli erscheinen, und die beiden daraus bereits live performten Songs (darunter das als Vorab-Single veröffentlichte „Prema“) steigern die Vorfreude darauf.
Wer nach diesem elektrisierenden Ausflug in entrückte Klangsphären noch die Power und Lust hat, zum Abschluss ordentlich Dampf abzulassen, strömt weiter vor die Zeltbühne zu den niederländischen TANKZILLA. Das Duo besteht aus Drummer Marcin Hurkmans sowie Sänger und Gitarrist Peter Van Elderen, der einigen noch als Frontmann der aufgelösten PETER PAN SPEEDROCK bekannt sein sollte. Und die beiden drehen den Energieregler bis zum Anschlag hoch – kaum zu glauben, dass dieser druckvolle, rasend schnelle, dreckige Rocksound von lediglich zwei Leuten und nicht einer mehrköpfigen Band fabriziert wird. Gespiegelt wird diese Energie vom Publikum, das bis zum Schlussakkord die vordere Hälfte des Zelts in einen tobenden Moshpit verwandelt.
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