Skitliv
Skitliv
Konzertbericht
Mit etwas Verzögerung hatte vorher die ganze Veranstaltung begonnen, gab es doch Komplikationen bei den Flügen. Kaum verwunderlich, kennt man die offiziellen Anforderungen für die raren Ensemble-Auftritte: Von der Westküste, Ostküste, dem mittleren Westen der USA, aus Kanada, Großbritannien und dem europäischen Festland kommen die CURRENT-93-Musiker zusammen, wenn sie in großer Besetzung aufspielen. Auch SKITLIV waren wohl etwas verplant unterwegs, jedenfalls gab es beim Merchandise lediglich ein altes Album, ein weißes sowie ein schwarzes T-Shirt von SHINING (sic!). Im Vorraum wurde dann auch eher die Bar vom recht durchmischten Publikum frequentiert. Neben einigen relativ jungen Musikfreunden aus der Gothic/Metal/Industrial-Ecke waren viele grau melierte Genießer, Vertreter der intellektuellen Indie-Szene und Alt-Hippies unter den Zuschauern, die sich schließlich wieder im Musiksaal einfanden, in dem der Sound übrigens an beiden Abenden ausgezeichnet war. Halbkreisförmig war die Bande der Musikanten aufgereiht, als David Tibet barfuss und mit Hut an sein Pult trat, um ein paar alte Lärmklassiker zu begleiten. Mit ’Raio No Terrasu (Jesus Wept)’ wurde ein frühes Highlight gesetzt. Ursprünglich war der Song übrigens dem Gedenken Yukio Mishimas gewidmet – japanischer Schriftsteller, homosexuell und auch von Rechtsradikalen geschätzt, starb er doch 1970 durch Selbstmord im Rahmen eines Restaurationsversuches. Auch mit DEATH IN JUNE, ebenfalls Neofolk-Pioniere, kooperierte David Tibet in der Vergangenheit – worauf er heute wohl nicht mehr so gerne angesprochen wird. Die Band war und ist umstritten. Gründungsmitglied Douglas Pearce bekennt sich beispielsweise offen zu seinem Fetisch für Männer in Uniformen und badet gerne mal in sumpfigen Politgewässern. Gewohnt doppeldeutig wurde von ihm vor einigen Jahren online eine CD mit kostenlosen Remixen alter Kooperationen unter dem Titel “Free Tibet“ veröffentlicht. Pearce und Tibet sollen seit längerer Zeit zerstritten sein. Jedenfalls klagte der Poet auf der Bühne gezogen „Jesus wept“, während seine Band hochgradig ergreifende Missklänge erzeugte. Es ist halt etwas anderes, wenn nicht Computer-Noise oder alte Bandschleifen zur Klangerzeugung genutzt werden, sondern Keyboard, Bass, Cello, diverse Gitarren und eine elektrische Bratsche sich live voller Spannung auf düster-schöne, insgesamt doch überraschend musikalische Höhen emporschwingen. Bei der Bratsche musste allerdings mitten in einem Stück am Verstärker geschraubt werden, bevor sie wieder vernehmbare Töne von sich gab. Nach und nach fielen Hut, Bierflasche, Textblätter und -ständer, Tibet hüpfte erleichtert herum, aktuelleres Material wurde interpretiert (rockig, nicht folkig), Maniac kam noch mal auf die Bühne, man umarmte sich auf dem Boden sitzend und stimmte kurz ein kindliches „Lalala…“ an. Der erste Konzertabend war gewissermaßen das Nacherleben der Reise zur Erlösung. Am zweiten sollte es gelassener werden.
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