Silent Concert in Hannover
Metal mit Kopfhörern
Konzertbericht
Im Rahmen des Silent Concerts konnten wir mit Hendrik „Henna“ Deutsch, Vorsitzender des Metal-Clubs 30666, plaudern – und ihm bezüglich des ungewöhnlichen Konzepts ein wenig auf den Zahn fühlen.
metal.de: Ihr veranstaltet als Verein 30666 unter dem Namen „Silent Concert“ dieses Konzert, das im Sitzen und für die Zuhörenden über Kopfhörer läuft. Erstmal die offensichtliche Frage: Wie seid ihr denn darauf gekommen und wie habt ihr diese Idee entwickelt?
Henna: Das war eigentlich ziemlich simpel. Man kann drinnen keine Konzerte machen, man kann draußen keine Konzerte machen – das ist laut, also probieren wir es mit Kopfhörern! Ich hatte Zugriff auf die technische Infrastruktur und dann war die Idee auch schon geboren.
Wie lange war der Vorlauf für dieses Konzert?
Mitte August 2020 wurde die Idee geboren. Also nicht mal nen Monat her…
Mit CIRCUIT BREACH (Symphonic/Melodic Death Metal), LORIMER BURST (Post-Rock) und THE BLACK COURT (Melodic Death Metal) habt ihr gleich drei Bands an Bord. Wie schwer war es, diese vom Konzept zu überzeugen? Es ist ja auch ein besonderer Gig für die Bands…
Ha, die sind alle gerade hungrig. Wahrscheinlich hätten wir sogar alle gekriegt (lacht). Wir haben uns ein bisschen an die Fête de la Musique gehalten, die ist ja dieses Jahr ausgefallen. Die Bands wären auch im Line-Up gewesen, daher haben wir uns daran gehalten – uns also in unserem eigenen Fête de la Musique-Rooster umgeguckt, wer das machen könnte und wie eine coole Mischung entstehen kann.
Kannst Du aus dem Nähkästchen plaudern, wie schwer es war in die Veranstaltung auf die Beine zu stellen? Ihr musstet ja sicher nicht nur mit dem Chéz Heinz, sondern auch mit Behörden das Konzept abstimmen und genehmigt kriegen?
Ja, das war tatsächlich gar nicht so schwierig, weil wir mit einem Metal-Frühschoppen dieses Biergarten-Hygienekonzept schon stehen gehabt haben. Das Biergarten-Konzept ist abgenommen vom Gesundheitsamt in Hannover, das geht natürlich durch die ganzen Prüfungen durch. Aber letztlich ist es das Biergarten-Konzept mit Live-Musik – ja, das ist es dann schon. Da mussten wir dann keine großen Konzepte neu schreiben oder Vereinbarungen treffen.
Gab es ganz besondere Stolpersteine auszuräumen– insbesondere hinsichtlich Finanzierung oder Technik?
Ja, Technik war komplizierter, als ich gedacht habe. Ich habe das viel mehr übergedacht als es letztlich war – die Leute sind halt andere Technik gewohnt, andere Amps, ein echtes Schlagzeug. Die Musiker mussten sich drauf einspielen, aber es hat letztlich super geklappt.
Unter uns: Auf einer Skala von „Einmaliges Experiment“ bis „Zukunft der Konzertlandschaft“: Wo würdest Du das „Silent Concert“ als Format einordnen?
Irgendwo dazwischen. Aber schon klarer Ausschlag in Richtung Zukunft, weil wir haben nun erstmal mit der Situation zu tun. Ich bin ja ein Freund davon nicht immer zu sagen: „Das geht alles nicht“, sondern man muss irgendwie weitermachen. Man muss dann Sachen ausprobieren und gucken, ob sie funktionieren. Ich finde, es hat funktioniert. Ich glaube jetzt auch nicht, dass wenn man das mal mit mehr Bands macht, oder wenn man das länger macht, oder das zwei Tage macht, dass das die Leute nicht annehmen würden. Die Leute sind durstig. Das kann man absolut wiederholen.
Sitchwort Limitierung: Ihr wart jetzt bei ungefähr hundert Gästen, kannst Du Dir vorstellen, das auch nochmal in einem größeren Setting zu wiederholen?
Im Prinzip ja, da ist das Limit allerdings die Technik. Alles einsammeln, desinfizieren, aufladen, das macht es komplizierter, aber nicht unmöglich.
Erwartet ihr Nachahmer oder ähnliche Veranstaltungen, die das übernehmen können?
Naja, wir sind ja nicht die ersten, die ein Silent oder Kopfhörer-Konzert machen. Aber für Metal ist das schon ein ungewöhnliches Setting, im Jazz oder der gesetzteren Musik ist das ja gängiger. Es gibt ja auch andere Formate: Autokonzerte oder Biergarten vor großer Bühne. Aber das ist ja alles Open Air. Und das ist limiert – mit Wetter zum Beispiel. Also wäre auch ein Silent Concert drinnen schwierig. Also müsste man darüber nachdenken, ob man diese Formate nochmal anpasst muss. Aber wir sind ja glücklicher Partner der Stadt [Hannover; Anm. d. Red. ] und der UNESCO – und da sind vielleicht ein paar abstraktere und ungewöhnlichere Spielorte möglich.
Als Veranstalter fungiert der hannoversche Verein 30666. Kannst Du uns kurz was über den Verein erzählen? Wo kommt er her, wo wollt ihr hin – und wer kann wie mitmachen?
Das eigentlich auch so eine fixe Idee von mir und der Alice Moser von der UNESCO-City Of Music. Wir wollten was machen für die Metal-Szene, weil wir beide nun auch beruflich damit zu tun haben- mit Fördermaßnahmen besonders. Die UNESCO kümmert sich um das Netzwerk der UNESCO-Cities of Music, ich bin bei der Landesmusiakadmie Niedersachsen als Dachverband der organisierten Musik. Und da uns aufgefallen ist, dass es da einfach wenig gibt, was organisierte Strukturen für den Metal angeht, haben wir mal angefangen. Mit einem Stammtisch. Erstmal rumgehört, wer hat Bock. Tatsächlich waren es erstmal vorwiegend Musiker im Raum Hannover, dann haben wir uns zusammengesetzt, gesponnen, was kann man machen. Dabei hatten wir das Glück, dass wir den Anker Fête de la Musique haben. Wir haben dann vom Organisationsteam eine Bühne zum kuratieren bekommen, direkt zum Start. Und dann war schnell klar, dass ein Stammtisch zum organisieren nicht reicht.
Zweimal haben wir da schon mitgemacht, dieses Jahr wäre Nummer drei gewesen. Aber zweimal war wirklich saugeil. Die Stadt steckt da Geld rein, organisiert die Bühne und die Technik, das Catering. Wir kümmern uns halt inhaltlich drum, um die Durchführung, die Backline, die Bands. Die Bands konnten sich dann bewerben, wir haben dann ausgewählt. Das muss jemand machen, der mit Herz dahinter steht.
Das erste Jahr war schon abgefahren. Aber zu sehen, wie viele Leute dann im zweiten Jahr da waren, wir sind ja mit der Bühne mitten in der Stadt, da waren bestimmt über den Tag verteilt 3000 oder 4000 Leute da, wirklich abgefahren. Das hat die Leute wirklich gezogen, aus der Region, aus Braunschweig, sogar aus Hamburg. Unser Anspruch war auch nicht nur Metal für Metaller, sondern auch der breiten Masse zu öffnen, dass das nicht irgendeine weggedrängte Subkultur ist, sondern auch eine sehr kräftige Szene. Gerade wenn man das vergleicht mit dem Mainstream, der ja kaum noch erfassbar ist. Aber dann bleiben auch die Papis stehen, die Leute aus dem C&A im Anzug bleiben stehen und gucken sich das an, einige natürlich mit „Oh Gott, was ist das denn ?“, andere sagen aber, „Ja, geil“.
Und so bauen wir das programmatisch auch auf, natürlich ist da auch „Geballer“ bei, aber auch was, was leichter verdaulich ist. Was Interesse weckt. Das kommt ja auch an. Und der Metal ist ja nicht nur Krach und Geschrei, das gehört natürlich auch dazu, muss auch sein, aber es gibt auch leichter verdauliche Sachen – und da hören auch unbedarftere Leute dann zu.
So, zurück zum Stammtisch: Wir haben festgestellt, dass die notwendige, knackige Organisation so nicht funktioniert. Man ist beim Stammtisch, man spinnt Ideen – und dafür ist das super! Aber wenn man Listen machen muss, kommunizieren muss und ein Event organisieren muss: Dann braucht man Strukturen. Und wie geht das ohne jetzt groß Hierarchien einzuziehn oder so? Da fiel schnell das Stichwort „Verein“. Mit Vorstand und der Idee, Leute zu gewinnen, die darauf Bock haben. Natürlich machen wir das alles ehrenamtlich, sind alle schwer beschäftigt, Mamis, Papis, alle mit Jobs ausgelastet, das muss halt irgendwie reinpassen.
So sind wir dann auf die Idee gekommen einen Verein zu gründen. Das ging auch relativ schnell, knapp ein Jahr. Und wie es das Vereinsrecht in Deutschland so will, kann man bei so einem Verein auch Mitglied werden. Und natürlich auch sehr gern! Einfach auf die Seite gehen, „Mitglied werden“ anklicken, Antrag ausfüllen und dann die lokale Metalszene unterstützen. Man kann sich natürlich auch so engagieren, aber es ist natürlich umso schöner, je mehr Leute da mitmachen, umso verrücktere Sachen kann man dann spinnen!
Gutes Schlusswort! Danke soweit für die Zeit und bis bald!
Interessante Alben finden
Auf der Suche nach neuer Mucke? Durchsuche unser Review-Archiv mit aktuell 37234 Reviews und lass Dich inspirieren!
Kommentare
Sag Deine Meinung!