Sepultura
In Flames
Konzertbericht
Seit letzter Woche habe ich ein neues Haustier. Ich nenne es liebevoll Tinnitus aurium. Es ist klein und wohnt in meinem Ohr! Es ist überaus pflegeleicht – man muss mit ihm lediglich alle zwei Wochen auf ein größeres Konzert gehen, dann geht’s dem kleinen Mistvieh gut. Das Ding ist mir regelrecht ans Herz gewachsen. Doch falls jemand es vermisst, bitte eine kurze shemale an meine metal.de-Adresse. Danke!
Zugelaufen ist es mir beim IN FLAMES und SEPULTURA Konzert hier in der holden Hauptstadt letzten Sonntag. Drinnen war es dermaßen laut, dass es wahrscheinlich in meinem Innenohr Schutz vor dem Lärm gesucht hat. Jedenfalls kam ich nichtsahnend um 21 Uhr in der Columbiahalle an und über der Eingangstür stand – IN FLAMES heute um 19h – in großen Lettern. Ich Idiot war wieder spät dran. Langsam entwickelt es sich zu einem Hobby. Aber kann mir bitte jemand sagen, wer um 19 Uhr auf ein Konzert geht? Da ist es ja nicht mal dunkel. Wie uncool! Jedenfalls kam ich fett zu spät und die französische Vorband DAGOBA zockte gerade ihren letzten Song. Also nix Live-Impressionen oder Live-Fotos. Na ja, das Leben ist hart und kein Schwanz ist so hart wie das Leben. Interessiert zwar keinen, aber musste mal gesagt werden!
Dann war es endlich soweit und die brasilianischen Tribal-Tharasher betraten die Bretter, die die Welt bedeuten. Aber what the fuck?! Seit wann ist Max Cavalera denn schwarz? Gut war nicht witzig, ich weiß, doch kann mir jemand auf die Schnelle sagen, wie der „neue“ Sänger denn heißt? Nein? Des han i mi denkt! Derrick Leon Green heißt der Gute, doch jeder nennt ihn nur: „Der Neue“ oder „Der neue Sänger“ – seit acht Jahren dabei und trotzdem nennt ihn jeder so. Na ja auch egal. Auch „neu“ dabei, allerdings am Schlagzeug, war auch der ex-SOULFLY-Schießbudenmeister Roy Mayorga, der als Ersatz für Igor Cavalera eingesprungen war, weil dieser die Geburt seines Sohnes nicht verpassen wollte. Eine billige Ausrede, wie ich finde!
Jedenfalls bin ich schnell in den Fotograben gehechtet, um schnieke Fotos zu machen und gleich bereut, denn einer der ersten Songs des Abends war Refuse/Resist und ich konnte ihn gar nicht genießen, so ganz „busy“ im Fotograben. Dann wieder schnell raus aus dem Fotograben und die Luftgitarre umgeschnallt. Gott hab ich mir daraufhin einen abgefiedelt. Ach ja, ich wollte ja noch die eine Sache aus dem Fotograben erzählen. Ich habe mir an dem Tag einen Freund gemacht und grob geschätzt sieben Todfeinde. Das war wie folgt: Ich also am grandiose Fotos machen, da zeigen mir acht Paar Hände wie wild auf eine Stelle kurz hinter der Absperrung – praktisch unter mir. Acht Mann fuchteln aufgeregt mit den Armen und geben tierische Laute von sich. Ich natürlich nix verstanden, aber trotzdem nach untern geschaut. Und da liegt ein Plektrum vom „sympathischen“ Gitarristen Andreas auf dem Boden. Ich hab es also aufgehoben und da fingen Engelchen und Teufelchen auch schon an auf meiner Schulter zu streiten. Selbst behalten oder doch weggeben? Das Teufelchen hat jedenfalls verloren und so gab ich das Plektrum einem Augenpaar aus der Meute – zwei Augen die dankbar schauen und vierzehn die mich am liebsten angezündet sehen würden. Wie gesagt das Leben ist hart und kein Schwanz ist so hart wie das Leben. Und falls sich jemand wundert, warum ich den SEPULTURA-Gitarristen als „sympathisch“ bezeichnet habe, sollte weiterlesen!
Also weiter im Text. Ich stand da also und fiedelte mir einen ab, bangte völlig unkontrolliert mit meinem kurzen Haupthaar und hatte meinen Spaß – doch nur mit dem rechten Ohr! Ich stand nämlich sehr ungünstig. Egoistisch, wie Ohren nun mal sind, hörte sich nur das rechte Ohr das SEPULTURA-Konzert an, als Ausgleich dafür durfte dann das linke Ohr das IN FLAMES-Konzert alleine anhören, doch dazu später mehr. Der SEPULTURA-Auftritt war mehr als nur zufriedenstellend, die Hälfte der Playlist bestand aus älterem Material, doch auch neuerer Staff vom kürzlich erschienenen Album „Dante XXI“ war auszumachen. Die Stimmung war grandios, es wurde „getanzt“ und „gesungen“. Grandios bis zu dem Moment, als sich der „sympathische“ Gitarrist sich zu Wort meldete.
Achtung! Jetzt wird das Mysterium um die Anführungsstriche um das Wörtchen sympathisch aufgelöst!!
Der „sympathische“ Gitarrist meldete sich mit dem Satz „Brasilien wird Weltmeister“ zu Wort. Folge:2000 Mittelfinger gleichzeitig in der Luft! Respekt. Keiner, der nicht eine gepflegtes „Buhh“ von sich gab! O-Ton meines Kumpels: „Hej, der kennt alle wichtigen Worte, um sich Schläge abzuholen!“. Ein sehr „sympathischer“ Brasilianer also! Bleibt noch zu erwähnen, dass die Zugabe „Roots Bloody Roots“ wie immer geil war. Wieder einen Wolf abgefiedelt und gefeiert, was das Zeug hielt. Der Gig bleibt mir, trotz des „sympathischen“ Gitarristen, in guter Erinnerung!
Nach einer kurzen kaum merklichen fünfundvierzig Minuten langen Umbaupause fing der IN FLAMES-Gig mit einem großen Knall an – Pech nur, dass ich im Fotograben bereitstand, um Fotos zu machen und der besagte Knall nur wenige Millimeter vor meinem Ohr losging! Ich sah also mein gesamtes Leben vor meinem geistigen Auge vorbeiziehen und wollte fast in Deckung springen, doch ich erholte mich ziemlich schnell von dem Schock. Ich bin halt von oben bis unten durchtrainiert – jeden Sonntag Badminton spielen zu gehen, lohnt sich anscheinend! Und pro Monat dafür fünfzig Euro hinzublättern demnach auch – ach was kost’ die Welt! Jedenfalls gab es da diesen Knall und plötzlich hatte ich ein Piepen im Ohr. Ich hätte den Veranstalter nur so mit Klagen überziehen sollen, aber ich bin faul und so arrangierte ich mich mit meinem neuen Innenohr-Mitbewohner. Also kurzum: Beängstigender Knall, Ohren zerfetzt, Fotos gemacht, diesmal auf der linken Seite der Halle postiert und das linke Ohr beschallen lassen.
Doch halt! Erst weitere Eskapaden aus dem famosen Fotograben: Es war unglaublich laut. Der Vorhang fiel untermalt mit einem lauten Knall herunter und da standen die Schweden plötzlich und spielte auf ihren Apparillos. Wenige Zentimeter vor meinen Sinnesorganen starteten Düsenflugzeuge (Feuerwerk) und explodierten Supernovas (Pyroeinlagen). Und hinzu kam der lautstarke Gesang in den vorderen Zuschauer-Reihen. Unglaublich so etwas! Dergleichen habe ich das letzte mal beim Berliner Abschlusskonzert der BÖHSEn ONKELZ erlebt. Bei den „Fiesen Oheimen“ sang damals der ganze Saal mit – genau wie hier. Ok diesmal waren es andere Fans – man möchte sagen viel behaartere und jüngere – doch beeindruckend laut. Beeidruckend schon deshalb, weil der (Ur-)knall mir mein Trommelfell völlig zunichte gemacht hat und ich im Prinzip gar nichts hätte hören dürfen. Respekt!
Gut, nun muss etwas beichten, aber nicht hauen! Ich mag Melodic Death Metal gar nicht. Entweder etwas höre ich etwas Melodisches oder klassischen Death Metal – aber es sollte nichts dazwischen geben. Ich mag diesen Genre-Bastard nicht, weil es nicht Halbes und nichts Ganzes ist. So jetzt ist es raus. Hassmails an die bekannte metal.de-Adresse.
Na gut, da es jetzt raus ist, kann ich ja frei Schnauze erzählen, wie ich es fand. Ich fand es großartig!! Klasse Sound, klasse Riffs, der Gesang – alles. Fand ich echt gut. Menschenmengen, die die gehörnte Faust in die Luft recken. Und auch diese Bühnenpräsenz! Echt überraschend. Ich hab IN FLAMES zwar schon einmal live gesehen, doch damals habe ich das nicht so bewusst wahrgenommen (siehe Argumentation: Genre-Bastard) – jetzt bereue ich es!
Und nun zu meinem Lieblingsthema: ANDERE KONZERTBESUCHER! Links von mir stand ein Typ, der nicht nur so aussah, wie Glen Benton von DEICIDE, er benahm sich auch so! Er schrie mir wie bekloppt ins Ohr und rastete völlig sinnlos aus. Der feine Herr nahm meine bedeutungsschwangeren Blicke wohl nicht wahr, denn er machte frech weiter und belästigte mich allein durch seine Anwesenheit! Zudem roch er etwas streng, na ja manche Menschen stehen anscheinend auf dem Kriegsfuß mit der körperlichen Hygiene. Und plötzlich war er wie vom Boden verschluckt, doch zu früh gefreut, denn an seiner Stelle stand nun ein großer ausgemergelter Typ völlig regungslos da. Sein Körper befand sich in völliger Ruhe, nur sein Kopf nicht, der bewegte sich wie eine Windmühle. Verrückt! So etwas hab ich auch noch nie gesehen. Er hat einfach sein Genick vergewaltigt. Doch das war so witzig, dass ich wie ein Bekloppter mit dem Finger auf ihn zeigend feierte. Andere haben das Schauspiel ebenfalls bemerkt und pilgerten zu dem Typen, um ihn genauer unter die Lupe zu nehmen. Freak! Ach ja und da war noch einer. Ich glaub der hatte an dem Abend echt die Arschkarte gezogen. Er stand genau vor der Konfetti-Kanone, die zum Abschluss den Konzerts losging. Er stand ungelogen vielleicht einen halben Meter von diesem Monstergerät und wurde zärtlich vom Konfetti nur so umspielt. Grandioser Anblick. Leider kein Beweisfoto.
Alles in allem, eine wirklich starke erste Berliner Vorstellung dieser Göteborger Melodic Death Metal Avantgardisten! Wer seine Augen und Ohren hasst, sollte bei Gelegenheit im Fotograben stehen, während IN FALMES spielen. Alles andere: super!
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